Todesstoß für das Heer (2)

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Nach der Ankündigung, die Wehrpflicht zur Disposition zu stellen, unternimmt Verteidigungsminister Norbert Darabos nun eine konkrete Initiative. Doch die politische Geschäftsgrundlage für das Bundesheer, die Sicherheitsstrategie, fehlt indes.

Aus. Das war’s. Geht es nach den Sozialdemokraten und Verteidigungsminister Norbert Darabos, wird noch heuer per Volksbefragung über das Aussetzen der Wehrpflicht abgestimmt. Das politisch im Stich gelassene und systematisch ausgedünnte Bundesheer sowie die bisher den jungen Männern abverlangte Wehrpflicht haben ausgedient. Sprichwörtlich.

Das hat vor allem damit zu tun, dass die Strategien der Parteien, sobald sie eine haben, zumindest in Friedenszeiten stärker die Politik zu leiten imstande sind, als dies die Interessen des Staates zu tun vermögen. Denn es wäre in dessen - und damit in unser aller - Interesse, zuerst die seit Kurzem im Entwurf vorliegende Österreichische Sicherheitsstrategie abschließend zu behandeln. Um dann, als Konsequenz daraus, über das Militär, seine Ziele und Mittel zu entscheiden. Doch so schreitet man ohne Grundlagen, ohne Ziel und Plan in eine fantasievoll skizzierte Zukunft, Hauptsache, man ist sich des erwarteten Sieges gewiss. Genau so wurden schon Legionen und Armeen ins Verderben geführt. Aber eine beratungsresistente und theorieschwache Politik kann aus der Militär- und Kriegsgeschichte nichts lernen, weil sie diese offensichtlich nicht kennt.

Österreich verlässt sich weiter auf andere

Der von Norbert Darabos (siehe dazu auch Seite 8, Kopf der Woche) dem Koalitionspartner ÖVP im Dezember 2010 übermittelte Entwurf der Österreichischen Sicherheitsstrategie ist, das sei eingeräumt, in einigen Passagen zumindest ehrlich: Die Sicherheit Österreichs "beruht insbesondere auch auf der Funktions- und Leistungsfähigkeit der europäischen Sicherheitsinstitutionen“, heißt es. Österreich "profitiert vom Schutz durch starke und effiziente Schutzgemeinschaften“. Stimmt. Die Sicherheitsarchitektur Österreichs entwarf stets politische Lügengebäude. Seine nationalen und internationalen Leistungen hat das Bundesheer immer trotz, aber niemals dank, geschweige denn ursächlich jener Politik erbracht, der es unterworfen ist, die ihm eigentlich verpflichtet wäre. Doch nun nimmt die Politik dem Heer die letzten Reste eigener Kraft.

Wäre das Modell Schweden wirklich Vorbild, wären die Mittel für das Heer zumindest um die Hälfte zu erhöhen. Genau das wird nicht passieren. Die von Darabos bevorzugte Reformvariante ist kostenneutral, im Klartext: Sie kostet nur wenig mehr, als jetzt für das Heer aufgewendet wird, nämlich 2,2 Milliarden Euro Jahresetat. Dabei böte der zitierte Entwurf zur Sicherheitsstrategie durchaus Ansätze, endlich vernünftig über das Heeresbudget zu verhandeln. Denn auf Seite 20 der 21 Seiten umfassenden Seminararbeit ist von "Anpassung des Haushaltsgesetzes“ die Rede, damit das Bundesheer "auf europäischer Ebene an Aufgaben mitwirken kann“. Es könnte auch umgekehrt enden: Das geringe Engagement ließe sich mit noch weniger als den derzeitigen Mitteln bezahlen.

Steht die Neutralität zur Disposition?

Die Parteien, allen voran die der Regierung, betreiben ihre Profilierung mit den Mitteln banaler Differenzierung: Sie formulieren ihre Standpunkte nicht anhand globaler Analysen, europäischer und nationaler Interessen, sondern entlang der Frage, wie sie sich voneinander unterscheiden könnten. Wobei es genügen würde, ließe die Volkspartei nur eine und nicht mehrere von Darabos abweichende Meinungen erkennen.

Die große Frage hinter der Heeresreform ist jene nach dem Staats- und Gesellschaftsverständnis Österreichs: Was heißt Neutralität? Wer tritt für sie ein? Was heißt Solidarität in Europa?

Gesetzlich hat sich Österreich verpflichtet, die Neutralität "mit allen zu Gebote stehenden Mitteln“ zu verteidigen. Jetzt kennen wir die Darabos-Definition für "alle“: zirka 9.500 Berufssoldaten, die 5.500 Zeitsoldaten und 10.000 der Freiwilligenmiliz kommandieren, sofern sie nicht irgendwo unterwegs sind. Das wirkt lächerlich.

Über das alles ist zu sprechen, ehe abgestimmt wird. Anhand des Themas, nicht der Parteiinteressen. Um über Sicherheit, nicht Unlust zur Pflicht abzustimmen.

* claus.reitan@furche.at

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