Viel Zeit zum Dienen

Werbung
Werbung
Werbung

Die Reform von Wehr- und Zivildienst beschränkt sich auf das Rauf- und Runterzählen von Monaten. Zu einer Erklärung, warum es diese Dienste braucht, ist die Politik nicht im Stande.

Und wer hat an den Abrüster-Kalender gedacht? Schon jetzt haben sich die Sechs-Monate-Wehrdiener im Unterschied zu den Acht-Monate-Bevorzugten schwer getan die entscheidenden acht Buchstaben a, b, r, ü, s, t, e, n anschaulich zu machen; nun, nach dem bundesheerpolitischen Alleingang der Volkspartei sind bald alle Wehrdiener mit diesem Problem konfrontiert: acht Buchstaben, sechs Monate, das geht sich nicht aus. Norbert Darabos von der spö hat deswegen völlig Recht, wenn er auf vier Monate verkürzen will: jeden Monat können dann zwei der entscheidenden Buchstaben durchgestrichen werden. Aber warum nicht gleich auf zwei Monate Wehrdienst abspecken? Oder gar den radikalen Schnitt durchziehen und auf einen Monat runtergehen, und diejenigen, die 31 statt 30 Tage erwischen, werden befördert. Die Februar-Grundwehrdiener kommen hingegen alle in die Küche - Unterschied muss sein, wir sind ja schließlich beim Bundesheer. Freilich, die wirklich nachhaltigen Effekte des Grundwehrdienstes gehen mit dieser Reform endgültig, unwiederbringlich und unersetzlich verloren: Betten machen und Schuhe putzen lassen sich in der kurzen Zeit auf keinen Fall mehr zufriedenstellend lernen.

Und wem das Ganze ein bissl zu Rucki-Zucki und gar zu Husch-Pfusch geht, der kann nicht einmal mehr beim Zivildienst Zuflucht suchen - auch dort wird Reform allein mit Verkürzung gleichgesetzt. Dabei haben Jugendliche mit 18, 19 Jahren doch nur von einem im Überfluss: von der Zeit. Ob nach der Lehre oder nach der Matura, in diesem Alter kommt für jeden eine Zäsur, da können, da müssen die Weichen neu gestellt werden. Und wo lässt sich besser über die Zukunft nachdenken als bei einem völlig sinnlosen nächtlichen Patrouillengang durch das Kasernengelände, oder bei einem weniger sinnlosen, aber trotzdem todlangweiligen Nachtdienst in der Rot-Kreuz-Zentrale.

Nicht nach der Zeit fragt ein 18-Jähriger zuerst, sondern nach dem Sinn dessen, was er für den Staat, für die Gesellschaft, für das Gemeinwohl tun soll. Und diese Frage müsste auch vorrangig Ausgangspunkt jeder Reform des Grundwehr- und Zivildienstes sein. Stopp: Bisher war nur von den Herren Grundwehr- und Zivildienern die Rede - wenn es um Reform und Neuorientierung der staatlichen Dienste geht, ist eines von vornherein klarzustellen: Alle sind gefragt, alle, Männlein und Weiblein, sind zu verpflichten. Alles andere, jede Art von Trennung und Unterscheidung lässt sich in der heutigen Zeit, in der heutigen Gesellschaft nicht mehr schlüssig nachvollziehbar argumentieren.

Vergangenen Herbst hat das Österreichische Institut für Jugendforschung eine Studie präsentiert, laut der sich knapp zwei Drittel der Jugendlichen im Land für einen Freiwilligendienst zur Verfügung stellen würden. An der Motivation mangelt es demnach nicht, vielmehr schafft es der Staat, die Politik nicht, den Jugendlichen ein diesem Engagement entsprechendes Angebot an sozialen, gesellschaftlichen Diensten zur Verfügung zu stellen.

"Die Politiker sind hilflos bei der Suche nach Themen für junge Leute - da kommt so eine Debatte gerade recht", hat der Politologe Peter Filzmeier in der Diskussion um die Wahlaltersenkung angemerkt. Genau derselbe Vorgang, genau dieselbe Hilflosigkeit der politischen Klasse ist bei den angeblichen Reformen von Wehr- und Zivildienst zu diagnostizieren: Monate werden rauf- und runtergezählt, worum es bei diesen Diensten eigentlich geht, sagt keiner, kann oder will keiner und keine sagen. Deswegen kommt die Politik auch leicht in die Bredouille, wenn sie auf das Grundsätzliche angesprochen wird, auf die Frage, warum Staatsbürger eigentlich zuWehr- oder Zivildienst verpflichtet werden dürfen, müssen, sollen. Schlussendlich macht man bei solchen Debatten gerne einen Rückzieher: Machen wir halt ein Berufsheer und die sozialen Dienste, ja, die sollen auch Hauptamtliche innerhalb der 40-Stunden-Woche erledigen. Wetten, würde der Finanzminister das Geld haben, wäre dieser Schritt hin zu den angestellten Dienern schon längst vollzogen. Auf der Strecke bleibt aber jetzt schon die Begründung des tieferen Sinns dieser Dienste für den und im Staat.

wolfgang.machreich@furche.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung