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Die von den Vereinigten Staaten ins Treffen geführten Argumente für eine Irak-Intervention halten einer genaueren Analyse nicht stand.

Die unterschiedlichen Strategien und die Spekulationen über den Ausbruch des US-Krieges gegen den Irak werden von der Regierung Bush so wohl überlegt an die Öffentlichkeit gespielt, als hätte man 1991 mit dem "Wüstensturm" das internationale Völkerrecht abgeschafft und dem Faustrecht zum Durchbruch verholfen. Der Krieg gegen Jugosla wien 1999 und jetzt gegen Afghanistan bestärkten die sehr deutlichen Konturen einer Neuen Weltordnung, die sich seit 1989 abzeichnet.

* Konfliktursache Öl: "Der Golfkrieg", so der Ex-US-Justizminister Ramsey Clark "wurde nicht geführt, um Kuwaits Souveränität wiederherzustellen, sondern um die amerikanische Hegemonie über den Golf und den Zugang zu den Ölvorkommen zu sichern." Heute geben die USA nach Berechnungen des Energieministeriums für die militärische Sicherung der Ölquellen im Nahen Osten 100 Dollar pro in die USA gelieferten Barrel Öl aus.

* Konfliktursache Terror: Es gibt keine veröffentlichten Beweise der US-Regierung, dass der Irak die El-Kaida oder muslimische Terrorgruppen unterstützt, ihnen Waffen anbietet oder direkt in Terroraktionen verwickelt ist. Hans von Sponeck, ehemaliger Koordinator des humanitären UN-Hilfsprogrammes für den Irak, erklärt: "Der Öffentlichkeit wird im Zusammenhang mit dem Irak systematisch und organisiert die Unwahrheit gesagt. (...) Briten und Amerikaner ignorieren immer wieder die Berichte der Vereinten Nationen und verbreiten Anschuldigungen, die nicht den Tatsachen entsprechen."

Ex-US-Justizminister Clark beschreibt in seinem Buch "Wüstensturm. US-Kriegsverbrechen am Golf" den "häufigen strategischen Wechsel in der US-Politik". Der US-Politologe Noam Chomsky führt aus, dass Reagan und Bush senior mit Saddam Hussein "ungewöhnlich herzliche Beziehungen gepflegt hatten", selbst als dieser 1988 Giftgas gegen die Kurden einsetzte. Mit US-Technologie, Nachschublieferungen und Geheimdienstinformationen wurde auch der Einsatz von Zyanid ermöglicht. "Saddam", so Chomsky, "ist nicht wegen seiner umfangreichen Verbrechen zur Bestie von Bagdad' avanciert, sondern weil er (...) die ihm gesetzten Grenzen überschritt."

* Konfliktursache Atombombe: "Nach eigenem Erkennen ist der Irak keine Militärmacht mehr. (...) Der Irak ist militärisch gesehen wieder ein Dritteweltland geworden", erklärt Hans von Sponeck. "Man muss kein Spezialist für Massenvernichtungswaffen sein, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass diese Produktionsstätten harmlos gemacht wurden und seither in diesem Zustand geblieben sind." Der ehemalige UN-Waffeninspektor im Irak, Scott Ritter, bestätigt auch, dass ein Angriff auf den Irak völlig ungerechtfertigt ist. Ein offizieller Bericht der UN-Spezialkommission zur irakischen Abrüstung wurde auf Drängen des US-Außenministeriums im Wortlaut nachträglich verändert. Das Misstrauen des Irak gegenüber den UNO-Inspektoren begründet sich auch damit, dass diese ihre Tätigkeit zur Spionage für die USA missbrauchten.

Die USA verfügen über Nuklearwaffen. Sie nehmen sich das Recht des Erstschlages heraus, bauen entgegen bewährten Rüstungskontrollmechanismen ein Raketen abwehrprogramm auf, machen durch Mini-Atomwaffen einen Nuklearkrieg "regional" führbar und haben jüngst Präventivschläge (auch mit Atomwaffen) als Teil ihres Handlungsspektrums erklärt. Der Irak steht hingegen im Verdacht, Massenvernichtungswaffen zu besitzen oder sich diese beschaffen zu wollen.

Kritik am drohenden Krieg gegen den Irak ist nicht mit einer Unterstützung für das Regime in Bagdad gleichzusetzen, welches für Krieg, Morde und Vertreibungen verantwortlich ist. Sowohl die USA als auch der Irak haben berechtigte Punkte auf der langen Liste der Anschuldigungen. Die US-Rüstungsindustrie erlebt seit dem 11. September enorme Wachstumsimpulse. Das Militärbudget betrug 2001 rund 310 Milliarden Dollar. 2002 sollen 343 und im Folgejahr 396 Milliarden zur Verfügung stehen. Die mittelfristige Planung geht für 2007 von 469 Milliarden aus. Die Rüstungsindustrie erhielt den Auftrag, die Lager der präzisionsgesteuerten Bomben zu füllen. Die US-Militärstrategen - ein Krieg in den irakischen Großstädten ist zu befürchten - werden wieder viele "Kollateralschäden" verzeichnen und zu vertuschen versuchen.

Die tatsächlichen Konfliktursachen dürfen in der Analyse künftiger Kriege nicht aus den Augen verloren werden. Die künftigen Konflikte werden immer häufiger um Rohstoffe und geopolitische Interessen ausgefochten. Zur Legitimation dieser Kriege werden Friede und Menschenrechte missbraucht.

Die Arabische Liga sowie China und Russland haben dem Sohnemann des einstigen Wüstenstürmers Bush eine Abfuhr für seine Pläne übermittelt. Die Staaten aus der Region haben auf eine Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehung gesetzt. "Eine ganze Region", so Sponeck, "wird als Folge des amerikanischen Wunsches nach einem politischen Wechsel in Irak destabilisiert." Selbst Kuwait will heute vom US-Krieg nichts wissen.

Die kritischen Stimmen aus London und Paris wünschen im Gegensatz zu Premier Tony Blair und Präsident Jacques Chirac keine Kriegsbeteiligung. Deutschland hat eine ablehnende Haltung formuliert. Beim informellen NATO-Verteidigungsministertreffen am 24. und 25. September werden die Verbündeten über den Irak zu befinden haben. NATO-Generalsekretär Robertson erklärte, dass der Bündnisfall angesichts des 11. September auch für einen US-Krieg gegen den Irak gelte. Dies ist als Versuch zu werten, den Militärpakt angesichts der US-Alleingänge nicht völlig der Bedeutungslosigkeit preiszugeben.

Auch wenn die USA erneut Krieg beginnen, bleiben viele Fragen offen. Die Auswirkungen in der Region sind nicht vorauszusagen. Werden Saudi-Arabien, der Iran oder die Kurden der Installierung einer irakischen "Demokratie" nach US-Vorstellungen Beifall zollen? Unbestritten erscheint die Rolle der USA: Der Hegemon einer neuen Weltunordnung.

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Friedensforschungszentrum Schlaining

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