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Wahlschlager leistbares Wohnen

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Wohnen wird teurer. Das entdeckt die Politik für sich.

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Wohnen wird teurer. Das entdeckt die Politik für sich.

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Wohnen ist teuer in Österreich und besonders in Wien. Zwar nicht so teuer wie in anderen großen Städten. Es gibt auch keine Explosion der Wohnungspreise. Aber die Preise sind in den letzten drei Jahren deutlich gestiegen, und Wohnen ist teuer im Verhältnis zum Familieneinkommen. Besonders in der Phase, wenn das erste Kind kommt. Oder wenn ein Partner nach der Scheidung eine Wohnung sucht, deren Qualität dem Komfort entsprochen hat, als es zwei Einkommen gab.

Deswegen haben die Parteien jetzt das Wohnen als Wahlschlager entdeckt. Tatsächlich ist der geförderte Wohnbau heruntergefahren worden, weil die Bevölkerung geschrumpft ist. Besonders in Wien. Nun steigt die Bevölkerung wieder - das schlägt sich erst langsam im Neubau nieder. Warum langsam, steht auf einem anderen Blatt. Dass Wien nach einer Phase des Schrumpfens wieder unterwegs zu einer Zwei-Millionen-Stadt ist, ist seit mindestens einem Jahrzehnt bekannt.

Ökologische Exzellenz ins Kalkül

Da kommt nun das Schlagwort vom leistbaren Wohnen. Soll heißen, billigere Wohnungen und Verzicht auf Luxus und Größe. Das klingt gut, ist aber kritisch zu beurteilen. Entscheidend für die Geldtasche sind nicht alleine die Kosten der Anschaffung der Wohnung, sondern auch jene des Wohnens selbst. Das heißt: eine Wohnung, die in der Anschaffung wenig kostet, dann aber hohe Energiekosten hat, weil sie schlecht isoliert ist, stellt eigentlich eine Irreführung des Käufers dar. Und eine Heizung mit Öl, wenn auch Solarenergie möglich wäre, eine Zukunftsbelastung. Heute sollte ökologische Exzellenz im Kalkül dabei sein und Leistbarkeit Anschaffungspreis plus Energiekosten berücksichtigen.

Dann kommt das Argument der Finanzierung. Viele wohnen heute in einer Gemeindewohnung oder beziehen Wohnbauförderung, obwohl ihre Einkommen deutlich höher sind. Hier eine Anpassung mit dem Argument zu bekämpfen, dass diese die Durchmischung verhindere, ist schlicht falsch.

Solange die neue Miete nicht dem Marktwert entspricht (und eigentlich weit länger, weil eine Umsiedlung immer Kosten und Wohlfahrtsverlust bringt), zieht niemand aus, und die gewünschte Durchmischung bleibt erhalten. Und das Argument, die Verwaltungskosten zur Erhebung der Einkommen seien zu hoch, ist auch falsch: Jeder hat eben alle drei Jahre seinen Lohnzettel zu schicken, das kostet nichts - und man muss das mehrmals im Jahr aus anderen Gründen tun. Das wichtigste Argument hört man nie: Die Wohnung sollte sich an den Lebensrhythmus anpassen. Wenn die Familie wächst, braucht man eine größere Wohnung.

Absurditäten am Wohnungsmarkt

Wenn die Kinder ausziehen oder nach der Scheidung (mehr als fünfzig Prozent in Wien), will man eine kleinere Wohnung. Heute wohnen viele Alleinstehende in einer Altbauwohnung von 140 Quadratmetern, viele kleine Gemeindewohnungen stehen leer, weil der Mieter sie als Zweitwohnung für einen Theaterbesuch, als Absteige bei einem Wien-Urlaub oder in Reserve für eine allfällige neue Partnerschaft hält. Und viele Häuser stehen leer, weil man als Junger nicht im Elternhaus leben wollte, dieses aber dann geerbt hat.

Andere wohnen als Einzelperson in einem großen Haus, laufen putzend von Zimmer zu Zimmer, um dann erschöpft am Wochenende das verlassene Haus der Eltern zu betreuen. Es wäre zu untersuchen, wie viele Personen in einer Wohnung leben, deren Größe von den Betroffenen als Belastung empfunden wird.

Ist das in Amerika anders? Im Prinzip nein und doch ja. Persönliche Erfahrungen zeigen, dass eine große Wohnung bzw. ein großes Haus in zwei bis drei kleinere Einheiten geteilt werden. Das leere Elternhaus würde vermietet werden an ein bis drei junge Paare oder einen Gastprofessor. Die Grundsteuer für ein leeres Haus könnte man sich nämlich nicht leisten. Und durch die Miete erhält man eine dauerhafte Zusatzpension. Die Absurditäten des Wohnungsmarktes in Österreich werden gekrönt durch die Wohnbauförderung. Sie wird zuerst einbehalten, dann wohnungsfremd verwendet. Sie in allen Bundesländern für Neubau zu verwenden, wäre auch falsch, weil es Bundesländer gibt, in denen die Bevölkerung schrumpft (Kärnten). Und die Zweckwidmung wieder einzuführen, aber dann vom Bund dafür eine Abgeltung zu verlangen, weil sie ja bisher zweckentfremdend verwendet wurde, sollte zu einem Aufstand der Steuerzahler führen.

Wohnbauförderung neu gestalten

Richtig wäre, die Wohnbauförderung stärker auf Jugend und einkommensschwache Gruppen zu konzentrieren. Die Förderung sollte höher sein, wenn damit dauerhaft niedrige Energiekosten verbunden sind. Sie könnte vorübergehend höher sein bei Arbeitslosigkeit und Verlust der Wohnung durch Scheidung. Wenn das Einkommen steigt, schmilzt die Förderung weg, aber man kann die Wohnung behalten. Alle größeren Wohnungen sind so gebaut, dass man sie problemlos teilen kann. So kann man die Pension verdoppeln und die Pflegerin mit Familie nahe und doch getrennt wohnen lassen.

Leistbar heißt erstens den Energieverbrauch zu berücksichtigen, zweitens mit Anstieg des Einkommens mehr zu zahlen und drittens die Wohnung teilen zu können, wenn die Familiengröße sinkt. So schaut aber kein Konzept einer politischen Partei aus.

Der Autor ist Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung - WIFO.

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