Trump - © Getty Images / Jabin Botsford

Trump in der Ecke: Fluch der Unverwundbarkeit

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Das temporäre Ende des Shutdowns ändert nichts an der Grundproblematik der gegenwärtigen US-Präsidentschaft. Das hat auch mit einer "Theologie des Egoismus" zu tun, der Donald Trump anhängt.

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Das temporäre Ende des Shutdowns ändert nichts an der Grundproblematik der gegenwärtigen US-Präsidentschaft. Das hat auch mit einer "Theologie des Egoismus" zu tun, der Donald Trump anhängt.

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Die lethargische Ohnmacht, die Donald Trump um seine versprochene Grenzmauer eingeholt hat, ist bezeichnend: Die Präsidentschaft des ehemaligen Immobilienmoguls entscheidet sich nicht an den Fronten internationaler Diplomatie oder an Kriegsschauplätzen Tausende Kilometer von Washington entfernt. Vielmehr werden das Oval Office und der Kongress selbst zum Schauplatz des Machtkampfes, der diese Präsidentschaft zum Scheitern bringen könnte. Wer glaubt, dass es bei dem andauernden Polit-Zwist tatsächlich nur um die kolportierten 5,7 Milliarden US-Dollar für die Errichtung eines Grenzzaunes geht, irrt. Für Trump geht es in diesem Machtpoker um viel mehr, und zwar nicht nur um seine politische Durchsetzungsfähigkeit, sondern auch um die Autorität des Amtes, das er bekleidet.

Trotz der Einigung auf ein Übergangsbudget bleibt die Stimmung angespannt. Der längste US-Shutdown der Geschichte hat die Fronten zwischen Demokraten und Republikanern weiter verhärtet. Dazwischen sitzt ein Präsident, der mit öffentlichen Schimpftiraden nicht wirklich zur Lösung des Streites beitragen kann. Donald Trump leidet bereits jetzt, zwei Jahre nach seiner Vereidigung, an einem enormen Imageverlust. Im Vergleich mit anderen US-Präsidenten aus der Geschichte liegt Trump am Ende der ersten Amtshälfte mit 37 Prozent Zustimmung abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Doch der US-Präsident möchte bei seinem harten Kurs bleiben. Schließlich war er mit diesem Stil jahrzehntelang erfolgreich. Die autoritäre Führung Trumps beschreibt sehr klar seine Strategie: Egal ob in Wirtschaft oder Politik -ein Donald J. Trump stellt sich nicht hinten an. Er vertraut niemandem außer sich selbst und fühlt sich auch keinen anderen Personen verpflichtet. Kein Pakt, Bündnis oder Vertrag kann die Launen des nunmehrigen Präsidenten bändigen. Er konzentriert sich auf den jeweiligen Moment und was er daraus machen kann. Selbst wenn die eigene Niederlage offensichtlich ist, muss diese als Sieg verkauft werden. Das ist und war von Anfang an die zentrale Haltung, die der Wirtschaftsmogul in der Immobilienbranche, jetzt aber auch in der Ausübung seines Amtes hochhält.

Besondere Rolle der Religion bei Trump

Diese Eigenschaft, so prägend sie heute ist, kann bei Trump schon sehr früh erkannt werden. Und man würde es kaum glauben, aber genau in diesem Punkt spielt Religion für Trump eine besondere Rolle. Auch wenn der US-Präsident heute alles andere als religiös orientiert ist, so kam er in seinen Kinder-und Jugendtagen durch die enge Kirchlichkeit seiner Eltern doch mit einer prägenden Person in Berührung. Der Pastor seiner elterlichen Heimatgemeinde, der presbyterianischen "Marble Collegiate Church" in Manhattan, Norman Vincent Peale, war für seine "Theologie des Egoismus" weltweit bekannt: Wer nur genug an sich selbst glaubt, wird im Leben erfolgreich sein. Der persönliche Durchbruch im Leben sei kein Zufall, sondern das Resultat eines positiven "Ich-Bezuges", so Peale. Nur die persönliche Haltung könne das Leben der Menschen ändern. Jede Person sei selbst für ihre Taten, aber auch für den Segen, der ihr im Leben zuteil wird, verantwortlich. Jeder Mensch müsse Gottes Erwählung in der Welt realisieren. Was heute für europäische Ohren sehr befremdlich klingen mag, dürfte den jungen Trump stark beeinflusst haben. Auch wenn er die "Marble Collegiate" nicht mehr oft besuchte, riss der Kontakt zu Peale bis zu dessen Tod 1993 nie ab.

Donald Trump realisiert die von Peale gepredigte Grundhaltung erstaunlich stimmig. Unabhängig, ob man ihn in der Politik oder als Wirtschaftsmogul betrachtet, man scheint eine Inkarnation von Peales Botschaft zu erkennen. Trump glaubt in erster Linie an sich selbst -alle anderen sind in seinem Weltbild austauschbar: Ob Ehefrauen, Geschäftspartner oder politische Amtsträger. Die einzige Konstante seines Weltbildes bildet sein persönliches "Ego". Dies ist der Anfangs-und Endpunkt von Donald Trumps Strategien. Der Buchtitel eines von Trumps Wirtschaftsratgebern spricht eine deutliche Sprache: "Gib niemals auf! Wie ich meine größten Herausforderungen in meine größten Triumphe verwandelte"(2008). Der Satz bringt Trumps Stil auf den Punkt. Ohne sein egozentrisches Weltbild würde Trumps Machtsystem und seine politische Logik nicht funktionieren, ebenso wären aber seine wirtschaftlichen Erfolge ohne diese Basis nicht denkbar.

Die Inszenierung seiner Person traf Trump im Streit um den US-Shutdown jedoch an einem empfindlichen Punkt. Plötzlich fühlte sich Trump in die Ecke gedrängt. Er war und ist um seines Selbstbildes willen nicht in der Lage, Zugeständnisse oder Lösungsansätze zu generieren, die nicht seine unbedingte Forderung nach einem Mauerbau mittragen. Auch das gewährte Übergangsbudget verkaufte Trump als seinen Sieg -schon kurz nach der befristeten Einigung, die den öffentlichen Angestellten zumindest ihre sechs Wochen vorenthaltenen Löhne einbrachte, drohte Trump mit der nächsten Budgetsperre. Trump kann auf diese Mauer nicht verzichten. Dieses Versprechen, auf das er seit dem Wahlkampf pocht, steht bereits seit seinem Amtsantritt für mehr als die (wohl tatsächlich nutzlose) Grenzsicherung. Sie ist ein Gradmesser für Trumps politische Amtsausübung. Je stärker er auf die Realisierung der Vorgaben besteht, umso festgefahrener wird die Situation. Trumps Bewegungslosigkeit in politischen Auseinandersetzungen ist das Resultat jener Haltung, die ihn in den vergangenen Jahrzehnten groß gemacht hat. Das, was jahrelang mehr oder weniger gut funktioniert hat, kann nicht einfach über Bord geworfen werden. Dies wäre ein Eingeständnis des Scheiterns.

Blinder Fleck in Trumps Strategie

Doch was der US-Präsident nach wie vor als die wirksame Logik seiner Erfolge ansieht, droht zu einem Bumerang zu werden: Trump, der für sich Scheitern und Niederlagen ausschließt, wird gerade in der Inszenierung seiner Unverwundbarkeit angreifbar. Die inszenierte Stärke Trumps wirkt schon länger nicht mehr so unantastbar wie sie der "Man in Charge" gerne hätte. Die Durchsetzung von Entscheidungen, ohne dabei Rücksicht auf anderen Interessen zu nehmen, fordert ihre Opfer: Macht in Regierungsangelegenheiten wird einzig und allein dadurch begründet, dass sie Gegenmacht (in diesem Fall die der Demokraten) zerstören kann. Nur wenn er den Widerstand bricht, kann sich Trump als der unangreifbare Entscheidungsträger des Landes weiter inszenieren. Die politische Durchsetzungsfähigkeit Trumps folgt der Logik des Stärkeren und sie soll die Unantastbarkeit des US-Präsidenten garantieren. Hier zeigt sich jedoch der "blinde Fleck" in Trumps Strategie: Er selbst gibt sich nach außen kämpferisch, doch offenbarten die vergangenen Wochen des verqueren Streits die Schwäche seiner offensiven Politik.

In seiner Unnachgiebigkeit lag jahrzehntelang Trumps Erfolgsstory begründet, jetzt jedoch beginnt der kompromisslose US-Präsident daran Schaden zu nehmen. Dieses Imageproblem jedoch trifft nicht nur Trump, sondern mit ihm auch die Autorität des Amtes. Ein Präsident, der sich selbst in die Ecke einer ohnmächtigen Regierungskrise gesteuert hat und unfähig scheint, sich daraus mit eigenen Kräften wieder zu befreien. Das ist nicht das Bild, das US-Amerikaner von einem Präsidenten so gerne sehen möchten. Dies wissen auch seine politischen Gegner. Die Art seiner Amtsführung hängt am idealpolitischen Selbstbild des Präsidenten. Dieses Bild, das er selbst befeuert und sich immer weiter in Widersprüche verstrickt, wird zur Negativfolie, an der er gemessen wird. Dies kann entscheidende Konsequenzen haben, die Trumps Regierung bis hin zum Wahljahr 2020 nachhaltig hemmen könnten. Viele US-Amerikaner, die für Trump gestimmt haben, wünschen sich den versprochenen "starken Mann" an der Spitze des Staates. Deshalb wird es auch für die Trump-Unterstützer nicht unerheblich sein, wie sich der in den kommenden Regierungskrisen zu behaupten vermag.

Der Autor ist Theologe und Erwachsenenbildner in Salzburg. Anfang Februar erscheint sein Buch "Trump -Du sollst keine anderen Götter neben mir haben"

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