Umfragen können mühsam sein. Nicht auszudenken, hätte sich die Regierung bei Themen wie Pensionsreform, Einführung von Studiengebühren oder Standort der neuen "Elite-Uni" an Volkes Stimme ausgerichtet. Statt demoskopisch Kamikaze zu begehen, hat man sich lieber autonom entschieden - für mehr oder minder nachvollziehbare Lösungen.
Eine Umfrage kann aber auch ein Geschenk des Himmels sein - wie jene von Fessel-GfK, auf die Bildungsministerin Elisabeth Gehrer in ihrer Schulschluss-Pressekonferenz verwies: Demnach sind 90 Prozent mit den Schulen "(sehr) zufrieden"; 73 Prozent sprechen sich für "das bisherige differenzierte Schulwesen" - in Abgrenzung zur "Gesamtschule" - aus.
So korrekt diese Ergebnisse sein mögen: Sich angesichts der Wiener Situation, wo bis zu 70 Prozent die "De-facto-Gesamtschule" Gymnasium besuchen und an Hauptschulen oft über 80 Prozent der Schüler aus Migrantenfamilien stammen, auf die Zufriedenheit der österreichischen Mehrheit zu berufen, ist zynisch.
Fast verantwortungslos ist es, mit der Warnung vor der "Eintopfschule" Stimmung gegen ein Konzept zu machen, das niemand mehr vertritt. Worum es geht, ist vielmehr ein gemeinsamer Unterricht aller Sechs-bis 14-Jährigen mit individueller Förderung. Dass dies zumindest in der Bundeshauptstadt sinnvoll ist, haben Gehrers Wiener Parteifreunde längst erkannt: Sie fordern gemeinsame "Bildungszentren" - und sogar die gleichmäßige Verteilung von Zuwandererkindern per Schulbus.
Wenn diese Ideen auch umstritten sind, so zeugen sie doch von der Wahrnehmung der Probleme. Im Bildungsministerium begnügt man sich indes damit, auf die "Vox Populi" zu verweisen - und auf eine Arbeitsgruppe, die sich ab Herbst endlich Fragen der Schulorganisation widmen soll. Alle Umfragen in Ehren: Aber verantwortungsvolle Bildungspolitik sieht anders aus.
doris.helmberger@furche.at
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