Wandel in der grünen Wüste

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1500 österreichische Spender finanzieren über Patenschaften ein Regionalentwicklungsprojekt in Zentralburma. Landwirtschafts-, Bildungs- und Gesundheitsprogramme erwecken die Trockenzone des Landes zu neuem Leben.

Erdnüsse und Sesam. Diese Pflanzen, das wussten die Bauern, wachsen auf ihrem trockenen Boden. Mehr nicht. Bohnen, Hirse oder sogar Reis? Als A One ihnen zum ersten Mal davon erzählte, lachten sie ihn aus. "Wofür hältst du dich?“, fragten sie ihn: "Bei uns geht das doch nicht.“ A One kam trotzdem wieder in ihr Dorf. Erklärte es ihnen noch einmal, legte ein Musterfeld an. Hob einen Graben aus, der den abgeschwemmten Humus nach Regengüssen sammelte, damit er nicht verloren geht. Drei Jahre später ernten die Bauern selbst Bohnen und Reis auf Feldern, die sie früher für Ödland hielten.

A One arbeitet für die Hilfsorganisation World Vision und betreut 73 Dörfer in der Gemeinde Yenanchaung. Rund 600 Kilometer von der Hauptstadt Rangun entfernt liegt die Region mitten in der "Grünen Wüste“. Das satte Grün, das von burmesischen Postkarten strahlt, sucht man hier aber vergebens. Regen fällt nur unregelmäßig und wenn, dann spärlich. Grün sind in der Trockenzone im Landesinneren nur die dünnen Grashalme, die sich tapfer im sandigen Boden halten und höchstens als Tierfutter taugen. Sonst dominiert in Yenanchaung braun: Braun ist das ausgetrocknete Flussbett, das heute als Straße dient. Braun sind die Bambushütten, in denen die Menschen wohnen. Braun ist das Regenwasser, das sie neuerdings in Teichen sammeln und auch zum Trinken verwenden müssen.

"Jetzt kann ich mehr arbeiten“

"Wasser wird hier in Zukunft ein großes Thema sein“, sagt Daniel Streit. Er leitet die internationalen Programme bei World Vision Österreich und macht sich in Yenanchaung ein Bild von den Projekt-Fortschritten. Seit 2009 ist das Österreich-Büro des Hilfswerks in Burma aktiv. Die Landwirtschaftstrainings, die neue Straße zum Dorf, der Teich - all das wurde mit Spenden aus Österreich finanziert. Knapp 1.500 Österreicher unterstützen jeden Monat mit einer Patenschaft ein Kind aus Yenanchaung. Und damit die ganze Region. Denn das Geld wird nicht direkt für das Kind, sondern für den Aufbau der Infrastruktur in seiner Umgebung verwendet. Genau das ist in Burma bitter nötig.

Die politische und wirtschaftliche Isolation des Landes haben in den vergangenen Jahrzehnten dafür gesorgt, dass Burma heute eines der ärmsten Länder in Ostasien ist. Rund 30 Prozent der Bevölkerung gelten als arm, drei Viertel aller Menschen haben keinen Zugang zu Elektrizität, jedes vierte Kind ist untergewichtig. In der Region Yenanchaung, wo World Vision Öster-reich aktiv ist, beträgt das durchschnittliche Haushaltseinkommen 30 Euro im Monat. Zwischen vier und fünf Menschen müssen im Schnitt davon leben.

Auch Tun Nay Min hatte bisher für sich selbst, ihren Ehemann und ihre sechs Kinder nicht viel mehr zur Verfügung. Doch seit Anfang September geht ihr Jüngster, Ayemoe, in den neu eröffneten Kindergarten. Rund 80 Cent kostet der im Monat, der Dreijährige bekommt dafür ein Mittagessen und ist den ganzen Tag betreut. "Er lernt Lieder und Gedichte und ist richtig aufgedreht, wenn er am Nachmittag nach Hause kommt“, erzählt Tun Nay Min. Sie selbst kann jetzt auf den Feld mitarbeiten und dadurch das Haushaltseinkommen aufbessern. "Früher hat Ayemoe einfach mit seinen Freunden auf der Straße gespielt, wenn ich zu tun hatte“, sagt sie. "Jetzt ist er gut versorgt, und ich kann mehr arbeiten.“

Kinder als Gesundheits-Botschafter

An der Kindergartenwand hängt ein Plakat, das die Finanzierung offenlegt. 80 Prozent der knapp 5.000 Euro hat World Vision gezahlt. Für den Rest sind private Spender aus dem Dorf aufgekommen. Ein paar Euro haben sie im Schnitt gegeben, und die Liste ist lang. Beim Entwicklungsprozess des eigenen Dorfes wollen alle mitmachen - und das sollen sie auch.

Wenn World Vision in einem Dorf zu arbeiten beginnt, verhandeln sie mit einem Bürgerrat, der eigens dafür gegründet wird. Der besteht aus Männern und Frauen aus allen Altersgruppen und erarbeitet gemeinsam mit den Experten einen Entwicklungsplan fürs Dorf: Was hat Priorität, was will man ändern? In einem Dorf haben die Mitglieder einstimmig beschlossen, dass man die alte Medizin-Hütte durch eine gemauerte Klinik ersetzt. Die Steine dafür haben Dorfbewohner gespendet, andere haben das Haus gebaut. Für Instrumente und Ausstattung kommt World Vision auf. Bald soll eine Hebamme ins Dorf ziehen und die neue Klinik leiten.

In einem anderen Dorf, rund eine Stunde auf holprigen Sandpisten entfernt, hat der Bürgerrat einen Gesundheitsfonds initiiert: Für alle Kinder unter sechs zahlen die Eltern einen kleinen Betrag in eine Handkassa. Drei Schlösser, deren Schlüssel auf drei Familien verteilt sind, sichern das Geld. Wenn ein Kind aus dem Dorf krank wird, werden der Transport und die Behandlung aus der Gemeinschaftskassa bezahlt.

In Yone Kone, fünf Kilometer weiter, gibt es nun endlich eine eigene Schule. Davor mussten die 76 Kinder jeden Tag eine knappe Stunde zu Fuß in die nächste Schule wandern - und genauso lang wieder zurück. In die Volksschule gehen in der Region Yenanchaung mittlerweile 96 Prozent aller Kinder. Das ist für World Vision ein doppelter Erfolg: Neben der offensichtlichen Zukunftsinvestition für die Kinder profitieren nämlich auch die Eltern davon. "Wir fokussieren auf Gesundheitsunterricht, also Hygiene oder Informationen über HIV und Denguefieber“, erklärt Marku, der Leiter des Regionalbüros in Yenanchaung. "Dabei sind die Kinder unsere Botschafter, um an die Eltern heranzukommen“, lacht er: "Wenn Kinder etwas wissen, erzählen sie es ihren Eltern. Umgekehrt ist das nicht immer so.“

Öffnung für internationale Hilfe

Die Kinder in Yenanchaung sind seltener krank, bekommen mehr Bildung und werden besser ernährt als noch vor wenigen Jahren: Die Fortschritte, die dank Spenden aus Österreich in Yenanchaung gemacht wurden, sind vielfältig. 26.500 Menschen profitieren davon. Im 50-Millionen-Einwohner-Land gibt es freilich weit mehr Entwicklungsbedarf. Das liegt auch daran, dass das isolierte Burma bisher weniger ausländische Entwicklungshilfe bekam, als alle anderen vergleichbaren Länder: Im Vorjahr waren es 5,5 Euro pro Kopf und Jahr. Das Nachbarland Laos bekam zehn Mal so viel.

"Wir brauchen mehr Ressourcen, mehr Programme und mehr Organisationen im Land“, weiß Christopher P. Henrik, der Direktor von World Vision in Burma, "die Kosten der sozialen Deprivation sind zu hoch, um sie zu weiter zu ignorieren.“ Vielleicht bessert sich die Situation bald: Mit der Öffnung kommen nun auch Hilfsorganisationen ins Land. Die Weltbank setzt einen Kredit von 62 Millionen Euro für Infrastrukturprojekte in ländlichen Regionen frei. Australien will seine Hilfszahlungen bis 2015 auf 82 Millionen Euro pro Jahr verdoppeln. Und die EU macht 2013 30 Millionen Euro für die Friedensprozesse und 4 Millionen für humanitäre Zwecke locker.

World Vision ist schon seit 1991 in Burma und unterstützt heute 35 regionale Entwicklungsprojekte wie jenes in Yenanchaung. Mit der langjährigen Präsenz kommen gute Kontakte - und eine Vertrauensbasis innerhalb der Bevölkerung: Wenn A One heute die Dörfer besucht, in denen er einst ausgelacht wurde, wird er herzlich empfangen. Frauen präsentieren ihm stolz ihr Gemüse, gezogen im eigenen Garten. Männer schütteln anerkennend seine Hand. Und Mütter drücken ihm ihre Kinder in den Arm.

A One ist 43, verheiratet, doch Kinder hat er keine. Umso lieber fährt er in die Dörfer: "Wenn ich die Patenkinder besuche, und sehe, was sich in ihrem Umfeld verbessert - dann bin ich glücklich.“

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