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Das Weltwasserforum in Mexiko-Stadt endete für Wasseraktivisten ernüchternd: ethische Fragen wurden diskutiert, aber wirtschaftliche Interessen bedient.

Ein kleiner Mann in violettem Hemd und weißer Leinenhose kniet vor einem Baum, in einem Park im Zentrum von Mexiko-Stadt. Zwischen brennenden Kerzen, die er in seltsam anmutender Symmetrie in die Erde gesteckt hat, verteilt er Salatblätter und Tortillas aus Mais. Dann besprengt der Mazahua-Indio alles mit Wasser und murmelt ein Gebet. "Wasser, wir danken dir, Wasser, wir respektieren dich, Wasser, wir lieben dich." Über ihm lächelt die Jungfrau von Guadalupe, die Schutzfrau der Indios und Lateinamerikas aus ihrem provisorischen Bilderrahmen.

"Die Vorfahren unserer indigenen Völker" so erklärt der mexikanische Bischof, Raul Vera Lopez, "bringen uns diese enge Verbindung zwischen Mensch und Erde wieder nahe. Pachamama, so nennen die Indigenen die Mutter Erde. Sie gibt uns alles, was wir zum Leben brauchen, eben auch Wasser." Der Kirchenmann der nordmexikanischen Industriestadt Saltillo wohnte zusammen mit weiteren Vertretern der großen Religionen sowie etwa Hundert Neugierigen der Zeremonie bei. Geladen hatten die Organisatoren des Alternativen Wasserforums. Sie wollten - im Gegensatz zum zeitgleich stattfindenden wirtschaftlich ausgerichteten vierten Weltwasserforum - nicht die wirtschaftlich-technischen Fragen der zunehmenden Wasserknappheit behandeln, sondern die sozial-ethischen Aspekte.

Vermarktung des Wassers

Nur einen Steinwurf von diesem interreligiösen Event entfernt, diskutierten kürzlich die Repräsentanten von Regierungen, Internationalen Organisationen, Forschungseinrichtungen und der Wasserindustrie über Strategien, mit denen die Wasserversorgung der ständig wachsenden Menschheit gesichert werden kann. Da präsentierten Wasserstrategen aus Südafrika, wie ein erfolgreiches Wassermanagement aussehen kann. Unternehmer warben für wassersparende Toilettenspülungen oder eine kompakte Wasserwiederaufbereitungsanlage für den Privathaushalt. Forscher warnten mit Verweis auf die Tsunami-Katastrophe im vergangenen Jahr vor den Folgen der klimatischen Veränderungen.

Das Expertenforum, das erstmals 1997 als kleines, fast privat anmutendes Treffen des Weltwasserrates begann, hat sich zu einer Megaveranstaltung gemausert. Der in Marseille beheimatete Weltwasserrat organisiert alle drei Jahre ein internationales Forum zum Thema Wasser. Über 200 Referenten hatten sich für die geplanten 35 Sitzungen ein breites Themenspektrum vorgenommen.

Doch immer mit dem Endziel vor Augen, das Wassermanagement ganz in die Hände der Privaten zu übergeben. Meist mit dem Argument, die Privaten wirtschaften effizienter, kostengünstiger. "Im Grunde dreht es sich bei denen um's Geschäft, um den großen Gewinn, um die Privatisierung des Wassers", klagten die Vertreter der Nichtregierungsorganisationen.

"Wie eine Suppe ohne Salz"

Das Weltwasserforum konnte sich nicht darauf einigen, den freien Zugang zum Wasser als ein Grundrecht des Menschen zu bezeichnen. In einer Abschlusserklärung appellierten die Minister aus 120 Staaten lediglich dafür, die Bedeutung des Wassers für eine umweltfreundliche Entwicklung der Welt anzuerkennen.

Mehrere hundert Mitglieder von ngos demonstrierten noch am selben Abend in Mexiko-Stadt gegen diese Erklärung - Bolivien, Kuba und Venezuela lehnten die Erklärung ebenso ab. "Sie ist eine Suppe ohne Salz, die keine Lösungen für die Probleme unserer Völker anbietet", sagte der venezolanische Vize-Umweltminister Ernesto Paiva. "Wir wollen jedoch, dass Wasser als unabdingbares Menschenrecht und nicht als handelbares Gut mit einem Preis anerkannt wird", bringt Annette von Schönfeld von "Brot für die Welt" das Anliegen der Alternativen auf den Punkt.

"Wir müssen von dieser Mentalität des Gewinnstrebens abkommen, dem Merkantilismus, der in so vielen Bereichen heute vorherrscht", ereiferte sich Mexikos Sozialbischof Raul Vera. "Wir alle, Regierungen, die Gesellschaft, die Kirche und alle Religionen, müssen respektieren, dass das Wasser für alle reichen muss. Und dafür müssen Geldmittel bereitgestellt werden und nicht für Medienkampagnen, die mit ihrer ideologischen Manipulation den Erhalt totalitärer Regime zu rechtfertigen versuchen." Der Bischof, der lange im Indigenenstaat Chiapas gewirkt hat und dem Anliegen der Indios sehr verbunden ist, kennt die Kehrseite gut. Die zunehmende Urbanisierung, wie sie mit atemberaubendem Tempo in den Ländern des Südens vor sich schreitet, zwackt der Landbevölkerung, und das sind in Mexiko überwiegend Indios - immer mehr des "blauen Goldes" ab. Ein Fünftel der Bevölkerung, so dokumentiert die bischöfliche Sozialpastoral, hat Wasserprobleme; Probleme mit dem Zugang zu Trinkwasser, mit der Wasserverschmutzung. Und meist trifft es die Armen.

Kampf um Wasserrechte

In Mexiko sind Protestaktionen der Indigenen, auf deren Territorien die größten Wasseradern liegen, an der Tagesordnung.Da marschieren Mazahua-Frauen mit Gewehren und fordern die Einlösung der Versprechen der Politiker. Oft werden die Indios in die Abtretung ihrer Wasserrechte getrieben, sagt Wasseraktivist Andres Barreda vom Forschungszentrum CASIFOP (Centro de Analissi Social Informacion y Formacion Popular). Da wird versprochen, dass sie ans Wassernetz angeschlossen werden, was dann nie geschieht, oder sie werden auch massiv bedroht. Enteignungen werden zu Vertreibungen, wie etwa beim Bau des Staudamms La Parota, im Staat Guererro, wo 25.000 Menschen plötzlich ohne Heim bleiben.

Der Franzose Philippe Texier vom Wassertribunal Lateinamerika bestätigt das. "Ganz Lateinamerika ist ein Beispiel dafür, wie Staaten und Nationen ihre Länder an internationale Wasserfirmen abtreten mit den bekannten Effekten der Vertreibung von Tausenden von Menschen." Überall dort, wo es Bodenschätze gibt, sei es Erdöl, Gold, Kohle oder eben Wasser, ist es "ein Desaster für die Lokalbevölkerung, weil nur die Firmen den Rahm abschöpfen, ein wenig geht in die Kassen des Staates und die Leute am Ort zahlen oft einen hohen Preis", so Texier.

Zugang zum "blauen Gold"

Vor sechs Jahren wurden die Milleniumsziele beschlossen. Eines davon: bis zum Jahr 2015 sollen 89 Prozent der Weltbevölkerung Zugang zu Wasser haben und 75 Prozent zumindest an die Abwasserkanalisation angeschlossen sein. Dies erfordere allerdings eine Investion von etwa 11 Milliarden Euro pro Jahr, so ein Dokument der UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen.

In einem Thesenpapier des Weltwasserforums hieß es, dass allein für Süd-und Südostasien Investitionen von rund 50 Milliarden Euro erforderlich seien. Für Afrika wurde eine Summe von 17 Milliarden Euro genannt.

Verständlich, dass Pierre Frédéric Ténière-Buchot, Präsident des Wasserrates auf dem Wassergipfel, höhere Preise forderte, denn "kostenloses Wasser ist gefährlich für die Menschen, die öffentliche Gesundheit, den Staat." Er vertrat die provokante These, "Wasser ist ein ungleiches Gut. Deshalb darf nicht Gleichheit gefordert werden". Es liege in der Verantwortung des Staates, über Steuern "diese Ungleichheit zu organisieren und die Mittel dorthin zu leiten, wo sie fehlen".

Ganz und gar gegen staatliche Intervention ist dagegen der jüngst zum drittreichsten Mann der Welt avancierte mexikanische Unternehmer Carlos Slim Helu. In seinem Beitrag zum Wasserforum sagte der Magnat knallhart: "Man muss der öffentlichen Hand die Wasserverwaltung entziehen." Und er fuhr fort: "Ich glaube nicht ans Wassersparen. Wer mehr verbraucht, der muss mehr zahlen."

Er mag die mexikanische Realität kennen. Da gibt es Viertel in Mexiko-Stadt, wo nur zweimal pro Woche der Tankwagen die Tonnen der Bürger mit "Agua potabile" füllt. "Manchmal stinkt das bis zum Himmel", klagt eine Anwohnerin, "aber was bleibt uns anderes übrig. Wir sind nicht ans städtische Wassernetz angeschlossen und abgefülltes Flaschenwasser können wir uns nicht leisten." In den Luxusvierteln der Metropole steigt der Wasserzähler aber manchmal bis auf 400 Liter täglich. Die Deutschen sind da mit ihren 120 Litern täglich bescheiden.

Ermuntern und Warnen

Die Wasseraktivisten wollten mit ihren Informationsständen, Diskussionsrunden und Workshops auf all diese Unzulänglichkeiten hinweisen. Doch geht es um mehr, sagt Bischof Vera: "Wir brauchen eine andere Mentalität."

Ermuntern und Warnen hielt sich auf der Konferenz die Waage. Wenn der zum Wassergipfel veröffentlichte 2. UNO-Wasserbericht die Korruption als Krebsgeschwür geißelt; wenn Universitätsprofessoren den Gipfelteilnehmern den Rat geben, schon in den Schulen mit der Aufklärung zu beginnen, und die katholische Kirche auf Gottes Schöpfung verweist, dann meinen sie alle das Gleiche: Jeder einzelne trägt Verantwortung für gegenwärtige und künftige Generationen und sollte respektvoll mit diesem kostbaren Gut umgehen. Das wussten die alten Mayas, deren Naturtraditionen weiterleben, und das weiß auch der Mazahua-Indio.

Die Autorin ist freie Journalistin.

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