"Von Mensch zu Mensch"

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170 Jahre Schelhammer & Schattera - eine Privatbank im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Ethik.

I. Das rechte Augenmass

Als der Kaufmann C. M. Perisutti im Jahr 1832 in Wien im "Haus zur alten Mehlgrube", heute Kärntnerstraße 20, ein privates Bankhaus eröffnete, stand Europa vor großen Veränderungen. Die Französische Revolution und die Napoleonischen Kriege hatten die geistigen und sozialen Fundamente erschüttert. Der Wiener Kongress hatte sich der schwierigen Aufgabe eines europäischen Neuaufbaues und der Vorbereitung eines dauerhaften Friedens unterzogen.

Zu dieser Zeit wohnten in Wien rund eine Viertel Million Menschen unterschiedlichster Nationen, davon 50.000 innerhalb der Stadtmauern. Die soziale Situation gestaltete sich zunehmend kritisch, Teuerung als Folge der Kriegsjahre, Industrialisierung und Technisierung schufen heruntergekommene Arbeiterexistenzen. Im Gegensatz zu den "aufklärerischen" Ideen Josephs II. wies der Staat des Vormärz jedes Ansinnen an ein Überdenken der Situation, das annähernd etwas mit "Reform" zu tun hatte, weit von sich.

Eine sparsame Finanzverwaltung hatte unter Maria Theresia den Staatshaushalt vor einer Überforderung bewahrt. Erst mit Joseph II. "hielt das chronische Defizit seinen Einzug in Österreich". Das fehlende Geld beschaffte man durch immer neue Emissionen von immer wertloseren Bancozetteln. Das Vertrauen in die Staatsfinanzen schwand. Neben den großen Bankhäusern der Arnsteins, Eskeles usw. agierte eine kleinere Anzahl mittlerer Bankiers, zu welchen auch Perisutti gehörte. Die Beständigkeit der Wiener Bankhäuser war gering, die Kapitalausstattung in der Regel schwach, Konkurse waren häufig.

Perisutti und sein Hauptkassier und Nachfolger Richard Ott wirtschafteten aber offenbar inmitten all dieser Spannungen dynamisch und klug: eben mit dem rechten Augenmaß. Partner waren Gewerbetreibende und vermögende Privatleute - ein Massenbankgeschäft im heutigen Sinn war unbekannt.

Die Schleifung der Basteien im Jahr 1857 veranlasste das Bankhaus Perisutti, seinen Standort auf den Stephansplatz Nr. 11 zu verlegen. Von da an sollte der gegenüberliegende Stephansdom die Entwicklung des Hauses nicht unwesentlich mitbestimmen. Die Eröffnung der Ringstraße am 1. Mai 1865 war das äußere Zeichen zunehmenden großbürgerlichen Wohlstandes, der in den folgenden zehn Jahren an die 200 neue Banken, dazu Versicherungs- und Aktiengesellschaften, getragen vom Fieber der Spekulation, entstehen ließ.

Das Weltausstellungsjahr 1873 (Rotunde, Riesenrad) ließ alle Börsenträume platzen: der Kurssturz der Papiere ließ Banken, Versicherungen, Industrien zusammenfallen wie Kartenhäuser. Von den in Wien ansässigen Banken überlebte nicht einmal ein Viertel. Die Bank am Stephansplatz war weitgehend verschont geblieben: Die Geschäftsleitung der Bank hatte sich vom allgemeinen Spekulationsfieber nicht anstecken lassen. Diese Leitlinie der Geschäftsphilosophie und -gebarung hat das Haus bis auf den heutigen Tag beibehalten.

II. Innovation - Sachkenntnis

Der Börsenkrach wurde zum Symbol des Endes des Liberalismus. Die Gesellschaft hatte das Vertrauen zu sich selbst verloren. Man suchte einen Schuldigen: Antikapitalismus und Antisemitismus fanden einen reichen Nährboden.

Im Jahr 1876 übergab Richard Ott, der das Bankhaus von C. M. Perisutti übernommen hatte, die Firma an Carl Schelhammer, einen langjährigen Beamten der Bank, der gemeinsam mit seinem Kompagnon Eduard Schattera die Leitung und auch das Eigentumsrecht übernahm. Die Bank am Stephansplatz nahm in der Folge eine - gemessen an der allgemein tristen Wirtschaftslage - zufriedenstellende Entwicklung.

Mit dem Eintritt von Johann Thomas Wancura als offenem Gesellschafter im Jahr 1902 begann eine Epoche des Aufschwungs und der Festigung des Ansehens der Bank. Unter J. Th. Wancura wurden auch die Pflichten der Angestellten der Bank in einem genauen Reglement festgehalten. An den damaligen Leitlinien - Treue, Redlichkeit, Verschwiegenheit, auch das Sich-Fernhalten von spekulativen Geschäften - hat sich bis heute nichts geändert.

In eben dieser Zeit wurde Schelhammer & Schattera auch zur größten Geschäftsstelle der 1913 in Österreich eingeführten Klassenlotterie und erfreute sich in weitesten Kreisen der Bevölkerung alsbald größter Beliebtheit.

Der Erste Weltkrieg beendete 1914 das breite Spektrum der an der Wiener Börse in den letzten Jahren davor notierten Obligationen und Aktien, die die Größe und Vielseitigkeit des Wirtschaftsraumes der Monarchie widergespiegelt hatten. In eben diesem Jahr wurde infolge der Ausweitung der Bankgeschäfte die Buchhaltung von den Kassenräumen getrennt und im Mezzanin des Hauses Goldschmiedgasse 10 untergebracht.

In der Zwischenkriegszeit hatte Schelhammer mit Komm.-Rat Wancura den richtigen Mann an der Spitze: Die wirtschaftlich schwierige Zeit erschütterte die Selbstsicherheit der Menschen. Die 1922 zum Stillstand gekommene Inflation mündete mit Dezember 1924 in die Einführung der Schillingwährung, verbunden mit einem harten Sanierungsprozess, der von einem Bankensterben begleitet war: Von den 66 Aktienbanken überlebten nur 36 das Jahresende 1924. Der Börsenkrach des Jahres 1929, eine Folge der weltweiten Wirtschaftskrise, ließ auch das Bankhaus Schelhammer nicht unberührt; allein - seine Schalter blieben offen und kein Mitarbeiter musste gekündigt werden.

Der große Aufschwung, den Schelhammer & Schattera in den 50 Jahren des Wirkens von J. Th. Wancura genommen hatte, war zu einem großen Teil dessen persönliches Verdienst. 1934 erhielt die im Handel mit Noten, Schecks und Kreditbriefen erfahrene Bank die Konzession, Wechselstuben in ganz Österreich zu betreiben.

III. Sentire cum Ecclesia

Nach dem Tod von Wancura im Jahr 1939 übernahm sein engster Mitarbeiter, Oskar Kühn, die Geschäftsführung. Es folgten die Kriegsjahre, der Zusammenbruch und der mühevolle Aufbau. In den letzten Tages der großen Krieges, in der Nacht vom 11. auf den 12. April 1945, fing das Gerüst auf dem unausgebauten Turm des Stephansdoms durch Funkenflug von den Häusern gegenüber der Westfassade Feuer, welches sich alsbald am ganzen Dach ausbreitete. Am Morgen des 13. April waren das Domdach und die Häuser am Stephansplatz vernichtet. Das Bankhaus war gemeinsam mit dem Dom, dem Symbol seines Firmenzeichens, niedergebrannt. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte stand die Bank vor dem Nichts. Nur die feuerfesten eisernen Panzerkassen waren, unter Schutthalden vergraben, verschont geblieben.

Und trotzdem: Zu den ersten Aktivitäten des Bankhauses Schelhammer & Schattera nach Kriegsende gehörte die Bestrebung, Geldmittel für den Wiederaufbau des Stephansdoms zu mobilisieren. Die ersten Wiederaufbaulose wurden schon 1945 ausgegeben. Trotz der großen Not zeichnete ganz Wien diese Lose. Die Treffer wurden in den neuen, provisorisch eingerichteten Räumen des Bankhauses in der Goldschmiedgasse 10 ausbezahlt. Durch diese Wiederaufbaulotterie mobilisierte das Bankhaus Millionen für den Wiederaufbau des Stephansdoms. 1952 zog die Pummerin im Triumph nach Wien. 1954 erwarb die Bank neue Räume im Haus Goldschmiedgasse 3 - die Adresse des Hauses bis heute.

Der Krieg hatte nicht nur den Dom, sondern an die 150 Kirchen im Bereich der Erzdiözese mittel bis schwer zerstört und die Kirche damit vor Aufgaben gestellt, deren Lösung mit den zur Verfügung stehenden laufenden Einnahmen nicht erfolgen konnte. Der Finanzbedarf der katholischen Kirche belief sich schätzungsweise auf 300 Millionen Schilling. In dieser Situation entwickelte der Leiter des Steuerreferates der österreichischen Bischofskonferenz Komm.-Rat Klein in engem Kontakt mit Erzbischof Dr. Franz Jachym den Gedanken einer am Kapitalmarkt aufzulegenden österreichischen Anleihe. Schelhammer stellte sich hier ganz in den Dienst der Kirche und übernahm die Betreuung der Kirchenanleihen, die sich als neues Finanzierungsinstrument für Vorhaben der katholischen Kirche bewährten. Und so konnten mit der Schaffung der Kirchlichen Aufbauanleihen, der Gründung der "Aktiengesellschaft zur Förderung von wirtschaftlichen Unternehmungen und Bauvorhaben" im Dezember 1955, deren Aktionäre alle österreichischen Diözesen und eine Reihe von Stiften waren, in den Jahren 1956 bis 1976 insgesamt 1.996 Milliarden Schilling für Kindergärten und Schulen, Pädagogische Akademien, Seelsorgeeinrichtungen, Krankenhäuser, karitative Einrichtungen sowie Wohnungsbauten verwendet werden. Diese Kirchenanleihe wurde zu einem Stück Zeitgeschichte.

IV. Weitsicht mit Augenmass

Mit DI Josef Melchart als geschäftsführendem und prozentuell voll haftendem Gesellschafter begann im Jahr 1959 eine neue Ära, in der die Bank den Erfordernissen der Zeit angepasst und in der bereits bewährten vorsichtig-konservativen Strategie neu organisiert wurde: Die patriarchalische Ordnung wurde abgelöst durch Teamarbeit. 1967 wurde die seit 1921 bestehende Hietzinger Filiale von Grund auf neu gestaltet. 1979 erhielt das Haus eine Konzession zur Ausgabe eigener Wertpapiere mit mittlerer Laufzeit; im Jahr 1988 wurde die "Bankhaus Schelhammer & Schattera Kapitalanlage GmbH" gegründet (in deren Aufsichtsrat im übrigen, wohl einzigartig, eine Klosterfrau sitzt); maßgeblich für diese Gründung war der Wunsch der Ordensgemeinschaften Österreichs nach geeigneten Investmentfonds zur Sicherung der Altersversorgung von Ordensangehörigen. 1990 erfolgte im Hinblick auf die sich ständig ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen die Umwandlung der Rechtsform des Bankhauses von einer Personen- in eine Aktiengesellschaft - mit der Folge der Fusion der "Förderungs-AG" mit dem Bankhaus 1995.

Der Führungsstil des Bankhauses zu dieser Zeit ist durch Mitbestimmung und Mitverantwortung gekennzeichnet. Die rund 80 Mitarbeiter identifizieren sich mit dem Unternehmen. Die Arbeit in der Bank wird im Sinne der christlichen Soziallehre, als Mittel zur persönlichen Entfaltung definiert. Verantwortungsbewusste Mitarbeiter werden als größtes Kapital erkannt. Persönliche Beratung zählt zum Wertvollsten, was die Bank ihren Kunden bieten kann. Der Tradition folgend, hält sich Schelhammer auch jetzt von spekulativen Geschäften fern.

V. Menschlichkeit & Tradition

Wie in seiner ganzen 170jährigen Geschichte lässt sich die Geschäftspolitik des Bankhauses auch heute mit Begriffen wie Augenmaß, Sachkenntnis, Rücksicht, Weitblick, Menschlichkeit und Tradition umschreiben.

Heute ist "Ethik" in aller Munde. Ethikbeiräte wachen über Gebarung und gutes Gewissen bei der Kapitalanlage und versuchen so, das menschliche Defizit unserer oft kalt gewordenen und allein gewinnorientierten Gesellschaft auszugleichen. Auch Wiens älteste Privatbank besitzt seit kurzem einen solchen Beirat für den Investmentfonds "Superior 3". Die seit 1988 bestehende Kapitalanlagesellschaft hat seit 1989 bereits vier Publikumsfonds aufgelegt, die den Kunden der Bank und vor allem den kirchlichen Institutionen einfach zu handhabende und ertragreiche Veranlagungsmöglichkeiten bieten. Diese tragen die Bezeichnung "Superior", was wohl den Bezug zu den Ordensoberen andeutet, die in Gestalt der Superiorenkonferenz mit 30 Prozent an der Gesellschaft beteiligt sind. Alle Fonds vermeiden unethische Elemente, der Fonds "Superior 3" berücksichtigt insbesondere soziale, ökologische und ethische Kriterien bei der Anlage: umweltfreundliche Technologien, nachhaltiges Wirtschaften unter sozial gerechten Bedingungen sowie fairen Handel mit der Dritten Welt.

Abschließend ist zu fragen: Wie gestaltet sich das Selbstverständnis einer vergleichsweise kleinen Bank angesichts der Fusionen der Bankriesen? Ich würde so antworten: Infolge überschaubarer Strukturen und vorsichtiger, konservativer Strategie, mittels welcher eine ruhige, kontinuierliche Ausweitung möglich war, in einem familiären Betriebsklima, das die Fluktuation der Mitarbeiter gering hält und dadurch auch langjährige persönliche Kundenbetreuung ermöglicht, ist Schelhammer heute in der Lage, ein Spezialservice zu bieten; ein Spezialservice sozusagen von Mensch zu Mensch, wie dies im Zeitalter der Bankriesen nicht jeder bieten kann.

Die Autorin ist Leiterin des Diözesanarchivs der Erzdiözese Wien.

Der Text ist die stark gekürzte Fassung des Festvortrags, der im Rahmen einer Kundenveranstaltung der Bank aus Anlass des 170-Jahr-Jubiläums am 22. Oktober 2002 gehalten wurde.

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