Ungleiche Partnerschaft

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"Strategische Partner" wollen sie sein, die Staaten der Europäischen Union und Lateinamerikas, die sich vom 11. bis 13. Mai in Wien zu einem Präsidentengipfel treffen. Parallel dazu veranstalten globalisierungskritische Bewegungen beider Kontinente einen Alternativengipfel.

Ist Europa in seinem Verhältnis zu Lateinamerika und der Karibik besser, großzügiger, partnerschaftlicher als die usa? Befragt man die Menschen auf den Straßen von Mexiko Stadt oder Rio de Janeiro oder Buenos Aires, so werden die meisten wohl mit Ja antworten. Die usa stehen für Macht-und Knüppelpolitik, die Europäer für kultivierte Partnerschaft. Doch dieser Schein trügt, wenn es um die Wirtschaftspolitik geht. Ein südamerikanischer Soziologe bringt es auf den Punkt: "Die usa diktieren ihre Bedingungen und lassen dich spüren, dass sie die Herren sind. Die Europäer laden dich zum Tee ein und geben dir den Eindruck, dass sie dich als Partner ernst nehmen. Aber wenn es ums Geschäft geht, sind sie genau so hart."

Es sollte lange dauern, bis die Europäische Gemeinschaft bzw. die spätere Europäische Union eine engere Zusammenarbeit mit Lateinamerika in ihre Politik aufnahm. Vorreiter war die Entwicklungspolitik. Beim ersten Gipfeltreffen zwischen der eu und Lateinamerika Ende Juni 1999 kamen 48 Staats-und Regierungschefs von beiden Seiten des Atlantiks zusammen. Dabei wurde eine "strategische Partnerschaft für das 21. Jahrhundert" beschlossen, die auf den drei Säulen Wirtschaftskooperation, Dialog und Entwicklungszusammenarbeit ruhen sollte. 2002 folgte in Madrid ein zweiter Gipfel und im April 2004 in Guadalajara in Mexiko der dritte. Die Konferenz in Wien wird bereits an die 60 Staats-und Regierungschefs aus beiden Regionen vereinen, das höchstkarätige Gipfeltreffen seit den Tagen des Wiener Kongresses 1815.

Hauptpartner USA

Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Regionen ist - von der früheren Kolonialmacht Spanien abgesehen - eher schwach ausgeprägt; erst in den letzten Jahren stiegen die Importe aus Lateinamerika/Karibik an (2004: 62,1 Mrd. Euro) und überflügelten leicht die Exporte. Die Außenhandelsbeziehungen Lateinamerikas sind weiterhin nach Norden gerichtet; die usa sind bei weitem der größte Investor und Handelspartner.

Eine Ausnahme bilden die Staaten des Mercosur, des "Gemeinsamen Markts des Südens" (Mercado Común del Sur; s. Kasten). Brasilien und Argentinien sowie auch das assoziierte Mitglied Venezuela treten für eine Stärkung des Mercosur - als Wirtschaftsblock, aber auch im Kontext der lateinamerikanischen Integrationsbemühungen - ein. Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen eu und Mercosur laufen bereits seit April 2000. Beim Wiener Gipfel sollten sie eigentlich abgeschlossen werden, doch ist das Vertragswerk bei weitem noch nicht unterschriftsreif. "Wir müssen uns insbesondere die Frage stellen, wie wir politisch, wirtschaftlich und sozial vorankommen werden", meint Hans Winkler, der im Außenamt für die Vorbereitung des Gipfels zuständige Staatssekretär.

Die Grün-Abgeordnete Ulrike Lunacek fordert eine Abkehr von der "Freihandelsdoktrin" und eine Verankerung von sozialen, ökologischen und Menschenrechts-Standards einschließlich konkreter Maßnahmen im Schlussdokument des Gipfels. "Viele Menschen in Lateinamerika hoffen auf eine sozial und ökologisch sowie menschenrechtlich starke eu", so die außenpolitische Sprecherin der Grünen.

Mit Spannung darf erwartet werden, wie sich die Vertreter der lateinamerikanischen Linksregierungen am Gipfel verhalten und ob sie genügend Raum erhalten werden, um neue Initiativen einzubringen. So will Boliviens Präsident Evo Morales, der auch seinen Wasserminister mitnimmt, einen Antrag einbringen, das Wasser als Menschenrecht zu deklarieren und aus den wto-Verhandlungen herauszunehmen.

Pflicht und Kür

Lebendiger und inhaltlich interessanter als auf der offiziellen Pflichtübung wird es auf dem "Alternativengipfel" vom 10. bis 13. Mai zugehen, den zivilgesellschaftliche Bewegungen aus den beiden Kontinenten schon seit über einem Jahr vorbereiten. Dieser Gipfel der Basis trägt auch den Namen "Enlazando alternativas 2" (Alternativen verknüpfen 2, ea2; beim letzten Gipfel 2004 in Mexiko fand ea1 statt).

Ungeachtet aller schönen Worte, so die Initiatoren des Alternativengipfels, werde bei der offiziellen Konferenz keine "Partnerschaft" gestärkt, sondern die Abhängigkeit des südlichen Teils des amerikanischen Kontinents fortgeschrieben. Sie kritisieren die Ungerechtigkeiten in den Wirtschafts-und Handelsbeziehungen zwischen den beiden Kontinenten und wollen Möglichkeiten für Alternativen aufzeigen.

Dabei erhält dieser "andere" Gipfel auch offizielle Unterstützung: Die Präsidenten von Venezuela und Bolivien, Hugo Chávez und Evo Morales, werden am 13. Mai dort auftreten, vielleicht auch noch einige andere Staatschefs. Unklar ist noch, ob Kubas Revolutionsführer Fidel Castro auch nach Wien kommen wird; beim letzten Gipfel in Mexiko hatte er kurz zuvor abgesagt.

Eliten - Zivilgesellschaft

Zum Alternativengipfel werden an die 200 Gäste aus Lateinamerika und Europa anreisen - Fachleute, Aktivisten aus sozialen Bewegungen, Persönlichkeiten des kulturellen Lebens, Bischöfe, Indígena-Führer: João Pedro Stedile von der brasilianischen Landlosenbewegung, Blanca Chancoso von der ecuadorianischen Indigenenkonföderation, Susan George von Attac, Friedensforscher Johan Galtung u. v. a. Die Themenfelder sind Wirtschaft und Gesellschaft in Zeiten der neoliberalen Globalisierung, politischer Dialog zwischen Europa und Lateinamerika, Entwicklungszusammenarbeit, alternative Strategien für regionale Entwicklung, Militarisierung und Menschenrechte.

Per Internet wurden Organisationen in Europa und Lateinamerika eingeladen, im Rahmen von ea2 in Wien in Eigenregie Seminare zu organisieren. Es wurden über 150 Vorschläge eingesandt, die dann zu knapp 40 Themen-oder Länderseminaren zusammengelegt wurden.

Während am Alternativengipfel ein internationales Tribunal die Arbeits-und Menschenrechtsverletzungen europäischer Konzerne in Lateinamerika an den Pranger stellt, treffen auf dem von Regierung und Wirtschaftskammer im Schloss Belvedere ausgerichteten "Business Summit" 250 Wirtschaftsvertreter aus den beiden Regionen zusammen.

www.eulac2006.at (offizieller Gipfel)

www.alternativas.at (Alternativengipfel)

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