"Wahnsinn, mit Steuern finanziert"

Werbung
Werbung
Werbung

Indonesien muss erst wieder ab 2006 seine Schulden - unter anderem bei Österreich - abstottern, bis dahin sind sie gestundet. Das reiche bei weitem nicht, sagt Bruce Rich. Er fordert neben einem Erlass der Schulden auch eine Umgestaltung staatlicher Exportgarantien. Die würden nämlich ökologisch und sozial katastrophale Projekte mitfinanzieren.

Die Furche: Die Internationale Staatengemeinschaft hat für die Länder, die von der Flut betroffen sind, einen Schuldenaufschub beschlossen. Sie müssen also erst in einem Jahr weitere Rückzahlungen leisten. Genügt das?

Bruce Rich: Nein, das genügt nicht. Indonesien ist ein gutes Beispiel. Österreich ist der fünftgrößte Gläubiger dieses Landes, und ein sehr großer Teil der Schulden ist durch Exportgarantien der Österreichischen Kontrollbank zustande gekommen (siehe Kasten). Österreich hat auf diese Weise beispielsweise die enorme Produktionsausweitung der "Asian Pulp & Paper", eines gigantischen Papier- und Zelluloseunternehmens in Indonesien, mitfinanziert. Es wurde dadurch viel mehr Holz gebraucht, als auf legalem Weg zu bekommen war, also arbeitete man mit illegal geschlägertem Holz - eine Katastrophe für das Ökosystem und die Bewohner. Wegen der Asienkrise wurde das Unternehmen zahlungsunfähig, aber es wurde Druck ausgeübt, dass es umstrukturiert wird und weiter arbeitet, damit das Geld nicht verloren ist. Somit geht der Umweltskandal weiter - auf Druck der Länder, die eine Exportgarantie abgegeben haben. Und das ist nur ein Beispiel von vielen

Die Furche: Welchen Schluss ziehen Sie daraus für die Schuldenfrage?

Rich: Dass Schulden, die so zustandegekommen sind, erlassen werden sollen. Genauso ist es mit Krediten, die während des Suharto-Regimes vergeben wurden. Die Umstände, unter denen diese Kredite vergeben wurden, waren undurchsichtig, Korruption war damals ein großes Problem. Diese Schulden der indonesischen Bevölkerung aufzubürden - und das, obwohl sie gerade jetzt in so großer Not ist - ist ein Skandal.

Die Furche: Sie beobachten seit Jahren die Arbeit der Weltbank. Offiziell heißt es, sie würde soziale und ökologische Kriterien bei geförderten Projekten berücksichtigen.

Rich: Ja, mittlerweile schon. Da hat sich viel verbessert. Es ist zwar ein schwieriger Prozess, manchmal ist es ein Schritt nach vor und zwei zurück, aber ich würde sagen, dass sich sowohl bei der Vergabe von Darlehen für den öffentlichen als auch für den privaten Sektor viel getan hat. Die Weltbank hat nun zehn Grundsätze für ökologischen und sozialen Schutz, darunter eine Umweltverträglichkeitsprüfung, der Schutz indigener Völker, der Schutz natürlicher Lebensräume, Unterstützung der Menschen, die durch die Projekte zur Umsiedlung gezwungen sind und ähnliches.

Die Furche: Haben auch Exportkreditagenturen solche verpflichtenden Richtlinien?

Rich: Das Interessante ist, dass die Regeln der Weltbank inzwischen de facto der Mindeststandard für die Finanzierung durch den privaten Sektor geworden sind. Die größten internationalen Banken haben sich verpflichtet, bei der Finanzierung großer Projekte diese zehn Weltbank-Regeln einzuhalten. Die Österreichische Kontrollbank hat sich dazu nicht verpflichtet, und die arbeitet immerhin mit Steuergeldern.

Die Furche: Aber die oecd hat doch lange versucht, Richtlinien für Exportgarantien zu finden.

Rich: Die Exportkredit-Gruppe in der oecd konnte sich nur auf ein Minimum einigen. Dabei geht es vor allem um Transparenz bei der Vergabe von Förderungen für Projekte und um Umweltstandards bei der Bewertung solcher Projekte. Manche Exportkreditagenturen haben sich freiwillig zu mehr verpflichtet, zum Beispiel die der Schweiz, die auch die Betroffenen miteinbezieht. Oder die britische Agentur, die sich nicht nur der nachhaltigen Entwicklung, sondern auch der Wahrung der Menschenrechte verpflichtet hat.

Die Furche: Und was ist mit der Österreichischen Kontrollbank?

Rich: Die Kontrollbank beachtet teilweise nicht einmal die Minimalvereinbarung der oecd. In der heißt es zum Beispiel, bei einem Projekt müssen die Umweltstandards des jeweiligen Landes geprüft werden und die internationalen Standards. Der höhere Standard ist dann bei dem Projekt zu beachten, damit es mit einem Exportkredit gefördert werden kann. In den Regeln der Österreichischen Kontrollbank heißt es, man müsse sich die Regeln des jeweiligen Landes ansehen und die internationalen und dann - nichts. Es gibt keine Vorschrift, welche Standards man an das Projekt anlegen muss. Und so werden fürchterliche Staudammprojekte gefördert oder eben Papierfabriken. Projekte, die einerseits die Weltbank nie fördern würde, weil sie ökologisch und sozial ein Wahnsinn sind. Und manchmal Projekte, die andererseits auch eine Privatbank nie fördern würde, weil sie ökonomisch viel zu gefährlich sind. Dann springt die Exportgarantie ein. Mit dem Geld der Steuerzahler, die darüber in Österreich fast nichts wissen, weil kaum öffentlich wird, welche Projekte überhaupt gefördert werden und welche Folgen sie haben.

Das Gespräch führte Claudia Feiertag.

Weitere Informationen im Internet:

www.eca-watch.at

Exportkreditagenturen

Exportkreditagenturen wie die Österreichische Kontrollbank sollen die Exporte der heimischen Wirtschaft ankurbeln und Geschäfte in politisch und wirtschaftlich instabilen Ländern ermöglichen.

Als Kompensation für das Risiko, in diesen Ländern tätig zu sein, gibt die Kontrollbank im Namen und auf Rechnung der Republik Exportkredite oder übernimmt die Garantie für das Eintreiben offener Forderungen. Dafür erteilt wiederum das Land, in dem die Geschäfte getätigt werden, gegenüber der Kontrollbank Garantien über dieselben Summen, daher gelten sie als Schulden der jeweiligen Länder.

Im Kampf für mehr Nachhaltigkeit

Bruce Rich ist Programmdirektor bei der us-amerikanischen Umweltorganisation "Environmental Defense Fund" in Washington und hat die internationale Non-ProfitOrganisation "eca-Watch" (eca = export credit agency) mitbegründet, die sich für soziale und ökologische Regeln und mehr Transparenz bei der Vergabe von Exportgarantien durch die öffentliche Hand einsetzt. In dieser Funktion hielt Rich mehrere Vorträge vor der oecd, als es um die Aufstellung von Umweltrichtlinien ging.

Rich gilt als engagierter Beobachter und Kenner der Weltbank, der 1995 in seinem Buch "Die Verpfändung der Welt" die Praktiken der Weltbank bei der Förderung von Projekten in Entwicklungsländern massiv kritisiert hat. Allerdings sieht er, wie er im Interview betont, inzwischen deutliche Verbesserungen.

Er hat in Yale, München und Paris Wirtschafts- und Rechtswissenschaften studiert und zahlreiche internationale Organisationen beraten, darunter das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, die Weltbank und die us-Agency for International Development.

Nach zahlreichen Publikationen zu Entwicklungsthemen unter anderem in der Financial Times wurde er mit dem World Hunger Media Award ausgezeichnet, zudem erhielt er 1988 den Global 500-Award, den höchsten Umweltpreis der Vereinten Nationen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung