Demo - © Foto: Getty Images / Rodin Eckenroth

USA: Lauter Präsident, stille Mehrheit

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Donald Trump versucht angesichts stark fallender Umfragewerte, seine Wiederwahl mit den Taktiken von Richard Nixon 1969 zu retten. Ob es ihm gelingt, wird davon abhängen, ob ihm die Demonstranten gegen Polizeigewalt den Gefallen tun, weiter Gewalt anzuwenden.

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Donald Trump versucht angesichts stark fallender Umfragewerte, seine Wiederwahl mit den Taktiken von Richard Nixon 1969 zu retten. Ob es ihm gelingt, wird davon abhängen, ob ihm die Demonstranten gegen Polizeigewalt den Gefallen tun, weiter Gewalt anzuwenden.

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Der Montag war ein beinah normaler Tag in den USA. Während sich in der Früh erneut hunderttausende Bürger aufmachten, um gegen die strukturelle Benachteiligung der schwarzen Minderheit in den USA zu demonstrieren, spiegelte das politische Leben die tiefe Kluft wider, die das Land derzeit trennt. Demonstrativ ließ sich Donald Trump da von Polizeikräften im Weißen Haus besuchen. Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden hingegen stattete der Familie des durch Polizeigewalt getöteten Floyd einen Kondolenzbesuch ab, während seine Partei ein weitreichendes Gesetz gegen Polizeigewalt präsentierte.

Das ist kein unerwartetes Szenario. Die USA befinden sich im Wahlkampf, und jedes Thema wird automatisch zur Bühne für den Kampf ums Weiße Haus. Nur ist in diesen Tagen eines auffällig: Trump scheint historische Anleihen nehmen zu wollen. Und das ist keineswegs beruhigend. Am 2. Juni um 17:18 Uhr postete der Präsident auf Twitter zwei Worte in Versalien: „SILENT MAJORITY“. Ende des Tweets. Das war als Reminiszenz gemeint an Trumps großes Vorbild, was den Umgang mit Protesten betrifft: Richard Nixon. Trump hatte schon bei seiner Wahl 2016 an die „stille Mehrheit“ appelliert und gewonnen. Aber das waren andere, friedliche Zeiten.

Heute nähert sich Trump seinem Vorbild Nixon auch den Umständen nach an. Nixon hatte im November 1969 an die „stille große Mehrheit“ der US-Bürger appelliert, nicht den Protesten nachzugeben, die in jenen Tagen hunderttausende gegen Vietnamkrieg und für die Gleichberechtigung der schwarzen Minderheit auf die Straßen brachten. „Die USA können den Krieg im Ausland nicht verlieren“, so Nixon damals. Man könne ihn aber zu Hause in den USA verlieren. Das war eine klare Botschaft gegen den „Feind im eigenen Land“ – und sie verfehlte ihre Wirkung nicht. Nixons Beliebtheit sprang nach der Rede auf über 65 Prozent, und das trotz Niederlagen und Verlusten in Vietnam und einer dauerhaften Wirtschaftsflaute seit 1967.

Nicht nur diese Omnipräsenz von schlechten Nachrichten und schlechter Performance hat Donald Trump mit Nixon gemeinsam. Auch einen äußeren Feind – China – und nun einen inneren Feind – die Protestbewegung. Wie Nixon versucht Trump, sich mit jenen zu verbünden, die den Protesten im eigenen Land ablehnend bis abwartend gegenüberstehen. Nixon hatte schon 1968 mit Slogans gegen die Protestbewegung die Präsidentschaft gewonnen. Er forderte einen Krieg gegen Drogen, den er nach seinem Wahlsieg auch konsequent gegen alle Führer der Protestbewegungen einsetzte. Weiße Flowerpower-Aktivisten malte er als Marihuana-Abhängige, die Führer der Bürgerrechtsbewegung nach Martin Luther King als Heroindealer. Unter diesem Vorwand wurden die Proponenten der Szene arrestiert und die Aufmärsche verboten. Das wirkte: Die Protestbewegung brach Anfang der 70er Jahre zusammen. Während dieser ganzen Zeit hatte Nixon seinen Willen zum Frieden auf dem Schlachtfeld betont. Wie sich später herausstellte, war das Wählerbetrug. Denn nicht die Demonstranten hatten den Frieden hintertrieben, sondern der Präsident selbst, indem er die Friedensverhandlungen zwischen Nord- und Südvietnam aus wahltaktischen Gründen scheitern ließ.

So wie Nixon damals versucht nun auch Trump, Manifestanten zu kriminalisieren als „Antifa-Terroristen“ und Plünderer. Er tut es freilich nicht, indem er eine ausgeklügelte Strategie umsetzt. Er twittert vielmehr wild vor sich hin – täglich an die 200 Tweets, Drohungen gegen die Demon- stranten und Schmähungen seiner Gegner zumeist. Einzig das Wort „Frieden“, das Nixon inflationär bemühte, verwendet er nicht. Und das macht vielleicht den Unterschied im Erfolg. Den kann Trump nämlich nicht vorweisen.

Die direkte Gewalt

Er hat keine subtile Taktik. Er sucht direkt, so meinte der Korrespondent in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, „eine militärische Lösung“. Und er hat sich dabei offensichtlich die Unterstützung republikanischer Hardliner gesichert, die sich in noch radikalerer Sprache versuchen als der Präsident. Matt Gaez, ein Kongressabgeordneter aus Florida, schlug vor, die „Terroristen der Antifa genauso zu verfolgen wie jene im Nahen Osten“ (also liquidieren). Tom Cotton, ein Senator aus Arkansas, forderte in einem Gastkommentar in der New York Times den Einsatz der regulären Streitkräfte gegen die Demon stranten. Cotton auf Twitter: „Lasst uns doch einmal sehen, wie hart die Terroristen sind, wenn sie die Luftlandetruppen oder die Kavallerie bekämpfen müssen.“

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