Trump als Spielmacher

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Unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump wird sich einiges ändern - auch die Beziehung der USA zu NATO und EU. Wem welche Szenarien Vorteile bringen würden.

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Unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump wird sich einiges ändern - auch die Beziehung der USA zu NATO und EU. Wem welche Szenarien Vorteile bringen würden.

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Viel hellseherische Fähigkeiten braucht es nicht, um zu wissen, wer die gerade stattfindende Münchner Sicherheitskonferenz dominiert. Der abwesende Donald Trump. Im letzten Jahr hatte Dmitri Medwedjew von einem Abrutschen in den Kalten Krieg gewarnt. Die EU-Staaten waren -damals wie heute - besorgt. Und ohne gemeinsame Antworten. Ein Adressat Russlands war das transatlantische Militärbündnis NATO. Heute schauen die europäischen Staaten verunsichert nach Osten wie auch gen Westen.

Nein, es war keine twitter-Meldung von Donald Trump. Die deutsche Bild-Zeitung hatte es zu berichten: Die NATO sei "obsolet" weil man sich dort nicht um den Terrorismus gekümmert hat. Die europäischen NATO-Verbündeten zahlen nach Trump auch zu wenig für die von den USA gewährleistete Sicherheit. "Abgesehen davon", so Trump, "ist mir die NATO aber sehr wichtig." Höchst fraglich erscheint, ob Trump einen Plan seiner Welt ohne NATO hat. Funktioniert sein Plan bereits, wenn die Verbündeten mehr Geld und mehr Truppen beisteuern?

Komplexe Beziehung NATO-USA

Multilateralismus - das Kooperieren von Staaten unter Berücksichtigung von deren Interessen - ist nicht das Ding von The Donald. Dazu zählen nicht nur die NATO, sondern auch multilaterale Handelsverträge oder die UNO. Trump macht lieber mit den Staaten einzeln seinen Deal. Bilaterales Business mit einem Starken und einem Schwachen. Und wer nicht zahlt, wird nicht verteidigt - militärische Beistandsgarantie der NATO hin oder her.

Das Programm "NATO obsolet" ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Schon nach dem vermeintlichen Ende der Blockkonfrontation waren Anfang der 1990er die Stimmen laut, die nach der Auflösung des Warschauer Paktes das Ende der NATO verlangten. Auch wenn die NATO die Kurve vom militärischen Beistandspakt zum globalen Interventionsbündnis und wieder retour gekriegt hat, sind die Stimmen nie ganz verstummt. Aber Donald J. Trump stellt das in einen anderen Kontext. Er plädiert für "Make America Great Again", und da ist ihm die NATO nur unter bestimmten Voraussetzungen nützlich.

Der Blick in die jüngere sicherheitspolitische Geschichte zwischen USA und Europa zeigt ein Auf und Ab. Die militärischen Gehversuche der EU mit den Verträgen von Maastricht 1992 beantwortete US-Präsident Bush Senior mit einer Liste von Verboten. In die Ära Bill Clinton fiel der völkerrechtswidrige NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999. Die USA klagten während und nach dem Bombardement über mangelnde militärische Beiträge der Verbündeten und schickten zugleich Warnungen. Europäische Militärausgaben hinauf, aber keinerlei Abkopplung von der NATO. Bereits viele US-Präsidenten klagten über schlaffe Muskeln europäischer NATO-Staaten. Trump sagt also nichts Neues - aber er sagt es anders. Mit George Bush Juniors Irak-Krieg 2003 war für einige Staaten vorerst Schluss mit US- und NATO-Loyalität. Eine EU-Militärmacht müsse her, um sich von den USA zu emanzipieren. Europäische Rüstungsschmieden rieben sich die Hände. Widerstand hervorrufende Aufrüstungsprogramme wurden publik und die ersten EU-Militäreinsätze am Balkan und in Afrika wurden operativ. Obama gelang es, das Rad zurückzudrehen. Beim Militärgipfel der EU 2013 sang man auf dieser Seite des Ozeans wieder das transatlantische Lied und hat NATO und EU enger denn je verschweißt. Emanzipation war gestern. Hugo Portisch formuliert in seinem neuen Buch einen "Weckruf" für Europa. "EU first" kann jedenfalls keine Antwort auf "America first" sein.

Die EU als US-Konkurrenzprodukt

Das Verhältnis der EU zu Russland, die Unsicherheit ob der Absichten von Donald Trump und der wirtschaftliche Aufstieg asiatischer Staaten sind gute Gründe, um über EU-Interessen und Politikinstrumente zu reflektieren. Bei der Flüchtlingspolitik, der Haltung zu Atomwaffen, zur Anerkennung Palästinas oder zur Zukunft des Kosovo sind gemeinsame EU-Haltungen Fehlanzeige.

Es scheinen sich drei Denkmöglichkeiten herauskristallisieren. Eine Aufwertung durch Aufrüstung ist wohl im Sinne der US-Präsidenten, Donald Trump eingeschlossen. Die europäischen NATO-Staaten erkennen das Bündnis als Priorität zur Gewährleistung ihrer Sicherheit. Teil des Spiels ist die Anerkennung der USA als NATO-Führungsmacht, "America first" auch bei europäischen Rüstungsbeschaffungen und keine Infragestellung der Nukleardoktrin. Besonders wichtig ist das europäische Mitmarschieren und Mitzahlen bei NATO-Militäreinsätzen. Eine NATO, die den USA nützt und deren Instrument ist, wird auch Trump nicht als "obsolet" begreifen. Die EU soll nach Trump nur dann marschieren, wenn seine NATO nicht marschieren will. Ein europäisches Weiterwurschteln und ein paar schöne Worte zur NATO werden Trump dem vernehmen nicht genügen. US-Verteidigungsminister Mattis gibt sich versöhnlicher. Der Haken: Ein von den USA weitgehend abhängiger sicherheitspolitischer Player EU ist für Deutschland und Frankreich kaum denkbar. Das Weltordnungsproblem: China und wirtschaftlich aufstrebende Staaten und Bündnisse betrachten das Spiel "alte gegen neue Mächte" mit Argwohn. Das Denken und Handeln in militärischen Kategorien wird auch unter Trump keine Klimagerechtigkeit, keine globale Armutsreduktion und schon gar keine gerechteren Wirtschaftsstrukturen herstellen.

Das Szenario Abwertung durch Aufrüstung steht für einen Ausbau der Militärmacht EU. Weltmacht EU bedeutet heute Euro-Armee, schlagkräftiges Kerneuropa, EU-Rüstungsindustrie, militärischer EU-Beistand und Einigkeit bei Militäreinsätzen. Jeder US-Präsident - auch Donald Trump - sieht dies als Konkurrenzprodukt. Niemand sollte in der EU ernsthaft den USA in ihrer Königsdisziplin - der Militärpolitik - die Stirn bieten wollen. Die NATO als Beistands-und Interventionsbündnis wäre für die USA in diesem Fall wertlos, da die europäischen Staaten ihre eigene Suppe kochen und Amerika nicht an erster Stelle steht. Also warum einem undankbaren Verbündeten auch noch militärischen Beistand anbieten? Der bisherige Höhepunkt der nervösen Debatte ist der Ruf nach einer EU-Atombombe, um nicht von Trumps Bündnistreue abhängig zu sein. Für einige osteuropäische NATO- und EU-Staaten wäre eine kalte Schulter für USA und NATO aus heutiger Sicht ohnehin undenkbar.

Trumps neues Spiel

Schlecht war die EU stets beraten, als Kopie aufzutreten. Beispielsweise parallel zu Bush Juniors Kriegen selbst permanent globale Militäreinsätze anzuzetteln. Im Gedächtnis bleiben eine Reihe umstrittener Interventionen wie jene im Tschad oder Kongo. Deutlich unterscheidbar macht sich die EU mit einem Paradigmenwechsel, der eine Friedenspolitik mit friedlichen Mitteln ins Zentrum rückt. Das NATO-Szenario lautet Abwertung durch Abrüstung. Militärische Interessensdurchsetzung des Westens -siehe Irak, Afghanistan oder Libyen - weist ohnehin überschaubare Erfolge auf. Eine EU-Politik mit Schwerpunkt auf ziviler Krisenprävention und zivilem Krisenmanagement ist für eine militärisch dominierte Politik Trumps uninteressant. Die NATO verliert für ihn an Bedeutung. Die OSZE könnte in diesem Szenario als Gewinnerin hervorgehen. Ebenso widerfährt dem völkerrechtlich verankerten Gewaltverbot der UNO eine Stärkung. Trumps Spielregeln seines "America first" verlangen also nicht nur andere Spielregeln, sondern auch ein gänzlich anderes Spiel.

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