Veto-Drohung schlägt Verhandlungstür zu

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Mit ernst gemeinter und konstruktiver Umweltpolitik haben weder die Resignation der ÖVP noch die Veto-Drohungen der FPÖ etwas zu tun.

Die österreichische Bundesregierung hat sich bei Temelin in eine Sackgasse hineinmanövriert. Einerseits ist Österreich dem wichtigen Ziel, eine Stilllegung des Atomkraftwerkes zu erreichen, keinen Millimeter näher gekommen. Andererseits hat sich das Klima zwischen Österreich und Tschechien weiter verhärtet. Prag ist nicht gewillt, weitere Forderungen aus Wien zu akzeptieren, hört man aus tschechischen Regierungskreisen.

Nach fast einjährigen Verhandlungen im so genannten Melker-Prozess (Umweltverträglichkeitsprüfung und Sicherheitscheck) sind zentrale Punkte ungelöst. Weder die Verbesserung der Sicherheitsstandards noch der Umweltverträglichkeit, geschweige der Ausstieg wurde über diesen Weg erreicht. Umweltminister Wilhelm Molterer - schon seit Monaten nicht besonders engagiert - gibt nun endgültig auf. Er zieht sich auf die Position zurück, dass jedes Land über seine Energieträger selbst entscheiden darf und sendet ein klares politisches Signal an Prag: Wir akzeptieren dieses Kraftwerk.

Die FPÖ hat sich nach einem wochenlangen Zickzackkurs mittlerweile wieder voll auf ihr "Veto gegen Temelin" eingeschworen - auch eine Form der Resignation. Der Bevölkerung wird vorgegaukelt, dass sie Tschechien per Unterschrift zwingen könnten, Temelin stillzulegen beziehungsweise den EU-Beitritt Tschechiens zu verhindern. Beides ist falsch. Die Veto-Drohung schlägt die Verhandlungstür zu Tschechien endgültig zu und stärkt nur die dortigen Temelin-Hardliner. Am Ende dieser Strategie steht der Nichtbeitritt Tschechiens zur Europäischen Union und ein "jetzt erst Recht" in Betrieb gegangenes unsicheres AKW.

Der Verdacht drängt sich auf, dass die FPÖ ein umweltpolitisches Thema dazu missbraucht, die Ängste der Bevölkerung gegen die EU-Erweiterung aufzuschaukeln und Stimmung gegen den Beitritt zu machen. Mit ernst gemeinter Umweltpolitik hat das nichts zu tun. Sonst hätte der freiheitliche Landeshauptmann nicht mit der deutschen RWE einen Atomkonzern nach Kärnten geholt, der künftig den Energieversorger Kelag kontrolliert und für mehr Atomstromimporte nach Österreich sorgen wird. Sonst hätte es die freiheitliche Ministerin Forstinger in Brüssel nicht verabsäumt, entschieden gegen das neue EU-Atomforschungsprogramm (EURATOM) aufzutreten, welches eine einseitige Weichenstellung für die weitere Förderung der Risikotechnologie in Milliardenhöhe bedeutet.

Der Umgang der FPÖ mit den großen, parteiunabhängigen Volksbegehren für ein Tierschutzgesetz und gegen den Einsatz von Gentechnologie in der österreichischen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion erhärtet den Verdacht. Diese Begehren der österreichischen Bevölkerung wurden ignoriert, hunderttausende Unterschriften einfach übergangen. Die diametral gegensätzlichen Positionen von ÖVP und FPÖ in der Temelin-Frage haben die aussenpolitische Glaubwürdigkeit Österreichs untergraben.

Gefragt ist ein dritter Weg, eine konsequente, aber seriöse Verhandlungsoffensive der Bundesregierung. Die ÖVP muss den Kampf gegen Temelin und andere unsichere AKW wieder aufnehmen, die FPÖ von ihrem kontraproduktiven Volksbegehren Abstand nehmen. Das Energiekapitel ist das geeignetste Instrument, um über Temelin im Rahmen der Erweiterungsverhandlungen bis zuletzt druckvoll zu verhandeln. Denn derzeit besteht keine Not, diese Verhandlungen vorzeitig abzuschließen, wie uns das die EU-Kommission jetzt vorschreiben will.

Auch der Europäische Rat selbst hat in seinen Schlussfolgerungen mehrfach gefordert, dass die nukleare Sicherheit in den beitrittswilligen Ländern auf EU-Niveau gehoben werden soll. Das ist bei Temelin bislang nicht der Fall. Ein aktueller österreichischer Expertenbericht hält fest, dass Temelin nicht einmal mit Brennstäben beladen hätte werden dürfen. Die Bundesregierung hätte also genügend stichhaltige Fakten in der Hand, um auf EU-Ebene um Unterstützung zu werben. Das Europaparlament hat im September die richtige Richtung vorgegeben, indem es die EU-Kommission aufgefordert hat, eine Temelin-Ausstiegskonferenz einzuberufen. Österreich könnte mit gutem Beispiel vorangehen und einen finanziellen Beitrag für die Stilllegung des Pannen-AKW anbieten.

Die Autorin ist Nationalratsabgeordnete und Umweltsprecherin der Grünen.

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