Vom guten zum bösen Gesicht des Islam

Werbung
Werbung
Werbung

Der Vorzeige-Muslim wurde zum Buhmann der Rechten. Was dem New Yorker Imam Feisal Rauf widerfährt, könnte Vorbote eines neuen Kulturkampfes sein.

Übersetzung: Otto Friedrich

Schwere Zeiten für Feisal Abdul Rauf. Der Imam wurde vom guten Gesicht für positive Beziehungen zwischen dem Islam und der amerikanischen Gesellschaft zum Paria konservativer Talkshows mit dem Etikett „extremistisch“ und „radikal“. Die Kontroverse begleitet das geplante islamische Kulturzentrum in der Nähe von „Ground Zero“, dem Ort der Anschläge von 9/11.

Seit 27 Jahren sind der Imam und seine Masjid-Al-Farah-Moschee willkommene Bewohner im Stadtteil Tribeca, nur zwölf Häuserblocks von „Ground Zero“ entfernt. Die dortige Gemeinde steht für einen gemäßigten amerikanischen Islam. Imam Rauf erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine tolerante Vision. Er wurde sowohl von der Bush- als auch von der Obama-Administration in den Nahen Osten geschickt, um das Ansehen der USA in der arabischen Welt verbessern zu helfen.

Nun haben die Pläne für Raufs neues Gemeindezentrum zwei Häuserblocks von den einstigen Twin Towers entfernt einen Aufschrei hervorgerufen. Offenbar war dies für den Imam mit dem Ruf eines Brückenbauers eine Brücke zu weit. Nach seinen Angaben soll das Gemeindezentrum zur Revitalisierung von Lower Manhattan beitragen. Es gebe dort einen muslimischen Gebetsraum, aber keine Moschee, vielmehr beherberge es auch ein Schwimmbad, eine Sporthalle, einen Festsaal sowie Ausstellungsräumlichkeiten: „Das Center ist offen für alle – unabhängig von der Religion.“ Und der Imam vergleicht das Projekt mit religiösen Zentren wie dem christlichen YMCA oder jüdischen Gemeindezentren in vielen Städten der USA.

Das Gespenst der Islamisierung

Die Nation erwachte, als ein konservativer Blogger in New York die Pläne für das Zentrum kritisierte und die Gruppe „SIOA: Stop the Islamization of America“ gründete. Überregionale Medien übernahmen die Geschichte und Politiker begannen sich gegen die „Ground-Zero-Moschee“ auszusprechen. Newt Gingrich, ehemaliger Sprecher des Repräsentantenhauses und 2012 möglicher Präsidentschaftskandidat der Republikaner, ist einer der schärfsten Gegner: Er meinte, die Errichtung des 13 Stockwerke hohen Gebäudes wäre ein „Statement des islamischen Triumphalismus und keinesfalls eine Botschaft der religiösen Toleranz“. Als Präsident Barack Obama für das Recht der Gemeinde zum Bau des Zentrum eintrat, löste er eine Protestlawine aus, auch wenn er dies später abschwächte (s. Infokasten).

„Es ist überraschend und sollte nicht unbeachtet bleiben, dass es die liberalsten muslimischen Führer sind, die jetzt angegriffen werden“, kommentiert Matt Weiner, Programmdirektor des Interfaith Center New York, einer Organisation, die sich um Verständnis zwischen den Religionen in New York City bemüht. Weiner glaubt, dass „politische Opportunisten“ aus bestehenden Ängsten vor dem Islam Kapital schlagen.

Die öffentliche Meinung ist gegen das Gebäude nahe „Ground Zero“. Auch viele Angehörige der 9/11-Opfer sind dagegen, dennoch herrscht in dieser Frage keine einheitliche Meinung vor. Eine CNN-Umfrage zeigt, dass sieben von zehn Amerikanern gegen den Standort des Gemeindezentrums sind, während andere Umfragen ergeben, dass 61 Prozent meinen, die muslimische Gemeinde habe das Recht, ihr Zentrum zu bauen.

Aber es gibt Zeichen für eine neue Sichtweise auf die Muslime in den USA. Traditionell waren sich Konservative wie Liberale einig: Es sei gut, wenn sich muslimische Amerikaner assimilieren. Deshalb wurden Feisal Rauf und andere Führer, die eine „Amerikanisierung des Islam“ propagieren, so geschätzt. George W. Bush versuchte nach 9/11 die amerikanischen Muslime und den Islam im Allgemeinen von extremistischen Gruppen wie Al Kaida zu unterscheiden. Aber heute ist die Auffassung im Vormarsch, dass der Islam selbst mit der US-Gesellschaft unvereinbar sei. Manche wittern gar eine Verschwörung, um „Amerika zu islamisieren“.

Von Tennessee bis Wisconsin

Im Jänner ergab eine Gallup-Umfrage, dass 53 Prozent der Amerikaner den Islam kritisch sehen. Landauf, landab gab es Proteste gegen Moscheen und islamische Zentren in abgelegenen Orten wie Murfreesboro, Tennessee, oder Sheboygan, Wisconsin. Dabei ging es nicht um „traditionelle“ Beschwerden wie Lärm oder Flächennutzung. Sondern die Demonstranten protestierten gegen den Islam selbst.

„Sie zitieren Passagen aus dem Koran und argumentieren, dass selbst die meisten amerikanisierten Muslime heimlich die Verfassung durch die Scharia ersetzen wollen“, so Laurie Goldstein von der New York Times. Viele der Proteste finden im Umfeld der konservativen Tea-Party-Bewegung statt, die Verschwörungstheorien und gar das Gerücht verbreitet, Präsident Obama sei insgeheim Muslim. Solches ist nicht nur in einer Randgruppe verbreitet. Kürzlich ergab eine Umfrage des Pew Charitable Trust, dass 20 Prozent der Befragten fälschlicherweise glauben, Präsident Obama sei ein Muslim.

Es ist nicht klar, ob der Stellenwert des Islam im amerikanischen Leben sich in Richtung großer kultureller Verwerfungslinien wie etwa beim Thema Abtreibung entwickelt. Es gibt aber Grund zur Annahme, dass die Rechte das New Yorker Thema in den überregionalen Schlagzeilen halten will. Allerdings bezweifeln einige konservative Stimmen die Wirksamkeit, auf dieses Thema zu setzen. Grover Norquist, eine bedeutende Stimme der Republikaner, meint: „Das lenkt davon ab, das Spiel zu gewinnen. Es ist sehr dumm, wenn die Republikaner einen überwältigenden Sieg über die Ausgabenpolitik der Demokraten im November dadurch gefährden, dass sie ihre Aufmerksamkeit auf dieses Thema konzentrieren.“ Gemäßigte Konservative argwöhnen, rechtsgerichtete Republikaner würden hier den Bogen überspannen und gemäßigte Wähler verlieren, deren Unterstützung sie bei den Midterm-Elections im November benötigen.

Ein neuer Kulturkampf?

Die gesteigerte Energie rund ums Islam-Thema ist ein wichtiges Zeichen, wie sich das öffentliche Bewusstsein bis November und danach entwickeln könnte. Wenn die „Ground-Zero-Moschee“-Kontroverse im Zentrum der Debatte bleibt, wenn sie hilft, das Wahlergebnis zugunsten der Republikaner zu verschieben, dann steht das Thema auch 2012, wenn Obama zur Wiederwahl antritt, im Zentrum.

Dies würde den Beginn einer tektonischen Verschiebung der Verwerfungslinien der US-Politik bedeuten. In der politischen Sprache könnten Wörter wie „Muslim“, „Islam“, „Scharia“ der neue Code für Außenseiter sein, die die Stabilität und den Wohlstand der USA bedrohen. Allerdings bleibt es abzuwarten, ob der Kampf um die „Ground-Zero-Moschee“ und gegen einen moderaten Imam und seine Gemeinde tatsächlich Teil eines neuen Kulturkampfes sind.

* Der Autor, ev. Theologe, war Director am Interfaith Center New York

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung