"Vorurteile der Mehrheitsbevölkerung abbauen“

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Frustrierend für den Einzelnen und schädlich für die Wirtschaft sei es, dass Zuwanderer mangels Anerkennung unter ihrer Qualifikation arbeiten. Sebastian Kurz will das ändern.

Vom Boulevard wie von Qualitätsmedien wurde er gleichermaßen harsch begrüßt. Mittlerweile gestehen Sebastian Kurz viele Kritiker zu, sich besser zu halten, als sie es erwartet hätten.

Die Furche: Ihr Jus-Studium ruht, seit Sie zum Staatssekretär bestellt wurden. Können Sie sich vorstellen, irgendwann nochmals "nur“ Student zu sein?

Sebastian Kurz: Das Jus-Studium werde ich noch abschließen, es fehlen vier Prüfungen. In den ersten Wochen meiner neuen Tätigkeit haben einige versucht, mich als noblen Hietzinger Bummelstudenten darzustellen, der ein lockeres Leben hatte. Meine Realität sah aber anders aus. Ich bin in Meidling aufgewachsen und war seit dem Bundesheer immer berufstätig und politisch engagiert. Ich habe nebenbei studiert und kenne diese Mehrfachbelastung. Im Moment bin ich eben so sehr mit Aufgaben eingedeckt, dass ich die Prüfungen nicht machen und das Studium noch nicht abschließen kann.

Die Furche: Als ein erstes großes Integrationsthema haben Sie die Anerkennung ausländischer Bildungsgrade und Berufsabschlüsse in Angriff genommen. Um welche Probleme geht es dabei?

Kurz: Es gibt in Österreich viele Menschen mit Migrationshintergrund, die in einem Bereich arbeiten, der bei Weitem nicht ihren Qualifikationen entspricht. Das ist frustrierend für die Einzelperson und es schadet der gesamten Volkswirtschaft. Ich glaube aber, dass Integration über Leistung funktioniert. Wenn man persönlich etwas weiterbringt, dann lohnt sich das einerseits monetär. Es birgt jedoch vor allem die Möglichkeit, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu leben. Wir wollen diese Menschen dazu bringen, sich etwas zuzutrauen. Und wir wollen bei der sogenannten Mehrheitsbevölkerung Vorurteile abbauen. Das heißt natürlich auch, dass Migranten Deutsch lernen, weil das meist die Voraussetzung ist, um am Arbeitsmarkt unterzukommen.

Die Furche: Die Wirtschaft klagt seit Jahren über einen Facharbeitermangel, der durch Zuwanderung kompensiert werden müsse. Warum ist es so schwer, bereits zugewanderte Fachkräfte als solche anzuerkennen?

Kurz: Oft herrscht bei den Betroffenen Unwissenheit darüber, an welche Behörden man sich wenden kann. Aber natürlich ist das System der Anerkennung ein kompliziertes und langsames, in dem oft eine Stelle an die andere weitervermittelt, anstatt das Ganze gleich anzupacken. Da müssen wir jedenfalls für Vereinfachungen sorgen.

Die Furche: Es soll also keine afrikanische Ingenieurin mehr als Putzfrau arbeiten müssen, weil ihre Diplome nicht anerkannt sind. Bis wann wird das System reformiert?

Kurz: Es wäre fahrlässig, einen Zeitplan zu nennen, weil das eine totale Querschnittsmaterie ist. Es gibt viele Bereiche, in deren Zuständigkeit das fällt - von unterschiedlichen Ministerien über die Hochschulen bis in die Wirtschaftskammer. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle hat bereits eine Zusage gemacht und versichert, dass er das angeht. Gesprächstermine gibt es bereits mit allen Verantwortlichen in diesen Bereichen. Es wird an ihnen liegen, wie groß die Bereitschaft ist und wie schnell es geht.

Die Furche: Wo liegen die problematischen Brennpunkte der Integration in Österreich? Denken Sie da an bestimmte Bezirke Wiens?

Kurz: Nein, das ist nicht allein ein Wiener Problem. Es gibt in allen Bundesländern solche Hotspots. Aufgrund der Bevölkerungsdichte ist es natürlich vor allem ein Problem in größeren Städten. In den Köpfen der Menschen ist das Thema aber überall vorhanden. Auch in Gemeinden, in denen es de facto keine Integrationsprobleme gibt, wird darüber debattiert. Insofern kann man meinen Wirkungsbereich nicht einschränken. Ich bin viel unterwegs und mindestens zwei Tage pro Woche in den Bundesländern. Vor Ort zu sein ist wichtig, denn Integrationsarbeit findet vor allem lokal statt. Wichtig ist, dass es keine abgeschotteten Viertel gibt. Wir brauchen keine Parallelgesellschaften, sondern ein Miteinander in der Gesellschaft.

Die Furche: Sie haben mehrfach Kritik an der Politik von Heinz-Christian Strache geübt. Gleichzeitig betonen Sie, dass man die FPÖ nicht ausgrenzen dürfe. Eine schwarz-blaue Koalition ist mit Ihnen also nicht ausgeschlossen?

Kurz: Ausgrenzung ist nie eine Lösung, schon gar nicht in einer Demokratie. Aber wir haben derzeit eine gut funktionierende Regierung, und da stellt sich für mich keine Koalitionsfrage. Grundsätzlich bin ich für die Allianz der positiven Kräfte. Mit Hetze ist das Integrationsproblem nicht zu lösen. Aber auch nicht mit Träumereien.

Die Furche: Sie haben auch klargestellt, dass Sie nicht für das Asylthema zuständig sind. Allerdings leben viele Asylwerber oft jahrelang in Österreich - sollten die nicht in Ihre Konzepte eingebunden werden?

Kurz: Wichtiger ist, dass es rasche Verfahren gibt und sich die Frage des legalen Aufenthalts nicht über so eine lange Zeit zieht.

Die Furche: Ihr erster Staatsbesuch führte Sie im Mai nach Serbien. Warum?

Kurz: Serbien ist das Herkunftsland vieler Menschen, die in Österreich eine neue Heimat gefunden haben. Ich möchte die Partnerschaft mit allen Ländern, aus denen große Zuwandererströme kamen und kommen, vertiefen. So steht im Juli eine Reise nach Bosnien an und auch die Türkei ist bereits eingeplant. In Serbien gab es eine positive Botschaft des Vizepremiers an die Serben in Österreich, Deutsch zu lernen und der neuen Heimat gegenüber loyal zu sein. Das sind Aufrufe, für die ich dankbar bin.

Die Furche: Im Herbst wollen Sie Beispiele für gelungene Integration präsentieren. Das wurde im Boulevard gleich als die Suche nach dem "Süpermigrant“ präsentiert ...

Kurz: Ich nehme zur Kenntnis, dass Einzelne das bewusst schlecht machen. Aber wir wollen den Scheinwerfer von den negativen hin zu den positiven Beispielen lenken. Auf zugewanderte Menschen, die ein Unternehmen gegründet haben, erfolgreich eine Lehre absolvierten oder als Polizisten arbeiten. Wir wollen den Menschen zeigen, dass diese Wege in Österreich möglich sind.

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