Von Dublin nach Budapest

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Die Zahl der Asylgipfel ist längst ebenso Legion wie jene zur Griechenland-Krise. Erstere finden freilich hauptsächlich in Österreich, vornehmlich zwischen Innenministerin und Landeshauptleuten (bzw. Hilfsorganisationen), statt, kaum auf europäischer Ebene. Was ein Fehler ist und dazu führen wird, dass so mancher Staats-und Regierungschef dem Beispiel Viktor Orbáns folgen und die Sache selbst in die Hand nehmen wird. Der ungarische Ministerpräsident hat ja erklärt, keine Flüchtlinge, die über sein Land in die EU gekommen und dann weitergezogen sind, mehr zurücknehmen zu wollen, wie es das geltende EU-Regelwerk (Dublin-Verordnung) vorsieht. Von dieser Verordnung sind natürlich die Länder mit EU-Außengrenze (neben Ungarn etwa Italien, Spanien, Griechenland) in besonderer Weise betroffen, weswegen sich das Problem nicht für alle gleichermaßen stellt. Aber die Tendenz zu nationalen Alleingängen generell wird steigen. Man kann das Verhalten Ungarns mit gutem Grund unsolidarisch nennen. Man muss es aber wohl auch als Alarmsignal bezeichnen:

zum einen wider das Dublin-Abkommen, zum anderen wider die Hilf-und Tatenlosigkeit gegenüber der Problematik im Allgemeinen. Denn die Grundidee von "Dublin", wonach jene Länder, die das "Pech" haben, an einer migrationsmäßig heiklen Außengrenze zu liegen, die Hauptlast und -verantwortung tragen sollen, ist höchst fragwürdig.

Widerstand gegen Quoten

Natürlich gibt es auch gegen jede Art von Quoten, wie man gesehen hat, massiven Widerstand einzelner Länder (was sich auch auf der österreichischen Mikroebene widerspiegelt). Der wird freilich nicht zu überwinden sein, solange es nicht gelingt, das Problem an der Wurzel wenigstens ansatzweise zu lösen, sprich den Zuzug Migrationswilliger einzubremsen. Denn allen Beschwichtigungen und Relativierungen zum Trotz besteht bei vielen der begründete Verdacht, die Bilder und Berichte, die uns derzeit erreichen, seien erst der Anfang. Nein, es geht nicht primär um aktuelle Zahlen, es geht um die Tendenz. Allein die demografischen Entwicklungen in Afrika und, in Relation dazu, in Europa sprechen eine klare Sprache.

Eine Massenzuwanderung aus vielfach politisch, (religiöskulturell und wirtschaftlich völlig andersartigen Weltgegend würde auch ein stabiles, prosperierendes, geistig selbstgewisses Europa überfordern. Ein alternder, müder, hedonistisch verweichlichter Kontinent ist dafür schon gar nicht gerüstet.

Die "Verdammten dieser Erde"

Der kann nur zweierlei tun: versuchen, seine Lethargie zu überwinden, sich seiner Stärken (bzw. dessen, was ihn stark gemacht hat) wieder bewusst zu werden und sich an Geist, Seele und Körper zu erneuern -wofür eine gesteuerte Zuwanderung nicht nur hilfreich, sondern auch notwendig sein wird. Und, zweitens, Asyl im strengen Sinn zwar zu gewähren, aber ansonsten unmissverständlich deutlich zu machen, dass Europa nicht der Zufluchtsort für die "Verdammten dieser Erde"(H. Prantl, SZ) sein kann. Weil auch hier nicht stimmt, dass es den "Armen" besser geht, wenn man den "Reichen" etwas wegnimmt. Der Grundgedanke der Apologeten einer "offenen" Asylpolitik ist letztlich derselbe wie jener der "Umverteilung". Am Ende aber verlieren immer alle, ohne dass die "Armen" gewonnen hätten.

Bedenkenswerte Worte zum Thema hat kürzlich der aus Ghana stammende Kurienkardinal Peter Turkson, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, gefunden: "Afrika kann diese demografische Ausblutung nicht länger verkraften", so Turkson in der FAZ. "Wir haben die Krisen in den EU-Ländern von Griechenland bis Frankreich; die Angst vor Überfremdung in der Bevölkerung. Europa muss versuchen, dort anzusetzen, wo die Menschen ihre Wanderung beginnen." Das wäre in der Tat im Sinne von Gerechtigkeit und Frieden.

rudolf.mitloehner@furche.at

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