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Tricksen wir den Schöpfer oder uns selbst aus?

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Tricksen wir den Schöpfer aus?“ lautete die provokante Frage der diesjährigen Seckauer Gespräche zum Thema „Gentechnik - Segen oder Fluch?“. Die insgesamt 43 vorwiegend älteren Teilnehmer, unter ihnen eine nicht geringe Anzahl Mediziner, Biologen und Techniker, waren sich am Ende mehrheitlich einig: Gentechnik ist auf dem Hintergrund des biblischen „Macht euch die Erde untertan“, das den Fortschritt legitimiert und gutheißt, zu sehen. Wir tricksen nicht Gott aus, eher uns selbst.

Als wesentlich betrachteten es viele Teilnehmer, „falsche Ängste vor dem Fortschritt“ abzubauen. Die größte Schwierigkeit im Umgang mit der Gentechnik sei zunächst, so ein Arzt, daß alles hinter geschlossenen Türen geschehe. Spezialisten forschen, und viel zu wenig Information dringt nach außen. Dieser Forderung nach Aufklärung trugen an diesem Wochenende zwei sachkundige Referentinnen Rechnung.

„Die Folgen der Gentechnik lassen sich nicht abschätzen“, übte die Grazer Biotechnikerin Ingrid Theißing-Brauhart scharfe Kritik an gentechnischen Errungenschaften. So führe zunj Beispiel aas gentechnisch hergestellte Insulin gelegentlich zu allergischen Reaktionen, was im Moment einen Expertenstreit in Gang hält. Theißing-Brauhart sprach auch von möglichen Konsequenzen gentechnischer Untersuchungen auf Versicherungen und Arbeit. Es gäbe schon jetzt amerikanische Versicherungen, die Kinder, bei denen pränatal Erbkrankheiten diagnostiziert werden, ablehnen. Das Gentechnikgesetz verbiete das in Österreich „zur Zeit noch alles“.

WAS IST DIE GRENZE?

Als konkrete Beispiele, wie Gentechnologie in bislang natürliche Abläufe eingreife, erwähnte sie die „Antimatsch-Tomate“ oder Muttermilch, die von Kühen produziert wird. Die Fragen „Wie weit darf ich gehen? Wo sind die Grenzen?“ müssen laut Theißing-Brauhart schon im Experimentstadium eines Produkts gestellt werden und nicht erst dann, wenn es schon auf dem Markt ist, denn „ein Mensch, der krank ist, fragt nicht mehr danach, wie das Medikament hergestellt wurde“.

Gegen eine pauschale Ablehnung der Gentechnologie und für einen differenzierteren Umgang damit sprach sich die bei der „Aktion Leben“ tätige Ärztin Andrea Aichinger aus und unterschied ausdrücklich zwischen einer „somatischen Gentherapie“ und einer „Keimbahn- Gentherapie“. Nur letztere bedeute eine Manipulation etwa an befruchteten Eizellen und sei auf jeden Fall „gesellschaftlich zu ächten“, so die Ärztin.

Die „somatische Gentherapie“ hingegen, die mit gentechnisch produzierten Impfstoffen, Blutgerinnungsfaktoren, Insulin et cetera durchgeführt wird, sei durchaus eine positive Entwicklung, weil dadurch unheilbare Krankheiten möglicherweise geheilt werden können.

Die immer wieder angedeuteten „Grenzen“ der Gentechnik blieben in Seckau ohne geistigen Widerhall. Obwohl der Beitrag der Wiener Pastoraltheologin Maria Widl auf die geistigen Kontexte der Gentechnologie einging und zahlreiche Assoziationen über moderne und postmoderne Befindlichkeiten hervorrief, führte er doch weit weg von der Frage, die im Anschluß an die medizinisch-biologischen Erkenntnisse offenblieb:

Was ist die Grenze wirklich? Eine ethisch-moralische Annäherung wäre als geistiges Pendant zu den wissenschaftlichen Beiträgen konsequenter und auch ertragreicher für diese Thematik gewesen.

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