Von der Kunst, die Antwort zu verweigern

Werbung
Werbung
Werbung

Langsam beginnt der Wahlkampf - vor allem bei TV-Interviews und-Konfrontationen wird die Geduld der Wähler also wieder auf eine harte Probe gestellt werden. Denn viele Politiker beherrschen es nahezu perfekt, viel zu reden und wenig zu sagen. Und schon gar nicht auf Fragen zu antworten.

Befragt nach den Rhetorikkenntnissen der heimischen Politiker, nennen Kommunikaitonsexperten gern Finanzminister Karl-Heinz Grasser als Paradebeispiel für jene Polit-Prominenz, die die Tricks der Redekunst bis ins Detail beherrscht. Und eine zib 2 von vergangener Woche lässt erahnen warum: Moderatorin Ingrid Thurnher müht sich redlich ab, den Finanzminister zu einer klaren Aussagen über seinen Yachtausflug mit Investmentbanker Wolfgang Flöttl auf der Yacht des Bankiers Julius Meinl zu bekommen. Ob ihm dieser Ausflug unangenehm sei? Grasser geht auf die Frage zuerst ein. Aber schon nach wenigen Worten umschifft er das Thema und redet über ein ganz anderes: "Sie fragen, ob ich mich ärgere. Ja, ich ärgere mich, weil ich es eine Frechheit finde, dass man jetzt einen Finanzminister angreift, der über Monate hinweg gemeinsam mit dem Bundeskanzler versucht hat, die bawag zu retten." Und nach einer kurzen Unterbrechung durch die Moderatorin macht er weiter: "Es ist sehr klar durchsichtig: Auf der einen Seite gibt es eine erfolgreiche Bundesregierung, wir haben 120.000 Menschen mehr in Beschäftigung ..." - "Bleiben wir beim Thema", fordert Ingrid Thurnher, aber der Minister ist nicht zu bremsen: "Das Thema ist: Warum kommt dieser Angriff. Deswegen, weil die Sozialdemokratie offensichtlich schwer unter Druck ist. Weil die Sozialdemokratie offensichtlich weder ein Gegenkonzept noch personelle Gegenalternativen hat. Und deswegen, weil der 1. Oktober vor der Tür steht." - Ingrid Thurnher versucht noch ein paar Mal zu unterbrechen, dann gibt sie auf. Willkommen im Wahlkampf.

Hinter Grassers Antworten steckt die klare Strategie, wie mit kritischen Fragen umzugehen ist: Das Thema umdrehen und die politischen Gegner anpatzen (siehe Interview unten). Schließlich geht kein Politiker von Rang ohne Kommunikationstraining und Politikberater ins Rennen, ist sich Politik-und Kommunikationsforscher Peter Filzmaier sicher. "Nicht einmal Grünen-Chef Alexander Van der Bellen. Aber der hat die Nichtinszenierung zur Inszenierung gemacht."

Dass Live-Interviews mitunter so aus dem Ruder laufen und zur Selbstinszenierung der Befragten werden, liege vor allem daran, dass "das ja ein Gespräch ist, bei dem sich der Politiker

nicht an sein Gegenüber richtet. Wie er bei seinem direkten Gesprächspartner ankommt, ist ihm im Grunde egal, ihm geht es um die Zuseher und Zuhörer. Bei denen will er seine Botschaften anbringen. " Und die Botschaften, die vermittelt werden sollen, passen eben oft nicht zu den gestellten Fragen.

Pervertiertes Gespräch

Was aber, wenn auch der Interviewer gut trainiert ist und die Kniffe seines Gegenübers durchschaut? "Das kann schon zur Pervertierung des Gesprächs führen, das dann gar keinen Inhalt mehr hat", warnt Filzmaier. Aber auch damit kann man zu Berühmtheit gelangen: Als der damalige britische Innenminister Michael Howard nicht beantworten wollte, ob er etwas mit der Entlassung des in Ungnade gefallenen Chefs der Gefängnisverwaltung zu tun hatte, setzte bbc-Journalist Jeremy Paxman alles auf eine Karte: Wiederholung. Und zwar gezählte 14 Mal. Wobei der Befragte es schaffte, 14-mal zu antworten, ohne tatsächlich auf die Frage einzugehen. Seither heißt dieses Insistieren im Interview in Großbritannien mitunter "paxmanesque". Allerdings komme dieser Interviewstil durchaus nicht bei allen Zusehern an, wirke mitunter arrogant und werde schnell langweilig, warnt Filzmaier.

So weit treibt es der zib-Moderator Armin Wolf nicht, der gern als österreichisches Positivbeispiel erfolgreicher Interviewführung genannt wird. Dennoch lässt er sich in der Regel mit Worthülsen nicht abspeisen. "Armin Wolf versucht konsequent, ausweichende Antworten nicht durchgehen zu lassen", lobt Peter Vitouch, Kommunikations-und Medienwissenschafter an der Universität Wien. Und wenn er auch nach wiederholtem Nachfragen keine Antwort bekomme, spreche er diesen Umstand gezielt an und rüge sein Gegenüber dafür, die Antwort zu verweigern. Geschickt, meint Vitouch. "Er hebt die Kommunikation auf eine Meta-Ebene, redet mit dem Befragten über dessen Art der Kommunikation und macht es diesem dadurch schwerer, bei seiner Strategie zu bleiben. Denn durch die Aussage von Wolf ist das Publikum nun sensibilisiert."

Allerdings ist die Meta-Ebene ein Terrain, das längst auch Politiker für sich entdeckt haben. Jörg Haider etwa greife in Interviews mit dem orf gern darauf zurück, erklärt Peter Filzmaier: Statt unangenehme Fragen zu beantworten, beklage der Landeshauptmann, dass ein solcher Vorwurf typisch für den orf sei. Filzmaier: "Geht der Journalist darauf ein, ist das unangenehme Thema vom Tisch und er diskutiert mit Haider über den orf. Geht er nicht

darauf ein, steht die ganze Zeit der Vorwurf im Raum."

Vorwürfe auf diese Weise abzublocken, ist aber laut Kommunikationstrainer Emil Hierhold auf Dauer sinnlos. "Wenn ein Politiker einen Fehler gemacht hat, dann soll er dazu stehen. Genauso bei unangenehmen Dingen wie etwa nötigen Einsparungen. Die Menschen verstehen ja Notwendigkeiten. Aber das ewige Herumreden zermürbt sie." Was Hierhold fehlt, sind "klare positive Antworten statt der ewigen Slogans und Negativstories, die sich nur darum drehen, was der politische Gegner schlecht gemacht hat. Das sind doch keine politisch attraktiven Inhalte."

Vorsicht oder Polemik

Wie politische Inhalte den Wählern näher gebracht werden können, hänge im Übrigen wesentlich von der Stellung des Politikers ab, ergänzt Politikforscher Filzmaier. "Politiker, die Regierungsverantwortung haben oder anstreben, können es sich nicht leisten, zu ausfallend zu werden", analysiert er. "Politiker kleiner Parteien, etwa Heinz-Christian Strache oder Hans-Peter Martin, können viel aggressiver auftreten." Sie könnten es sich auch leisten zu polarisieren, um vielleicht noch den einen oder anderen Wähler zu überzeugen. "Große Parteien, in denen es darum geht, mehr als 40 Prozent der Wählerstimmen zu bekommen, können sich das nicht leisten, weil sie ja eine große Bandbreite an Bevölkerungsgruppen ansprechen müssen." Alexander Van der Bellen breche aus diesem Schema aus und nütze die Politikverdrossenheit der Leute. "Sie merken ja, dass so viel inszeniert ist in der Politik. Van der Bellen befriedigt die Sehnsucht nach etwas anderem, nach jemandem, der den Eindruck erweckt, er könne zuhören." Und auch im Interview geht er andere Wege. Schon auf so manche kritische Frage lautete der Anfang seiner Antwort: "Da haben Sie recht." Ein seltener Satz in der politischen Diskussion.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung