Warnen, wenn Gefahr droht

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Der ideale Diplomat? Wie sieht er aus, was muss er können, was muss er tun, hat die furche den Direktor der Ausbildungsstätte für Diplomaten gefragt.

die furche: Herr Botschafter, Sie sind der Direktor der Diplomatischen Akademie in Wien. Wie wünschen Sie sich den idealen Absolventen, die ideale Absolventin Ihrer Institution?

botschafter ernst sucharipa: Er oder sie muss sicher im Auftreten sein, selbstverständlich sprachgewandt, sehr bereit weiter an sich zu arbeiten und den eigenen Wissensstand zu vermehren. Hinzu kommt Kontaktfreudigkeit, aber nicht in dem Sinn: ständig das Cocktail-Glas in der Hand, sondern jemand, der seine Hausaufgaben macht und sich intensiv auf Verhandlungen vorbereitet. Immer bedeutender wird auch die Fähigkeit, gut mit Stress umgehen zu können.

die furche: Ein "Wunderwuzzi" also!

sucharipa: Nun, ich meine nicht, dass mit diesen Anforderungen der Diplomat in olympische Höhen empor getragen wird. Auch andere Berufe stellen ähnlich hohe Anforderungen an Grundcharakter und Ausbildung. Mir ist wichtig zu betonen, dass der Beruf eines Diplomaten weder Müßiggang noch Dilletantismus verträgt, sondern ernste Arbeit ist.

die furche: Was hat sich in den Anforderungen an Diplomaten und damit in deren Ausbildung geändert?

sucharipa: Die Klischeevorstellung des gesellschaftlich gewandten Diplomaten, der relativ wenig substanzielles Wissen in einzelnen Fachgebieten besitzt, hat es immer gegeben. Das hat sich aber total geändert: In einer Welt, in der die multilaterale Diplomatie die bilaterale weit übersteigt, kommen Diplomaten nicht durch, wenn sie nicht sehr fundierte Kenntnisse haben. Zum Beispiel in wirtschaftlichen Dingen. Das ist hier an der Diplomatischen Akademie das intensivste und stärkste Programm. Anderes Beispiel: Klimaverhandlungen sind die zentralen Verhandlungen der Zukunft. Da muss man natürlich naturwissenschaftlich bewandert sein, um Fachpublikationen lesen, verstehen und damit argumentieren zu können.

die furche: Geht der Trend weg vom Generalisten hin zum Spezialisten?

sucharipa: Das ist in jedem Land unterschiedlich zu beantworten: In Österreich wird uns auch in Zukunft nichts anderes übrig bleiben, als zu einem Teil auf Generalisten abzustellen, denn die Spezialisierung ist einfach nicht durchsetzbar. Österreich hat einen der kleinsten auswärtigen Dienste der Welt mit einem vergleichsweise minimalen Budget. Da kann man nicht spezialisieren. Das ist natürlich auch eine gefährliche Entwicklung, wenn man zunehmend auf Informationen von anderen angewiesen ist, die natürlich nicht immer die objektivsten Informationen sind. Womit wir uns relativ gut behelfen können, ist eine Art von Semispezialisierung: Jemand hat eine gediegene Ausbildung in einem Bereich, kann daneben aber auch als Generalist in verschiedenen Bereichen tätig sein und kehrt jedoch immer wieder zu seinem Spezialbereich zurück.

die furche: Nehmen wir - natürlich völlig aus der Luft gegriffen - einmal an, Österreich hat einen Konflikt mit einem seiner Nachbarstaaten. Wie kann die Diplomatie da helfen?

sucharipa: Da haben Diplomaten die Funktion der scharfen analytischen Beobachtung dessen, was in den Ländern passiert, in denen sie tätig sind. Das heißt nicht, mit den Massenmedien konkurrieren zu wollen. Diplomaten werden ihre Berichte nie schneller übermitteln können als eine Zeitung oder andere Medien. Ihre Aufgabe ist eine beobachtende Funktion, fast eine Warnfunktion. Sie sollen auf potenziell gefährlich werdende Entwicklungen hinweisen, dabei auch Unangenehmes berichten und schauen, dass das zu Hause auch registriert und verstanden wird.

die furche: Aber gerade was Nachbarstaaten betrifft, haben heimische Politiker, die Augen und Ohren offen halten, nicht schon auch ohne die Diplomatie ausreichend Informationen?

sucharipa: So sehe ich das nicht. Es ist eher so, dass durch die zahlreichen Zusammenkünfte von Politikern so etwas wie eine Illusion der Vertrautheit entsteht. Man glaubt auf dieser Ebene besonders viel vom Land des Gesprächpartners zu wissen. Aber das Wissen ist natürlich sehr auf den jeweiligen Amtskollegen abgestellt und bezieht das weitere Umfeld nicht ein. Das kann nur von jemandem geliefert werden, der in dem Staat lebt und umfassender Bescheid weiß.

Eine wichtige Aufgabe ist daneben das, was man mit "public-diplomacy" bezeichnet Dass man in der Öffentlichkeit des Landes, in dem man tätig ist, den Standpunkt des Heimatlandes sehr breit darstellen und vertreten kann. Heute muss selbstverständlich sein, dass ein Diplomat kompetent im Fernsehen auftritt. Diplomaten müssen Kontakte mit Medien, mit Meinungs-Machern pflegen, für den eigenen Standpunkt werben und versuchen, Verbündete zu finden.

die furche: Was reizt Sie persönlich am meisten an der Diplomatie?

sucharipa: Das Faszinierende für mich ist es, mit globalen Problemen vertraut zu werden. Zu sehen, wie der Klimawandel fundamentale Auswirkungen in den nächsten 20, 30 Jahren hat: Jene Länder die jetzt unter Trockenheit leiden, werden es noch schwerer haben. Anderswo ist es wiederum umgekehrt, bringt der Wechsel ein Mehr an Möglichkeiten. Man sieht hier das Potenzial von Spannungen aufbereitet, die auf die Welt zukommen. Da muss was geschehen. Das umzusetzen und zu versuchen hier durch Verhandlungen einen Ausgleich zu schaffen, reizt enorm.

die furche: Das ist der globale Kontext, was beeindruckt Sie am kleineren Rahmen, den bilateralen Verbindungen?

sucharipa: Da ist es zum Beispiel eine Herausforderung, der Bevölkerung in der tschechischen Republik zu erklären, wie unsere Probleme mit der Nukleartechnologie und den BeneÇs-Dekreten sind. Versuchen, den eigenen Standpunkt darzustellen, in der Hoffnung, dass daraus eine reziproke Form des Dialogs entsteht.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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