Von Konfliktparteien zu Partnern

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Während Österreichs Entwicklungszusammenarbeit ein Seminar über Peacebuilding im südlichen Afrika abhielt, brach just der Kongo-Krieg aus. Doch für einen kleineren Konflikt konnte immerhin ein Lösungsansatz entwickelt werden.

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Während Österreichs Entwicklungszusammenarbeit ein Seminar über Peacebuilding im südlichen Afrika abhielt, brach just der Kongo-Krieg aus. Doch für einen kleineren Konflikt konnte immerhin ein Lösungsansatz entwickelt werden.

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Frauen tanzen fröhlich über einen Acker und singen Revolutionslieder. Wieder eine Landbesetzung, diesmal durch 150 Familien. Dazu die gleich mitgebrachten Ziegen und Hendln. Bilder nicht aus dem Nicaragua der sandinistischen Revolution, sondern aus dem Simbabwe von heute.

Fast wöchentlich besetzen de facto landlose Schwarze schier endlose Ländereien weißer Farmer. Angeheizt hat die Entwicklung Präsident Robert Mugabes Ankündigung einer Landreform samt Enteignungsplan für gewisse Multi-Großbauern. Entschädigungen sollten gefälligst die ehemaligen britischen Kolonialherren als Urheber der Ungleichheit berappen. Das fordert zumindest Mugabe, dessen sinkender Stern durch derlei Populäres aufpoliert werden soll.

Auch beim Nachbarn Südafrika ist nach dem Ende der Apartheid, demokratischem Beginn und Abschluß von Bischof Desmond Tutus Wahrheitskommission kein Ende der Rassenkonflikte in Sicht. "Bei uns", sagt Gavin Bradshaw, weißer Politologe der Universität Port Elizabeth, "verdrängt die Regierung niemand von Grund und Boden. Die Landfrage ist ein schweres historisches Erbe." Weiße Farmer wurden in den letzten Monaten serienweise Opfer von Raubmorden.

Eine Region kommt nicht zur Ruhe. Jahrzehntelang legal gepflegte Ungleichheiten, offiziell geschürte Ängste, polizeilich gefördertes Mißtrauen führen weiter zu Konflikten. Daher luden das Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖFSK) im burgenländischen Stadtschlaining und die simbabwische Forschungsstiftung SAPES (Southern African Political Economy Series Trust) im August zu einem Seminar für Peacebuilding und Präventivdiplomatie.

Ursachen- statt Symptombekämpfung Unterstützt von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium, nehmen über 40 hohe Beamte, kriegserfahrene Militärs und Wissenschaftler sowie Vertreter von nichtstaatlichen Organisationen aus knapp 20 Ländern an der dreiwöchigen Veranstaltung in Kadoma teil. Nach Vorträgen wird das Arbeiten an Konflikten zwischen Staaten oder Bevölkerungsgruppen in der Southern African Development Community (SADC, eine Organisation zur regionalen Integration, die sich vorwiegend mit Wirtschaftsfragen befaßt) nach bewährten Methoden durchgespielt.

"Ich würde mir wünschen", erklärt der Seminarleiter, Arno Truger vom ÖFSK, der Furche zu Beginn der gruppendynamischen Übung, "daß wir etwas Konkretes in die EU-SADC-Konferenz im November in Wien einbringen können."

Als Trainer engagierte Truger mit dem US-Amerikaner Dudley Weeks einen Konfliktlösungs-Experten mit Erfahrung in Bürgerkriegen, Geiseldramen, ethnischen und anderen Auseinandersetzungen. Weeks wirkte in über 90 Ländern als diskreter Vermittler hinter den Kulissen, darunter im ehemaligen Jugoslawien und in Südafrika. Der zweimal für den Friedensnobelpreis Nominierte begleitet nicht Verhandlungen, Deals oder Gegengeschäfte, wie sie oft zwischen kriegsmüde gewordenen Parteien abgeschlossen werden. Anders als bei der klassischen Mediation wie etwa im Falle Bosniens in Dayton "geht es bei unserer Methode nicht um ein Abkommen, sondern um einen Prozeß", erläutert Weeks. Die Wurzeln eines Konflikts sollen bearbeitet werden. Laurie Nathan vom Zentrum für Konfliktlösung in Kapstadt assistiert: "Solange die Ursachen für einen gewaltsamen Konflikt vorhanden sind, werden auch die Symptome weiterbestehen." Nachsatz: "Da sie meist strukturell sind, werden wir sie wohl nicht so einfach oder rasch loswerden."

"Die wesentlichen Konfliktquellen der nächsten Zeit", prognostiziert Ibbo Mandaza, früher Minister, heute SAPES-Analyst, gleich zu Seminarbeginn, "heißen Wasser, Wanderbewegungen und Land." In Südafrika ziehen Arbeitslose auf der Suche nach Beschäftigung durchs Land, Demonstranten protestieren gegen "zu viele Ausländer".

Bis zum Seminarende machen die Teilnehmer noch weitere Konflikt-Ursachen aus: autoritäre oder minderheitenfeindliche Regimes, strukturellen Militarismus, schwache Staaten und ethnische Fragen.

"Wir sollten Konflikte nicht verhindern", läßt Dudley Weeks dann aufhorchen, "die kommen von Unterschieden." Und diese könnten bereichern. Nicht Meinungsverschiedenheiten unterdrücken sei die Devise, sondern die Beziehung der Parteien zueinander verbessern. So gilt es etwa, bei Konflikten kleine konkrete Schritte zu finden, von denen beide Seiten profitieren.

Mit Weeks' mehrstufigem Konfliktlösungsmodell werden die anwesenden Militärs, Diplomaten und Experten nun in Rollenspiele geschickt. Jeder Teilnehmer erhält die Extremposition "seiner" Partei, ohne die Weltsicht seines Gegenübers im Detail zu kennen. Ein Dritter spielt den Vermittler. Nach getrennten Treffen mit den Streitgegnern sollen im ersten gemeinsamen Gespräch kleine und machbare Schritte im Interesse beider für eine bessere Atmosphäre sorgen. Dahinter steht die Erfahrung, daß auch Konfliktparteien gemeinsame Bedürfnisse haben. Stillt man diese zuerst, verliert keiner das Gesicht. Keine Seite muß faule Kompromisse schließen. Klappt die erste Annäherung, haben beide Parteien wieder ein bißchen mehr gemeinsam, um darauf aufzubauen, so Weeks' Ansatz.

Wenige Tage üben die Afrikaner in Kadoma in Rollenspielen den Frieden, da ziehen sechs Staaten in den Krieg um die ressourcenreiche Demokratische Republik Kongo, ein erst kürzlich - für manche zu rasch - aufgenommenes SADC-Mitglied. Die Teilnehmer sind tief betroffen von der Entwicklung. Ihre Länder sind es auch, steht doch die SADC vor der größten Zerreißprobe ihrer jungen Geschichte. Während etwa Südafrika nicht militärisch eingreift, hat Simbabwe längst Militärberater entsandt, Truppen folgen.

Der Krieg belastet die Stimmung beim Seminar. Zwar wurden die Teilnehmer als Privatpersonen, also nicht als Vertreter von Gruppen oder Staaten eingeladen. Aber das auseinanderzuhalten, fällt beim potentiell größten Krieg in Afrika seit langem offenbar schwer. Mit Uganda, Angola, Namibia und Simbabwe sind in Kadoma beide Seiten des Konflikts vertreten. "In verschiedenen Punkten", räumt auch Seminarleiter Truger ein, "ist die Atmosphäre gespannt."

Safari-Tourismus verbindet Dann doch noch eine freudige Überraschung: Eine Arbeitsgruppe präsentiert eine Lösungsidee für einen kleineren Konflikt. Wieder einmal geht es um Wasser und fruchtbares Land. In Namibia werden Pläne für einen Staudamm am Okawango geschmiedet, sehr zum Mißfallen Botswanas, das am Unterlauf dieses Stromes liegt. Zudem schwelt in der selben Region, dem wildtierreichen Caprivi, ein Konflikt um die Kasikili-Inseln. Seit einigen Monaten erheben beide Länder Anspruch auf die für Weidezwecke begehrten Sumpfinseln. Offenbar haben die Kolonialmächte den Grenzverlauf mißverständlich formuliert.

Den Weg aus dem Konfliktsumpf könnte der von Vertretern beider Länder in Kadoma vorgestellte grenzüberschreitende Naturpark weisen. Neben Tierweiden könnte Safari-Tourismus der örtlichen Bevölkerung Einnahmen bringen, so der für alle nutzbringende Vorschlag. Eine nichtstaatliche Organisation mit einschlägiger Erfahrung sollte die Idee im Detail ausarbeiten und an die Regierungen herantragen. Tosender Applaus von den anderen Teilnehmern.

In der Kaffeepause macht eine Frage die Runde: "Wie ist die Idee entstanden?" "Nach der Zusammenarbeit in der Kleingruppe", so die Antwort, "haben wir beschlossen, uns einmal zu zweit zu treffen. Die zweieinhalb Stunden Mittagspause kamen da gerade recht." Fazit: Das Konzept mit den bewußt langen Pausen hat sich bewährt.

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