Unkonventioneller Unterhaus-Sprecher

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Mittlerweile ist er jedem einigermaßen politisch Interessierten bekannt. Seine Auftritte als Speaker des britischen Unterhauses haben sich den Fernsehzuschauern rund um den Globus eingeprägt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass John Simon Bercow diese seine Rolle durchaus genießt, wenn er mit theatralischer Stimme wieder einmal das Ergebnis einer Abstimmung in der Causa Brexit verkündet: "The ayes to the right , the noes to the left ". Der Spruch bezieht sich auf das überkommene Ritual der Abstimmung via Verlassen des Sitzungssaales der Befürworter (Ja-Stimmen, ayes) durch den Ausgang rechts vom Speaker und der Gegner (Nein-Stimmen, noes) durch jenen auf der linken Seite. Der kleingewachsene Mann mit dem strubbeligen grauen Haar und den bunten Krawatten, Jahrgang 1963, ist seit 1997 Mitglied des Unterhauses und seit 2009 dessen Sprecher (Speaker), am ehesten vergleichbar dem Amt des Nationalratspräsidenten. Er gehört derselben Partei an wie Premierministerin Theresa May, also den Konservativen (Tories) - und wie May selbst ursprünglich ist er ein Gegner des Brexit. Bercows jüdischer Großvater Jack Bercowitch war mit 16 Jahren aus Rumänien nach London ausgewandert, sein Vater war Gebrauchtwagenhändler und später Taxifahrer. Margaret Thatcher hatte Bercow seinerzeit zur Conservative Party gebracht. Indessen hat er sich im Laufe seines politischen Lebens sukzessive nach links bewegt, etwa in gesellschaftspolitischen Fragen. Nicht unwesentlich dürfte damit zusammenhängen, dass er mit einer Labour-Aktivistin verheiratet ist (mit der er drei Kinder hat), die zwar ursprünglich auch von den Konservativen kam, sich dann aber zu Tony Blairs "New Labour" hingezogen fühlte. Sein Amt als Speaker verdankt er übrigens auch in hohem Maße Labour-Abgeordneten, allerdings wurde er vom damaligen Oppositionsführer David Cameron unterstützt. Bercow ist der erste Unterhaus-Sprecher, der auf das mit dem Amt verbundene Outfit mit Perücke und Kniebundhose verzichtet. Zum Understatement neigt er - siehe oben - dennoch nicht, seine markante Stimme macht jede Perücke wett. Der Mann an der Spitze des House of Commons polarisiert jedenfalls: "Entweder man liebt ihn oder man hasst ihn", schrieb einmal der Telegraph.

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