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Vier Beitrittswerber als Faustpfand für Reformen

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Zuerst machten sich die Euro-Grünen für eine Erweiterung stark, jetzt fordern sie eine Vertagung.

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Zuerst machten sich die Euro-Grünen für eine Erweiterung stark, jetzt fordern sie eine Vertagung.

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Die Grünen Europaparlamentarier traten zwar stets für einen Beitritt Österreichs zur EU ein, den Yerhandlungsergebnissen mit Österreich, Schweden, Norwegen und Finnland können sie aber nicht viel Positives abgewinnen. Jetzt verlangen sie sogar eine Vertagung der Abstimmung im Europaparlament.

„Wir wollen keinen Klub der Reichen, sondern eine gesamteuropäische Perspektive", meint die deutsche Grün-Abgeordnete Claudia Roth. „Aber die EFTA-Länder können ja nicht einmal ihre höheren Standards im Umwelt- und Sozialbereich beibehalten", bekrittelt sie die Erweiterungsbedingungen. Und auch der Südtiroler Alexander Langer, der ebenfalls den Beitritt Österreichs prinzipiell befürwortet, sieht sich nach Abschluß der Beitrittsverhandlungen vor eine neue Situation gestellt. „Hier wurde ein Zug versäumt, der so leicht nicnt wiederzukriegen ist. Es entsteht der Eindruck, als hätte die EU den Beitrittsländem das EU-Recht in der schlechtesten Form aufgedrückt."

BEITRIHE ALS HEBEL

Keine Rede sei mehr von den versprochenen institutionellen Reformen, die dem Demokratiedefizit in der EU zu-leibe rücken hätten sollen. Bedenklich findet Langer, daß Ansätze einer umweltfreund-hchen Verkehrs- und Landwirtschaftspolitik in den EFTA-Ländern in den Verhandlungen unter die Räder gekommen seien. „Es wurde verpaßt, die Beitritte als Kurskorrektur der EU zu nutzen."

„Wenn Österreich unter diesen Bedingungen beitritt, sind über 50 Prozeiit der bäuerlichen Betriebe Österreichs aus dem Markt raus", befürchtet Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, der Grüne Landwirtschaftsexperte aus Deutschland. „Ich bin nicht gegen Österreich. Ich möchte, daß Österreich in die EU kommt, aber zuerst soll die Bevölkerung einmal ablehnen - wie die Dänen. Dann kommt vielleicht etwas in Gang."

ZUERST EURO-NEUWAHL

Auch die Holländerin Nel Van Dijk, seit 1987 im Europaparlament und Vorsitzende des Verkehrsausschusses, ist sich nicht sicher, ob die Verträge Gutes für die Beitrittsländer in bezug auf Umwelt-und Verkehrspolitik verheißen. „Ich werde aber nicht sagen, die Länder sollen nicht beitreten, diese Frage müssen die Bevölkerungen selbst entscheiden."

Sollte es am 4. Mai tatsächlich zur Abstimmung im Straßburger Parlament kommen, ist ungewiß, wie sich die Grünen verhalten werden. Eine einheitliche Parteilinie wird es dann keine geben. In einem Punkt ist sich die Umweltfraktion aber einig: Sie wird alles daran setzen, um die Abstimmung zu verschieben. Erst das neugewählte Parlament solle dann über die Verträge befinden. Alexander Langer: „Wir verlangen noch Zugeständnisse des Rates, um die Fehlgeburt Maastricht in eine demokratische Richtung zu bewegen." Überfordert fühlen sich die meisten Parlamentarier vom Zeitplan. „Was sind schon drei Monate bei einer so wichtigen Frage", versteht Claudia Roth die Eile nicht. „Ich fühle mich mittelmäßig intelligent, aber diese Schwarten in so kurzer Zeit durchzuackern, übersteigt meine Fähigkeiten."

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