Vom Balkan in die Schweiz

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Eine Zeitlang, als das blutige Geschehen auf dem Balkan noch die TV-Nachrichten dominierte, da war er häufiger Gast in den Wohnzimmern. Wer erinnerte sich nicht an die Live-Schaltungen zu Wolfgang Petritsch, die Gespräche die Robert Hochner mit ihm führte. Petritschs Auftreten hatte immer etwas Beruhigendes, das wohl aus seiner Kenntnis der Materie, seiner Kompetenz herrührte. Man verstand wieder ein wenig besser - oder glaubte zu verstehen. Und Petritsch hatte etwas Authentisches. Auch wenn man seine Einschätzung nicht immer teilen mochte, seinen Glauben bis zuletzt an diplomatische Lösungen, weil man sich mit MiloÇsevi´c Diplomatie nur schwer vorstellen konnte - man spürte, wie ernst es ihm war, wie sehr er ein Scheitern von Verhandlungen als Niederlage empfand. Wie es jeder humanistisch denkende Mensch als Niederlage empfinden muss, wenn militärische Gewalt als ultima ratio zum Zug kommt, mag ihr Einsatz auch gerechtfertigt sein.

Am 27. Mai endete die Amtszeit von Wolfgang Petritsch als Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina. Der österreichische Diplomat, der insgesamt fünf Jahre die Geschicke auf dem Balkan mitgeprägt hat, übernimmt ab Juni den Posten des österreichischen UNO-Botschafters in Genf.

Während seiner Amtszeit als österreichischer Botschafter in Belgrad (September 1997 bis Juli 1999) wurde Petritsch zum EU-Beauftragten für das Kosovo ernannt. Petritsch sollte zu einer friedlichen Lösung des Konflikts in der südserbischen Provinz Kosovo beitragen. Als EU-Chefverhandler der serbisch-albanischen Friedensgespräche im französischen Rambouillet (Februar und März 1999) gewann er den Ruf eines zähen, aber ruhigen und gelassenen Verhandlers. Doch auch sein diplomatisches Geschick konnte den Krieg im Kosovo nicht verhindern.

Im August 1999 wurde er zum High Representative für Bosnien-Herzegowina ernannt. Primär war Petritsch für die Umsetzung des Dayton-Abkommens (1995), mit dem der Krieg in Bosnien-Herzegowina offiziell beendet wurde, verantwortlich. Es gelang ihm, die Kooperation zwischen der bosnisch-kroatischen Föderation und der Republika Srpska zu verbessern und die Rückkehr der Flüchtlinge zu beschleunigen. Nach wie vor sind freilich die wirtschaftlichen und sozialen Probleme enorm. Nach wie vor insbesondere sind Radovan KaradÇzi´c und Ratko Mladi´c, die als Hauptverantwortliche für die Kriegsgräuel auf serbischer Seite gelten, auf freiem Fuß.

Petritsch, 1947 in Klagenfurt geboren, zweisprachig aufgewachsen, 1977 bis 1983 Sekretär von Bundeskanzler Kreisky, gab sich indes zum Abschluss seiner Tätigkeit auf dem Balkan zuversichtlich, dass KaradÇzi´c und Mladi´c "in einigen Wochen oder Monaten" gefasst würden.

Dann wird schon sein Nachfolger, der britische Liberale Paddy Ashdown, amtieren. Ashdown betritt kein Neuland: Er veröffentlichte 1995 jene Serviette, auf der der kroatische Autokrat Franjo Tudjman bei einem Abendessen die geplante Teilung Bosniens zwischen Kroatien und Serbien skizziert haben soll - Tudjman leugnete. Ashdown trat - im Gegensatz zur Politik seines Landes - früh für eine Intervention zugunsten der Bosniaken und für den Erhalt des Gesamtstaates Bosnien ein. RM/APA

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