Von einem, der auszog Kanzler zu werden

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Eine "brillante Persönlichkeit" sei er gewesen, "in der Entwicklung stets voran" und im Notenranking immer unter den Top 3 bis 5: So beschreibt ihn einer derer, die mit ihm am Wiener Schottengymnasium die Schulbank gedrückt und dortselbst 1963 die Matura abgelegt haben. Ja, der Wolfgang Schüssel galt schon damals als "für große Auftritte gut geeignet", so der Kollege von einst.

Den großen Auftritt, den Auftritt seines Lebens hat Schüssel seit 2000, und er hat zäh und beharrlich darauf hingearbeitet. Dass er nach seiner Wahl zum övp-Chef klar den Führungsanspruch für sich und seine Partei gestellt hatte ("Ich will mit eurer Hilfe die Nummer eins werden"), wirkte in einem Land, in dem (politischer) Macht der Hautgout des Unanständigen anhaftet, durchaus erfrischend. Knapp fünf Jahre später war er dort, wo er hin wollte; wenn auch mit dem Schönheitsfehler des - sachlich dummen - gebrochenen Wahlversprechens, als Dritter in Opposition zu gehen.

Anfangs versprachen sich die tv-Moderatoren noch gelegentlich und titulierten Schüssel gewohnheitsmäßig als Vizekanzler; heute ist er ohne Zweifel "der Bundeskanzler", für Freund und Feind. Dass er dieses Amt so schnell "besetzen" konnte, hat mit seinem unbestrittenen Willen zur politischen Gestaltung zu tun. Das Bild, das er dabei von sich gab, trägt viele Facetten: Schlagfertig, rhetorisch wie intellektuell prägnant, gewitzt, manchmal sogar witzig haben wir ihn erlebt; aber ebenso als Mann von Eiseskälte, abgehoben, überheblich, bisweilen verletzend.

Mit seiner Einbindung der fpö in die Regierung hat er ein Stück Normalisierung in die Innenpolitik gebracht. Es war eine Illusion zu glauben, die Freiheitlichen hätten sich auf Dauer von der Macht fernhalten lassen. Haider als Anführer der stimmenstärksten Partei mit Anspruch auf den Kanzler ist Österreich jedenfalls - vermutlich dank der Regierungsbildung anno 2000 - erspart geblieben. Der Vorwurf, Schüssel habe nicht Haider "entzaubern" sondern Kanzler werden wollen, geht ins Leere: als gäbe es ein Handeln ohne Eigeninteresse.

Die Pensionsreform sowie die Trendumkehr in der Budgetpolitik waren wichtige Marksteine der letzten fünf Jahre, vieles andere (Gesundheit, Ö-Konvent u. a.) blieb bestenfalls Stückwerk. Bei vielen der Reformen vermisste man zudem das erkennbare Bemühen der Kanzlers, die Menschen "mitzunehmen", sie von der Notwendigkeit bestimmter Schritte zu überzeugen. Dazu gehört etwa auch, dass Schüssel die Einbettung seiner Abfangjäger-Entscheidung in ein sicherheitspolitisches Konzept schuldig geblieben ist.

Die Zukunft ist mit einem großen Fragezeichen versehen: Schüssels größter Erfolg, die von ihm induzierte Selbstsprengung der fpö, ist zu seinem größten Problem geworden. Oder bereitet er schon die nächste Wende vor? RM

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