Trennen, dann verwerten

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Der Müll auf Deponien darf nicht schaden. Aber wie misst man Unschädlichkeit? Das derzeitige Maß stellt die Weichen in Richtung Müllverbrennung.

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Der Müll auf Deponien darf nicht schaden. Aber wie misst man Unschädlichkeit? Das derzeitige Maß stellt die Weichen in Richtung Müllverbrennung.

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Lange Zeit hindurch war die Beseitigung des Abfalls die Methode der Wahl. Zunehmend wird es nun die ökologisch und ökonomisch sinnvolle Nutzung der vormaligen Abfälle, die man auch als Sekundärrohstoffe ansehen kann. Diese neue Aufgabe hat sich in einigen Bereichen der Branche schon etabliert und die Systeme einer getrennten Erfassung sind die Vorreiter dieser Entwicklung, die eine gezielte weitere stoffliche oder thermische Nutzung ermöglichen.

Ein Teil der Abfälle wurde bisher nur mit wenig Engagement betrachtet - der Restabfall. Es sind dies die jährlich anfallenden 2,8 Millionen Tonnen (Bundesabfallwirtschaftsplan 1998) aus Haushalten und ähnlichen Einrichtungen.

In Österreich war die Deponie bisher der Garant oder das Rückgrat für "Entsorgungssicherheit". Der Gesetzgeber hat aber mit dem Abfallwirtschafts-Gesetz (AWG) und den entsprechenden Verordnungen klar ein Ende dieser Ära angekündigt. Damit soll das Ziel einer nachhaltigen Sekundärrohstoffwirtschaft erreicht werden.

Wie dieses Ziel erreicht werden soll, ist in Österreich noch nicht abschließend geklärt. Einerseits gibt es den Weg über die flächendeckende Müllverbrennung der Restabfälle in Großanlagen. Andererseits könnten überregionale Anlagen für Vorbehandlung und Trennung zum Einsatz kommen. In ihnen sollte der Müll mechanisch so aufbereitet werden, dass verschiedene Fraktionen entstehen: Müll, der entweder verbrannt, biologisch behandelt oder deponiert wird. Bei der Verbrennung soll zwischen der thermischen Nutzung der hochkalorischen Fraktion in der industriellen Mitverbrennung und der thermischen Entsorgung in Müllverbrennungsanlagen unterschieden werden.

Sich auf eine Variante alleine festzulegen, wird nicht ausreichend sein. Zielführend erscheint ein sinnvoller Mix dieser Ansätze. Die Variante, den gesamten Müll zu verbrennen, ist zwar aus einigen Ländern bekannt, sollte aber in Österreich nicht angestrebt werden. Die ökologisch sinnvolle und ökonomisch vertretbare Ergänzung und Alternative dazu ist die mechanisch biologische Restabfallbehandlung (MBA).

Sie ist eine Kombination von mechanischen und biologischen Verfahren um möglichst viele Sekundärrohstoffe zurück zu gewinnen und eine thermische Fraktion herzustellen.

In der MBA werden prinzipiell die Schritte der mechanischen Zerkleinerung, der Aussortierung und der Siebung durchgeführt. Der Siebdurchgang (die kleinen Teile, die durchfallen) weist einen hohen Anteil an organischem Material auf. Er wird in der biologischen Stufe durch Verrotten stabilisiert. Nach der biologischen Behandlung und einer eventuellen weiteren Siebung wird das Material in der Deponie eingebaut.

Der Siebüberlauf (die großen Teile) beinhaltet hauptsächlich Kunststoffe und andere gut brennbaren Materialien. Dieser Anteil wird entsprechend der weiteren thermischen Nutzung weiter aufbereitet. Die dabei erfassten Stoffe sollten in geeigneten thermischen Verwertungsanlagen als Ersatz der derzeit eingesetzten Primärenergieträgern genutzt werden.

Einseitiger Grenzwert Hier bieten sich verschiedene Möglichkeiten an: die industrielle Mitverbrennung in Wirbelschichtöfen oder der Einsatz in kalorischen Kraftwerken. Der Einsatz in der Zementindustrie ist abhängig von Technik der Klinkerproduktion. Der Einsatz dieser Energieträger wird derzeit in der Bundesrepublik Deutschland von einigen Pionieren der Abfallwirtschaft forciert.

In Österreich ist mit der Deponieverordnung (BGBl 1996 / 164) das Ablagern von unbehandelten Abfällen auf der Deponie ab 1.1.2004 (regionale Ausnahmen von dieser zeitlichen Grenze werden heftig diskutiert) nicht mehr zugelassen.

Der Grenzwert zur Überprüfung der Frage, ob die zu deponierenden Abfälle auch ausreichend vorbehandelt worden sind, ist "der Anteil an organischem Kohlenstoff" (TOC). Er ist auf fünf Massenprozent festgelegt.

Latte liegt zu hoch Der Gesetzgeber hat damit eigentlich eine klare Weichenstellung in Richtung stoffspezifischem Ressourcen-Management beabsichtigt. Mit diesem alleinigen Grenzwert wäre jedoch die MBA vollkommen ausgeschlossen worden. Daher wurde ein alternativer Grenzwert, der obere Heizwert (Ho) eingeführt. Der Grenzwert von 6.000 Kilojoule je Kilo Trockensubstanz entwickelt sich jedoch auch zu einer Lenkung in Richtung Gesamtmüllverbrennung. Mit einer einer biologisch stabilen Rotte erreicht man diesen Grenzwert nämlich in der MBA nicht, sondern ist vielmehr gezwungen, eine aufwendige mehrmalige Siebung durchzuführen, bis auch die letzten Reste an Kunststoff aus dem Deponiematerial abgetrennt sind.

Die Diskussion über die Eignung des Parameter TOC (und als Alternative den Oberen Heizwert) als einzigen Grenzwert ist nun nach Jahren der Debatten umstrittener denn je. Derzeit wird trotz heftiger Kritik an diesem Grenzwert festgehalten. Dabei ist folgendes zu bedenken: Nach § 1 AWG ist die Abfallwirtschaft so auszurichten, 1. dass schädliche, nachteilige oder sonst das allgemeine menschliche Wohlbefinden beeinträchtigende Einwirkungen auf den Menschen sowie Tiere, Pflanzen deren Lebensgrundlagen und deren natürliche Umwelt so gering wie möglich gehalten werden; 2. dass Rohstoff und Energiereserven geschont werden; 3. dass der Verbrauch von Deponievolumen so gering wie möglich gehalten wird und 4. dass nur solche Stoffe als Abfälle zurückbleiben, deren Ablagerung kein Gefährdungspotential für nachfolgende Generation darstellen (Vorsorgeprinzip).

Zur Erreichung dieser Ziele wurden alternative Parameter entwickelt, die das Verhalten und die Auswirkungen des auf der Deponie abzulagernden Abfalles mit biologisch relevanten Parametern beschreiben. Hier ist insbesondere der AT4 (Atmungsaktivität in vier Tagen, gemessen im Sauerstoffverbrauch) und der GB 21 (gemessen wird die Gasbildung in 21 Tagen) zu nennen.

Beide Werte beschreiben die biologische Aktivität des Abfalles und damit die Möglichkeit der Entstehung von Deponiegas beziehungsweise anderer Abbauprodukte, die durch unkontrollierte mikrobiologische Aktivität im Abfall entstehen und vermieden werden sollen.

Würden diese Parameter herangezogen, so ergäbe das eine Reduktion des biologischen Reaktionspotentials für Deponiematerial um rund 95 bis 98 Prozent. Damit wäre der Punkt 4 der AWG-Ziele klar erfüllt.

Durch gezieltes mechanisches Aufbereiten und anschließendes Sortieren wäre außerdem dafür gesorgt, dass Roh- und Sekundärrohstoffe zurück gewonnen werden. Da weiters eine Fraktion mit hohem Heizwert zur thermischen Verwertung aussortiert wird, stellt die Vorschaltung der MBA einen wichtigen Schritt in Richtung Schonung der Energiereserven und dar. Man kann nämlich damit rechnen, dass rund 40 bis 50 Prozent des in eine MBA angelieferten Mülls als thermische Fraktion bereitgestellt werden kann, was mehr als 75 Prozent des thermisch nutzbaren Energieinhaltes entspricht. Damit ist auch Punkt 2 in vollem Umfang erreicht.

Deponien geschont Schließlich ist auch die Schonung des Deponievolumen durch die mechanische Aufbereitung, das Aussortieren und den biologischen Abbau gewährleistet.

Der nach all diesen Verfahren verbleibende Rest aus Inertstoffen und biologisch inaktivem Material beträgt noch etwa 30 Gewichts-Prozent des ursprünglichen Abfalls. Dieser Wert entspricht etwa dem der Asche einer Gesamtmüllverbrennung.

Die Diskussion reduziert sich aber im jetzigen Stadium darauf, ob die Fraktion, die nach der biologischen Behandlung für die Deponie vorgesehen ist, solange gesiebt und mechanisch behandelt werden muss, bis der letzte Anteil an Kunststoff auch ausgesiebt ist und so der obere Heizwert der Fraktion kleiner als 6.000 kJ pro kg Trockensubstanz (TS) beträgt. Es werden Energie, Zeit und damit Gebühren aufgewendet, um eine Fraktion abzutrennen, die biologisch weitestgehend inert ist und nur noch einen kleinen Teil des Brennwertes darstellt.

Thermische Nutzung und Gesamtmüllverbrennung sind integrierte Bestandteile der Abfallbewirtschaftung. Aber es sollte ein Konzept verfolgt werden, das nicht den gesamten Abfall zum Verbrennen anliefert. Dazu ist die Vorbehandlung des Gesamtabfalles notwendig um eine stoffspezifische Verwertung zu ermöglichen und den Anteil, der in klassischen Gesamtmüllverbrennungsanlagen entsorgt werden muss, so gering wie möglich gehalten werden kann.

Der Einsatz von MBA ermöglicht die Nutzung der schon bestehenden Deponien, die nach neuestem Stand der Technik in Österreich errichtet wurden. Damit kann MBA zu einem Bestandteil einer möglichst regionalen Bewirtschaftung ohne unnötigen Transport von Gesamtmüll zu den zentralen Entsorgungsanlagen, werden.

Der Autor ist Abfallrechtlicher Geschäftsführer der "Hubert Hausle GmbH & CoKG"

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