In memoriam Manfried Welan
DISKURSWaldheims Spielraum als Bundespräsident
Im Wahlkampf konnte man immer wieder höre, dass der Bundespräsident aus seinem Amt mehr machen solle. Er solle der Regierung auf die Finger schauen. Er solle ihr auch auf die Finger klopfen.
Im Wahlkampf konnte man immer wieder höre, dass der Bundespräsident aus seinem Amt mehr machen solle. Er solle der Regierung auf die Finger schauen. Er solle ihr auch auf die Finger klopfen.
Es ist das Bedürfnis nach politischer Kontrolle, das immer wieder zum Ausdruck gekommen ist. Das parlamentarische Kontrollsystem liegt zu sehr in der Hand der Mehrheit, um effizient und effektiv zu sein. Es ist zum großen Teil transformiert worden. Erwartungen auf politische Kontrolle verlagerten sich vom Parlament auf den Bundespräsidenten.
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Auf diese Tendenz hat vor einiger Zeit Karl Korinek hingewiesen. Er griff damit auch Gedanken auf, die vor mehr als 50 Jahren Adolf Julius Merkl ausgeführt hat. Dieser stellte fest, dass „mehr noch als das Ernennungsrecht“ des Bundespräsidenten die „unbeschränkte Freiheit der Entlassung der Regierung“ seinen Einfluss „auf die Zusammensetzung der Regierung und auch deren Geschäftsführung“ stärkt. Er könne damit die Regierung bestimmen, ihre Politik nicht bloß mit den Wünschen der Parlamentsmehrheit, sondern auch mit denen des Bundespräsidenten in Einklang zu halten.
In der Staatspraxis haben die Bundespräsidenten nie vom Entlassungsrecht Gebrauch gemacht. Wohl aber haben sie Einflussmöglichkeiten, die aus dem Ernennungs- und Entlassungsrecht erfließen, wahrgenommen. So nahmen etwa Theodor Körner und Adolf Schärf Einfluss auf die Zusammensetzung der Regierung.
Bundespräsidenten haben auch aus anderen Zuständigkeiten politische Konsequenzen gezogen. Sie nahmen immer auch in einzelnen Fällen Einfluss auf die Geschäftsführung. Selbst einer „Alleinregierung“ mit absoluter Mehrheit, wie zum Beispiel der Regierung Josef Klaus, wurden vom Bundespräsidenten Franz Jonas „Schwierigkeiten“ bereitet. Freilich hätte der Bundespräsident auch ohne Entlassungsrecht so agieren können. Aber es stärkt seinen Stellenwert.
Das in der rechtlich unbeschränkten Freiheit der Entlassung der Bundesregierung oder des Bundeskanzlers liegende politische Vertrauensprinzip hat mehr rechtliche Konsequenzen, als landläufig angenommen wird. Es kann darüber hinaus politische Vor- und Fernwirkungen haben. Es bedeutet jedenfalls eine politische Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers und der Bundesregierung gegenüber dem Bundespräsidenten.
Die Amtsführung aller Mitglieder der der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit und des Bundeskanzlers im Besonderen unterliegt einer politischen Kontrolle durch den Bundespräsidenten. Sie wird durch die Verfassung im Einzelnen nicht näher bestimmt. Die Mitglieder der Bundesregierung sind nicht nur dem Parlament, sondern auch dem Präsidenten verantwortlich. Ihm sind damit politische Kontrollmöglichkeiten eröffnet.
Wie er diese politische Kontrolle aktualisiert, ist einzig und allein seine Sache. Er trägt dafür auch die politische und rechtliche Verantwortlichkeit. Man kann hier keine Analogie zu den Kontrollrechten des Parlaments herstellen und für den Präsidenten etwas ein Fragerecht, Enqueterecht, Resolutionsrecht konstruieren.
Die ausdrücklich geregelte Entlassung entspricht dem Misstrauensantrag des Parlaments. Die kann ebenso wie dieses als Sanktion und ultima ratio gedeutet werden. Im Gegensatz zum Misstrauensvotum ist sie politisch nicht obsolet geworden. Rechtlich liegt in ihr wie im Misstrauensvotum die Versagung des Vertrauens. Aus dem in der rechtlich unbeschränkten Freiheit der Entlassung liegenden präsidialen Vertrauensprinzip ergibt sich für den Bundespräsidenten das Recht auf ständige und umfassende Information über alle Aktionen der Regierung.
Er hat ein umfassendes Recht aus Auskunft. Alle Mitglieder der Bundesregierung und der Bundeskanzler im Besonderen sind verpflichtet, ihm alles zu berichten und ihn über alles zu unterrichten. Über alle Akte hat der Bundespräsident die Möglichkeit der „Vorinformation“ Gelegenheit, Entscheidungen zu beeinflussen.
Der Bundespräsident kann und soll im Rahmen des parlamentarischen Regierungssystems nicht generell „regieren“. Das ist Sache der Regierung. Aber er wirkt sie andere Staatsorgane am Regierungsprozess mit und ist zu bestimmten Staatsakten der Hauptsache nach zuständig. Ihm steht darüber hinaus die politische Kontrolle der Regierung zu.
Da die Regierung zu ihrer Amtsführung dauernd des Vertrauens des Bundespräsidenten bedarf, ist sie diesem dauernd verantwortlich. Das gilt in erster Linie für die Bundesregierung als Ganzes und für den Bundeskanzler. Die übrigen Mitglieder der Bundesregierung und die Staatssekretäre sind wie der Bundeskanzler dem Nationalrat, darüber hinaus zunächst dem Bundeskanzler und über ihn dem Bundespräsidenten politisch verantwortlich.
Der Autor ist Professor für Rechtslehre an der Universität für Bodenkultur und ÖVP-Landtagsabgeordneter und Gemeinderat in Wien.
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