Wählen? Du entscheidest!

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Nur in Indien dürften noch mehr Menschen an freien und demokratischen Wahlen teilnehmen als bei den Europawahlen. 375 Millionen Europäerinnen und Europäer entscheiden am 7. Juni, wen sie für die nächsten fünf Jahre ins Europaparlament nach Brüssel bzw. Straßburg schicken. Erstmals hat das EU-Parlament zu dieser Europawahl eine gemeinsame Kampagne für alle Mitgliedstaaten gestartet. Die Plakate stehen unter dem Motto "Europawahl - deine Entscheidung" und sollen den Bürgern demonstrieren, was bei dieser Wahl auf dem Spiel steht, wie Parlamentsvizepräsident Alejo Vidal-Quadras kürzlich bei der Präsentation der 18 Millionen Euro teuren Kampagne in Brüssel erklärte: "Die einzige Botschaft der Kampagne ist die, eine Wahl zu haben!"

"Du entscheidest, wie die EU aussieht!"

Wolfgang Hiller, Leiter des Informationsbüros des Europäischen Parlaments in Wien, ergänzt im Gespräch mit der FURCHE: "Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln, dass es nicht egal ist, wer im EU-Parlament sitzt., Du entscheidest!' lautet unser Slogan: Du entscheidest, wie die EU morgen aussieht! Du entscheidest, welche Nachrichten wir morgen hören!"

Hillers Hauptanliegen so wie das seiner Kollegen in allen EU-Hauptstädten, ist eine Steigerung der Wahlbeteiligung. Bei der letzten Europawahl 2004 wurden EU-weit nur 45,5 Prozent erreicht. Gut 42 Prozent der stimmberechtigten Österreicher gingen zur Wahl. Zum Vergleich: In der größten Demokratie der Welt wählten 2004 rund 58 Prozent der über 670 Millionen indischen Wähler - und das trotz einer Analphabetenrate von immer noch rund 40 Prozent in Indien. In den USA lag die Wahlbeteiligung bei der Obama-Wahl im November 2008 beim Rekordwert von 66,6 Prozent. An den Wahlen zuvor beteiligten sich durchschnittlich 50 bis 55 Prozent der Stimmberechtigten.

Als Grund für das geringe Interesse an den Europawahlen sieht Hiller, dass "vielen nicht klar ist, wie viel bereits auf europäischer Ebene entschieden wird". Und noch weniger im öffentlichen Bewusstsein verankert ist die Tatsache, dass das EU-Parlament zu zwei Dritteln mitentscheidet - bislang. Denn mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags wird das Parlament noch wichtiger, sagt Hiller: "Deshalb ist es gerade jetzt so wichtig, zur Wahl zu gehen."

Zum Konzept der Werbekampagne für die Wahlen gehören Plakate mit Bildern alltäglicher Gegenstände, die politische Richtungsentscheidungen symbolisieren. Für Österreich hat man sich auf vier zentrale Themen konzentriert: Verbraucherschutz (siehe Bild), Energie/Verkehr/Klima, der Gegensatz zwischen Bürgerfreiheit und Sicherheit und die Frage nach sinnvollen Zukunftsinvestitionen. Ergänzt werden die Plakate durch dreidimensionale Großinstallationen, Radio- und Fernsehspots sowie interaktive "Eurostudios". In diesen, einem Foto-Automaten vergleichbaren Boxen können Bürger Video-Botschaften an die EU-Abgeordneten aufnehmen, die man dann auf Großbildschirmen vor dem EU-Parlament und der EU-Kommission ausstrahlt.

Entscheidend für die Wahlbeteiligung ist aber letztlich die Attraktivität der Kandidaten. Hiller bestätigt: "Je bunter und bekannter die Kandidaten, desto bekannter ist auch das Europaparlament - und desto besser für die Wahl." Doch der EU-Beamte macht eine Einschränkung: "Das Europaparlament ist ein Arbeitsparlament, mit lauter bunten Paradiesvögeln bringt man dort auch nichts Sinnvolles weiter."

Die heftige Diskussion um die neuerliche Kandidatur des Grünen EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber sieht Hiller in diesem Zusammenhang durchwegs positiv: "Solange die Diskussion nicht abstoßend wird, bin ich immer froh, wenn unser Parlament ein Thema ist."

Voggenhuber hat sich vor allem mit seinem Einsatz im EU-Verfassungsprozess einen Namen gemacht. Als einen Erfolg des EU-Parlaments in der letzten Legislaturperiode, der auch bei der Bevölkerung gut angekommen ist, nennt Hiller die Abschaffung der teuren Roaming-Gebühren beim Handytelefonieren. Und das gegen den Widerstand der Nationalstaaten, die dabei "als Bremser" aufgetreten sind. So wie bei der Budgetaufstockung für die EU-Studentenaustauschprogramme. Und auch der Untersuchungsausschuss im Europaparlament zu den CIA-Aktivitäten in Europa habe einige Mitgliedsländer nicht sehr begeistert. Die Dienstleistungsrichtlinie und die Chemikalien-Richtlinie hält Hiller darüber hinaus für die bedeutendsten Meilensteine des EU-Parlaments in jüngerer Zeit.

Die Glühbirnen-Debatte der letzten Wochen kommentiert der EU-Parlamentsvertreter in Wien knapp: "Mich wundert sehr, dass die österreichischen nationalen Politiker, die an dieser Entscheidung beteiligt waren, sich jetzt nicht hinstellen und ihre Haltung verteidigen." Stattdessen werde wieder der Brüssel der schwarze Peter zugeschoben. Aber Protestwähler steigern ja auch die Wahlbeteiligung - und um die geht's doch!

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