Erhard Busek  - © Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Von der Freude, über alle Grenzen zu gehen: Nachruf auf Erhard Busek

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Erinnerungen an Erhard Busek, den "Vater des neuen Europas".

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Erinnerungen an Erhard Busek, den "Vater des neuen Europas".

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Welch ein Zufall: Über unserer ersten Begegnung stand ausgerechnet Karl Rahners „Löscht den Geist nicht aus“ – das Leitwort des Katholikentags 1962. Dort, im erzbischöflichen Salzburg, saßen wir bei einer Jugendmesse irgendwann Schulter an Schulter. Wir waren jung und engagiert – Erhard Busek aber ragte schon damals aus diesem christlichen Nachwuchsstall heraus: geistig, rhetorisch, selbstsicher.

Das Schicksal hat mir danach sechs Jahrzehnte der Busek-Beobachtung geschenkt, zwar abseits seiner politischen Karriere, aber in Sichtweite. Das Interesse an ihm, dem ein Höherer so viele Talente in die Schürze geworfen hatte, es hat mich nie mehr verlassen. Und oft habe ich mich gefragt, wer sonst eine solche Fülle an Funktionen und Positionen ausfüllen, so viele Aufgaben in Politik, Kultur, Wissenschaft, Religion… bewältigen, so viele Titel, Auszeichnungen, Ehrendoktorate verdienen und so viele Bücher, Reden, Interviews schaffen könnte.
Dabei hat es zu seinen besonderen Qualitäten gehört, dass er nichts von all dem, was er getan hat, mit halbem Herzen oder der „linken Hand“ erledigt hat, sondern immer ganz. Und immer mit einer großen Kompetenz. Wäre er seinem jugendlichen Traumberuf gefolgt, „Bruder Bibliothekar“ im Stift Zwettl zu werden, er hätte sich zwischen den Sachbuch-Reihen wohl in fast allen Fachregalen zurechtgefunden.

Grüner unter Schwarzen, Aufmüpfiger unter Gläubigen

Das alles ist weithin bekannt. Was diesen „irren Typen“ (Günther Nenning über Busek) aber bleibend aus der kleinen Schar der „Hochbegabten mit Bodenhaftung“ heraushebt, das bleibt seine enorme Freude, die ohnedies weiten Grenzen seines Weltbilds immer neu zu hinterfragen. Busek war der Grüne unter den Schwarzen, der Liberale unter Konservativen, der Aufmüpfige unter Gläubigen… usw. In diesem Sinn hat er sein Umfeld oft überfordert – er war letztlich zu intelligent für die Politik, zu unerträglich für Populisten und ihre Medien, zu europäisch für die heimischen Schrebergärten, zu freigeistig für brave Funktionäre und strenge Lordsiegelbewahrer aller möglichen Institutionen.

Mit Busek musste jetzt einer gehen, der viele Botschaften hinterlässt. Etwa, dass Glauben und Geist sehr wohl zusammenpassen. Dass Christen, Juden und Muslime die Blüten an einem Zweig sind. Dass Österreich mehr sein kann und muss als ein Kleinstaat – und Europa unser aller Vaterland ist.

Über Kardinal Königs historische Rolle hat Busek gesagt, er habe „die ersten Rostlöcher in den Eisernen Vorhang gebohrt“ und sei ein „Vater des neuen Europas“. Das gilt auch für ihn selbst.

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