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So genannte Wahlmänner wählen den amerikanischen Präsidenten. Das hat historische Gründe. Zum einen mochten die ersten Mitgliedsstaaten der Union keine zentrale Gewalt. Dann war das Land groß und unwegsam, ohne moderne Kommunikationsmöglichkeiten. Schon einen Wahlkampf zu führen gestaltete sich schwierig. Zudem meinten Philosophen wie Henry St. John Bolingbroke, politische Parteien wären des Teufels - und öffentliche Funktionen anzustreben wäre "ungentlemanlike".

Die Verfassungsväter sahen in direkten Wahlen keine wirkliche Alternative, denn im besten Fall würden Kandidaten großer Bundesstaaten bevorteilt, im schlimmsten aber bekäme keiner die absolute Mehrheit. So wurde diese Option verworfen. Die Entscheidung des "Weisenrates" war dann letztlich, den Präsidenten der Vereinigten Staaten von einem Wahlmännerkollegium wählen zu lassen. Heute besteht dieses aus 538 Mitgliedern, entsprechend der Größe des amerikanischen Kongresses. Jeder Staat hat zwei Senatoren und deshalb auch zwei fixe Wahlmännerstimmen. Da das Repräsentantenhaus 438 Mitglieder hat, ist dies die Zahl der restlichen Wahlmänner, die sich auf die einzelnen Bundesstaaten je nach Bevölkerungsgröße aufteilen.

Zum Wahlgewinn sind 270 Stimmen erforderlich (50 Prozent plus eine Stimme). Wer die absolute Mehrheit in einem Bundesstaat schafft, bekommt sämtliche Wahlmännerstimmen zugesprochen. Aber Stimmenmehrheit ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit Wahlgewinn, wie wir aus vergangener Erfahrung wissen. Dennoch will kaum jemand am gültigen Wahlsystem rütteln. Amerika brauche politische Stabilität, heißt es, und die Wahl zum Präsidenten erfordere eine geografisch weitgehend gleichmäßige Wahlunterstützung, die nur dieses System ermöglicht.

Würde heute gewählt, bekäme George Bush 213 Wahlmännerstimmen, John Kerry 175, bei 150 Stimmen ist ein Urteil verfrüht. Wenn letztere nach dem Schlüssel des Wahlergebnisses von 2000 zugeteilt würden, wäre Bush mit 278 Stimmen der Sieger. Vorausgesetzt, dass er sowohl in Florida (26 Elektorate) und Ohio (20 Elektorate) die Mehrheit schaffte.

Umgekehrt müsste Kerry nur in einem dieser beiden Staaten gewinnen (bei unveränderten Annahmen), um ins Weiße Haus einzuziehen. Folgt somit eine Neuauflage des Auszählungsdramas von 2000?

Der Autor lebt als Industriekonsulent in Washington D.C. und publiziert in amerikanischen und europäischen Print-Medien.

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