Versuch, in der Wahrheit zu leben

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Der Fall Zilk ist auch ein Fall Havel. Das wurde im Zuge der Enthüllungen rund um die behauptete Agententätigkeit des früheren Wiener Bürgermeisters immer deutlicher. Die Affäre fügt dem über die Jahre schillernder gewordenen Bild des tschechischen Staatspräsidenten eine weitere Facette hinzu.

Der Fall Havel aber ist deswegen so spannend, weil sich in ihm paradigmatisch das Spannungsverhältnis zwischen Macht und Intellekt manifestiert. Die Geschichte des Vaclav H. läßt sich auch lesen als die von einem, der auszog, kraft seiner moralischen Integrität und seiner schnörkellosen Intellektualität den Widerspruch zwischen Politik und Geist zu versöhnen. "Havel na hrad!" - "Havel auf die Burg!", den Prager Hradschin, den Amtssitz des tschech(oslowak)ischen Staatspräsidenten) -, dieser Ruf war so etwas wie die tschechische Version von "Wir sind das Volk!".

Was folgte, war die vorerst kaum merkbare, aber unweigerlich fortschreitende Entzauberung der Person Havel: der Dauerkonflikt mit Premier Vaclav Klaus, die (nach Meinung mancher zu) schnelle Wiederverehelichung nach dem Tod seiner Frau Olga, zwischenzeitlich auch Zugeständnisse an die Mehrheitsmeinung beim Thema Vertreibung der Deutschen - all das und manch anderes ließ die Aura des Dichterpräsidenten nicht unbeschadet.

Daran ist Havel gewiß nicht alleine schuld, aber eben auch. Noch immer freilich wiegt weit mehr, daß sich Havel offenkundig seine Sensibilität für die Versuchung und die Ambivalenz von Macht bewahrt hat. Manches von dem, was ihm als Dilettantismus ausgelegt wird, hat wohl mit der immanenten Skepsis des Intellektuellen zu tun, der selbst ein Teil von Machtstrukturen geworden ist.

Daß der "Versuch, in der Wahrheit zu leben" für den Politiker mühsamer ist als für den Dissidenten, weiß Havel selbst am besten. Erneut melden sich jene zu Wort, die den Versuch für gescheitert erklären: die Zyniker der Macht.

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