Wahl in der Zeit der Krise

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Die Krise überschattet den Wahlkampf in Oberösterreich. Nirgendwo sonst hat sich die Zahl der Arbeitslosen so schnell erhöht. Lokalaugenschein bei Unternehmen und Wahlkämpfern.

Die Krise begann langsam“, sagt Alfred Hofstetter. Wie eine Krankheit habe sich der Krisenvirus eingeschlichen, sich immer weiter ausgebreitet und die Wirtschaft zum Dauerpatienten gemacht, der mit immer neuen Geldinfusionen am Leben erhalten werden muss. Die Fieberschübe des Kranken haben auch Alfred Hofstetters Unternehmen in den Abgrund gerissen. Freundlich sitzt der Vierzigjährige im Besprechungsraum, während er erzählt, wie seine Firma in den Konkurs getrieben wurde. Ruhig liegen seine großen Hände auf dem Tisch. Nur an den hie und da zuckenden Mundwinkeln lässt sich erahnen, wie es jetzt in ihm brodelt. Hofstetter ist Karosseriebauer. Sein Familienbetrieb ist ein Spezialist für Karosserieaufbauten: „Wir sind ein Nischenproduzent und haben für unsere Kunden maßgeschneiderte Lösungen geliefert.“ In der Fertigungshalle gleich neben dem Hörschinger Flughafen wurden Kastenaufbauten für den Möbel- und Kleidertransport, für Lebensmitteltransporte und für Paketdienste hergestellt. Die Qualität stimmte, das Geschäft ging gut. Bis zum vergangenen Herbst.

„Seit November sind die Aufträge stetig zurückgegangen. Vom früheren Auftragsvolumen ist schließlich nur ein Zehntel übrig geblieben“, berichtet Hofstetter. Die Banken setzten dem Negativtrend die Krone auf: „Seit dem Herbst sind die Geldinstitute extrem restriktiv bei der Kreditvergabe. Sie verlassen sich nur auf ihre Ratings. An den Projekten der Kunden haben sie kein Interesse.“ Vertrauen gebe es in der Wirtschaft so gut wie keines mehr. „Früher war das noch ganz anders. Da brauchte man keine Verträge und kein Rating. Es genügte ein Handschlag. Bezahlt wurde trotzdem.“

Kaum noch Aufträge

Die Auswirkungen der Krise bekam Hofstetter von mehreren Seiten zu spüren. Die Kunden fuhren die Aufträge zurück, weil ihnen Kreditzusagen gestrichen wurden. Für die wenigen Aufträge, die ihm noch geblieben waren, musste er die Materialkosten vorfinanzieren, weil seine Lieferanten nichts mehr vorstrecken. „Bei einem Materialkostenanteil von 70 Prozent ist das ein Ding der Unmöglichkeit.“ Jetzt stapeln sich in der Halle die Aluminiumplatten und -schienen, stehen unfertige Aufbauten auf dem Parkplatz herum. Die Auftragsfertigung ist geschlossen, seit das Unternehmen im Juli Konkurs angemeldet hat. Ein Masseverwalter hat jetzt das Sagen. 20 Beschäftigte verloren ihren Job. Hofstetter wartet auf die Prognose, ob die Firma überhaupt weitergeführt werden kann.

Szenen aus Oberösterreich im September. Das Vorzeigebundesland hat mit dem höchsten Anstieg der Arbeitslosenrate bundesweit zu kämpfen, es gibt 46 Prozent mehr Arbeitslose als im Vorjahr. Mitten in der Abwärtsbewegung sollen die Oberösterreicher am 27. September den Landtag und den Landeshauptmann wählen. Die Ängste der Bevölkerung hatten die Strategen der Parteien im Kopf, als sie die Botschaften für den Wahlkampf entwarfen. Das wird bei der direkten Konfrontation zwischen Landeshauptmann Josef Pühringer und seinem Herausforderer Erich Haider deutlich. In der Messehalle in Ried im Innkreis liefern sich die beiden bei einer Diskussion zwei Stunden einen harten Kampf.

Die Wahlkämpfer

„Wir haben trotz Krise die niedrigsten Arbeitslosenraten in Österreich. Und wir haben Rücklagen, die wir jetzt in der Krise investieren können, um Arbeitsplätze zu schaffen“, beruhigt der Landeshauptmann. Für seinen Herausforderer von der SPÖ ist das nicht genug: „Wir müssen den Menschen Sicherheit geben“, fordert Haider. Mehrfach betont Pühringer, dass schwierige Zeiten gemeinsames Handeln erfordern. Und er verweist auf die Haftungen und Kredite, mit denen in der Krise gefährdeten Klein- und Mittelbetrieben unter die Arme gegriffen werde.

Der Kleinunternehmer Alfred Hofstetter verspricht sich davon nichts: „Die Kreditbürgschaften des Landen nützen den Betrieben kaum. Da wartet auf den Antragsteller nur ein endlos langes Verfahren.“ Und wer sich den Spießrutenlauf durch die Ämter antue, stehe am Ende mit leeren Händen da: „Wenn die Bilanz nur ein paar Euro Verlust ausweist, kriegt man nichts.“ Wenn die Politik helfen wolle, dann müsse sie bei den Banken ansetzen: „Die müssen wieder eine Pufferfunktion übernehmen. Statt auf den Finanzmärkten zu spekulieren, sollen sie sich wieder auf ihr Kerngeschäft besinnen – Kredite für Gewerbe und produzierende Wirtschaft bereitstellen. Nur dort entsteht nachhaltiger Wohlstand.“

Vorbei ist es mit dem Boom in der ganzen Region Braunau. Dort hatte es bereits in den frühen neunziger Jahren einen schweren Einbruch gegeben, als der Leitbetrieb des Bezirkes, der Aluminiumriese AMAG, damals noch eines der Flaggschiffe der verstaatlichen Industrie, immer tiefer in die roten Zahlen rutschte. 1996 wurde das schwer verschuldete Unternehmen privatisiert und den neuen Eigentümern um den Preis von einem Schilling überlassen. Die Autoindustrie brachte wieder Hoffnung. Von der Konjunktur profitierten auch die Zulieferbetriebe in Braunau. Jedes Jahr vergrößerten die Unternehmen ihre Kapazitäten. Der Motorradhersteller KTM wagte sich, motiviert vom Boom in der KFZ-Branche, an etwas ganz Neues heran. Für zahlungskräftige Motorenthusiasten wurde ein straßentauglicher Rennwagen entwickelt. Im Sommer 2009 wurde die Produktion des X-BOW gestoppt.

Da war der Auto-Boom schon wie ein Kartenhaus zusammengebrochen. Die Fixierung auf die KFZ-Branche, einst der Motor für den Aufschwung, beschleunigte jetzt den Abstieg. Jetzt wurden allerorts Kapazitäten zusammengestrichen und Zukunftsprojekte auf Eis gelegt. Wie es tatsächlich um die Region steht, verdeutlicht der Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Im Grenzbezirk hat sich die Zahl der Arbeitslosen seit dem vergangenen Jahr verdoppelt. „Im August lag die Arbeitslosenquote im Bezirk bei 7,1 Prozent“, sagt Marianne Hagenhofer, Leiterin des AMS Braunau.

Der Schock der Krise war für die Unternehmen auch eine willkommene Gelegenheit, ältere, teurere Arbeitnehmer loszuwerden. Doch auch wer im Betrieb bleiben darf, bekommt die Auswirkungen der Krise zu spüren. Offen wagt freilich niemand darüber zu sprechen. Einer, dem sich manche anvertrauen, ist Karl-Heinz Hellinger. Der Betriebsseelsorger ist Mobbing-Beauftragter der Diözese Linz. In seinem Büro in einem idyllischen Vorstadthaus beschreibt der 50-Jährige, wie sich in Zeiten der Krise Misstrauen und Angst in den Betrieben breitmachen. Besonders übel sei es einem leitenden Mitarbeiter ergangen, der im Jänner aufgrund von Auftragseinbrüchen das Kündigungsschreiben erhielt. Dann dufte er zwar bleiben, aber nur mehr eine untergeordnete Beschäftigung ausführen. „Während der Arbeit wurde er von einem Kollegen überwacht, der über seine Tätigkeit genau Buch führte. Der schrieb sogar auf, wann er zur Toilette ging. Nach zwei Monaten musste der Betroffene vom Arzt krankgeschrieben werden.“

Oberösterreich im Wahlkampf. Auf den Plakaten schaut der Landeshauptmann zufrieden über ein grünes Land. Etwas mehr als eine Millionen Wähler werden am 27. September zeigen, ob auch sie so zufrieden sind, wie der Wahlfavorit Josef Pühringer.

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