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Um die Selbstbehauptung als Staat

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Den Ausgangspunkt aller Überlegungen zur österreichischen Landesverteidigung bildet die Tatsache, daß Österreich sich entschlossen hat, an künftigen Konflikten nicht teilzunehmen und daß es durch die Erklärung der immerwährenden Neutralität verfassungsmäßig seine Haltung festgelegt hat. Aus dieser Erklärung folgt nicht nur die Anerkennung der Tatsache, daß man trotz aller Anstrengungen zum Frieden Konfliktgefahren immer wieder ins Auge sehen muß — gäbe es keine Konflikte, wäre auch eine Neutralität überflüssig — und daß man den unmittelbaren Nachbarn bekundet, daß sie aus dem Räume Österreich keinerlei irgendwie geartete Aggressionen zu erwarten haben.

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Den Ausgangspunkt aller Überlegungen zur österreichischen Landesverteidigung bildet die Tatsache, daß Österreich sich entschlossen hat, an künftigen Konflikten nicht teilzunehmen und daß es durch die Erklärung der immerwährenden Neutralität verfassungsmäßig seine Haltung festgelegt hat. Aus dieser Erklärung folgt nicht nur die Anerkennung der Tatsache, daß man trotz aller Anstrengungen zum Frieden Konfliktgefahren immer wieder ins Auge sehen muß — gäbe es keine Konflikte, wäre auch eine Neutralität überflüssig — und daß man den unmittelbaren Nachbarn bekundet, daß sie aus dem Räume Österreich keinerlei irgendwie geartete Aggressionen zu erwarten haben.

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Durch die Bindungen, welche der erklärte Neutrale in bezug auf die Haager Landkriegsordnung eingeht, ist er auch an den Status einer Verteidigungskraft gebunden und kann nicht nach Belieben seine Zuflucht zu nicht militanten Verteidigungsmitteln nehmen, mögen sie nun glaubhaften oder unglaubhaften Charakter haben.

Die vielfach getroffene Feststellung, daß Österreich über einen Lebensstandard und über wirtschaftliche Voraussetzungen verfügt, welche die derzeitigen Verteidigungsanstrengungen als ein Minimum des Zumutbaren charakterisieren, wurde seltener im Inland, häufiger im Ausland bekannt.

Als kleines, nur sieben Millionen Einwohner zählendes Land hat Österreich natürlich keine Aussicht, sich gegen eine Ubermacht gewaltigen Ausmaßes, wie sie sich in den großen Militärbündnissen dokumentiert, zu behaupten. Das beiderseitige Interesse der großen Machtblöcke an der Neutralität Österreichs aber wird so lange als eine gewisse Sicherheit angesehen werden können, als Österreich es versteht, seinen Staatsraum nicht mit dem Odium des militärischen Vakuums zu belasten. Solange ein solches militärisches Vakuum in Österreich nicht besteht, kann erwartet werden, daß Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit des Staatsgebietes erhalten bleiben.

Ein politisches Risiko

Die österreichische Strategie wird sich daher darauf ausrichten müssen, jedermann vor Augen zu führen, daß es für ihn ein politisches Risiko wäre, Österreich anzugreifen, weil in einem solchen Falle ein Abwehrkampf einsetzen würde, der international nicht zu übersehen ist. Um diese Strategie einhalten zu können, bedarf es einer wachsamen Einsatzarmee, die über ein solches Minimum an Stärke verfügen muß, daß sie wechselweise auftretende Bedrohungen durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen abschirmen kann. Um einem latenten Konflikt größeren Ausmaßes in der Nachbarschaft, der die Gefahr von Ubergriffen auf das österreichische Staatsgebiet einschließt, auf lange Sicht begegnen zu können, oder um bei Einsetzen einer Aggression nachhaltigen Widerstand entwickeln zu können, ist es notwendig, über Reserven zu verfügen, die im Wege der Mobilmachung aufgebracht werden müssen, weil es auf der Hand liegt, daß Österreich nicht in der Lage wäre, ständig ein großes Heer unter den Fahnen zu halten. Bei allen diesen Überlegungen muß auch von der realistischen Betrachtung ausgegangen werden, daß im Falle eines Neutralitätsbruches durch einen Anrainer nur dann Hilfe für Österreich zu erwarten ist, wenn es selbsttätig unter Beweis stellt, daß es sich als Staat behaupten will. Die Summe der Vorstellungen über

eine österreichische Verteidigungsstrategie ergibt erst das konsequente Handeln im Aufgabenbereich der österreichischen Landesverteidigung. Das Herausbrechen der einen oder anderen Maxime brächte das gesamte Gebäude der Existenzsicherung unseres Staates zum Einsturz. Natürlich gäbe es auch Alternativen wie etwa die eines dem demokratischen Staatswesen ungemäßen Be-

rufsheeres oder die Beschaffung einer Abschreckungsmacht, die aber auf Grund der Verpflichtungen, die Österreich im Staatsvertrag eingegangen ist und die es durch den Beitritt zum Atomsperrvertrag auf sich genommen hat, ausscheiden. Eine Milizarmee wäre keine Alternative, weil Österreich seine militärischen Mittel in diesem Falle erst dann zur Sicherung seines Landes einsetzen könnte, wenn das, was verhindert werden soll, schon geschehen ist — ein Spezifikum der österreichischen Lage, das sich sowohl aus seiner geographischen als auch seiner neutralen Situation ergibt.

Volksbegehren gegen die Freiheit

Wenn man die strategischen Grundlagen der österreichischen Verteidigung betrachtet, so wird man auch erkennen müssen, daß das nunmehr eingeleitete Volksbegehren zwangsläufig der Existenz des österreichischen Staates den Boden entziehen würde. Jeder, der die letzten 25 Jahre des Weltgeschehens nüchtern betrachtet, wird erkennen müssen, daß die Besetzung oder Aufteilung eines militärischen Vakuums, das in einem geographisch interessanten Gebiet entsteht — und das ist Österreich zweifellos — geradezu zwangsläufig erfolgt. Die Vorstellung, daß die Besetzung eines entmilitarisierten Gebietes die Welt aufregen könnte, gehört in die Kategorie des Wunschdenkens.

Das österreichische Bundesheer wurde, in Erkenntnis all dieser Umstände, in konsequenter Weise aufgebaut und weiter entwickelt. Eine solche Entwicklung muß natürlich stets jene Flexibilität zeigen, welche neue taktische und technische Erkenntnisse erfordern. Auch auf dem militärischen Gebiet ist alles in Be-

wegung, doch ist gleichzeitig zu beachten, daß das Armeeinstrument ein Organismus ist, an dem man ungestraft nicht wahllos Operationen vornehmen kann.

Der Auftrag

In den letzten Jahren hat man daher im Rahmen des vorliegenden Landesverteidigungskonzepts und basierend auf dem Auftrag der Bundes-

regierung für die umfassende Landesverteidigung in flexiblen Programmen jene Fortentwicklung des Heeresaufbaues betrieben, die uns die finanziellen und personellen Gesetzesgrundlagen gestatten. Hiezu ist es notwendig, zunächst den Regierungsauftrag aus dem Jahre 1965 in Erinnerung zu rufen. Dieser spricht

• vom Fall einer internationalen Spannung und Konfliktsgefahr,

• vom Fall eines Krieges in der Nachbarschaft und

• vom Fall eines militärischen Angriffes auf Österreich.

Er gibt der militärischen Landesverteidigung den dezidierten Auftrag,

• Einsatzverbände vorsorglich konzentrieren zu können oder sie sofort ohne Mobilmachung zur Verfügung zu halten,

• gegebenenfalls Grenzschutz und territoriale Sicherungskräfte aufzubieten (teilweise Mobilmachung) und

• die volle Verteidigungsbereitschaft durch Mobilisierung aller Kräfte des Bundesheeres zu erreichen.

Auf der Basis dieses Auftrages wurde nicht nur eine 10-Jahres-Pla-nung für den Heeresaufbau erstellt, sondern auch in 3jährigen Programmen, die je nach der jeweiligen Finanzlage jedes Jahr überarbeitet werden, der Weg zur Erreichung der gesteckten Ziele gesucht.

Beweglichkeit ist alles

Da das österreichische Bundesheer eine wendige Einsatztruppe, die sowohl der Geographie, als auch der Topographie des Landes angepaßt sein muß, besitzen soll, ist ein wesentlicher Schwerpunkt die Beweglichkeit seiner Verbände.

Die Kombination von Hügel- und Gebirgsland findet in der Gliederung in gepanzerte und Jägerbrigaden ihren Ausdruck. In einem verkehrsmäßig stark aufgeschlossenen Lande muß damit gerechnet werden, daß schnelle Kräfte eines Aggressors in kurzer Zeit rasch Raum gewinnen können, so daß man nur mit der eigenen hohen Beweglichkeit antworten kann.

Sowohl auf dem Gebiet der Heeresmechanisierung als auch der Heeresmotorisierung sind entsprechende Anstrengungen unternommen worden, die mit der Zuteilung der sogenannten „Wehrmilliarde“ einen merkbaren Impuls erfahren haben. Während der Beweglichkeit der gepanzerten Verbände durch die Ausrüstung ihrer Infanterie — nämlich der Panzergrenadiere — mit Schützenpanzern österreichischer Erzeu-

gung und durch eine moderne Artillerieausstattung für diese Panzergrenadierverbände in Form der Panzerhaubitze 109 (jüngst in Österreich eingetroffen), Rechnung getragen wurde, wird die Steigerung der Beweglichkeit der Jägerbrigaden einerseits durch deren Vollmotorisierung mit geländegängigen Kraftfahrzeugen erreicht (Einführung der Steyr-Lkw mit Dieselmotor, anstelle der überalterten US-Kfz mit Benzinmotor), anderseits durch die Ausstat-

tung und korrespondierende Ausbildung für den Hochgebirgsdienst vorbereitet.

Hiezu tritt die gerade für eine im Gebirge operierende Truppe notwendige Ausstattung mit Hubschraubern.

Schwerpunkte

Unabhängigkeit von den großen Kommunikationslinien, die ja im Ernstfall die Leitlinien feindlicher Flieger sind, muß angestrebt werden. Daher wird auch ständig die Steigerung der Beweglichkeit der Truppe auf dem Gefechtsfeld betrieben. Eine auf Verteidigung eingerichtete Armee muß sich in erster Linie der Drohung von Panzer- und Luftangriffen widersetzen können. Daher bilden Panzerabwehr und Fliegerabwehr einen weiteren besonderen Schwerpunkt in der Ausrüstung des österreichischen Bundesheeres. Auf dem Gebiet der Panzerabwehr hat man, beginnend mit der Panzerfaust über ein Panzerabwehrrohr, das auch als tragbares Infanteriegeschütz eingesetzt werden kann, und rückstoßfreie Panzerabwehrge-

schütze, nunmehr die Entwicklung eines Panzerjägers auf der Basis des Schützenpanzerfahrgestells in Angriff genommen. Damit sollen nicht nur die Panzergrenadiere verstärkt werden, sondern auch die Jägerbrigaden eine zusätzliche, rasch bewegliche Panzerabwehr erhalten. In der Fliegerabwehr wurden leichte Fliegerabwehrgeschütze bei Artillerie und Infanterie, und zwar sowohl bei Panzergrenadieren als auch bei der Infanterie, in die Verbände integriert und ebenso den Fliegerhorstabteilungen, wenn auch vorläufig nur im geringen Maß, zu ihrem eigenen Schutz solche Fliegerabwehrkräfte zugeordnet. Der Schwerpunktbildung dient die mittelkalibrige Fliegerabwehr, die nunmehr neuerlich verstärkt wird, so daß bei Lieferung der bestellten Waffen das Bundesheer im Mobilisierungsfall über fünf komplett ausgerüstete Fliegerabwehrabteilungen verfügen wird. Gerade diese Ausstattungen gehören zu den modernsten, die es überhaupt gibt. Für die Verteidigung von großer Bedeutung ist die Ausrüstung des Bundesheeres mit Pioniermitteln aller Art, die vornehmlich der Errichtung von Sperren dienen, aber auch die Beweglichkeit beim Uberschreiten von Flußläufen steigern. Fast keine Armee kann auf ein gut funktionierendes Verbindungs- und Übermittlungssystem verzichten. Ihre Führung benötigt rasche und eindeutig funktionierende Informationen und muß stets in der Lage sein, Befehle rechtzeitig an die Truppe leiten zu können. Deshalb bildet auch die Ausrüstung der Fernmeldetruppe ein bedeutsames, stets zu erneuerndes Programm. Während vor mehreren Jahren die gesamte Fernmeldeausstattung von der Bataillonsebene aufwärts durchgeführt wurde, ist man nun darangegangen, die älteren Funkgeräte, die einer weiterreichenden Verbindung nicht mehr entsprechen, durch die Neuausstattung von der Bataillonsebene ab-

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