Warnung für das eigene Land

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Für Beneluxkenner überraschend hat in den letzten Wochen Belgien viel stärker gegen Österreich Position bezogen als die Niederlande. Und das, obwohl man in den letzten Jahrzehnten in den Niederlanden bemerken konnte, wie sich das Österreichbild von dem eines Schiparadieses zu dem eines Landes mit Nazi-Vergangenheit und -Gegenwart gewandelt hat. Seit Jahren waren Österreicher in den Niederlanden mit Fragen nach der dunklen Vergangenheit und den FPÖ-Erfolgen konfrontiert. Boykottaufrufe jedoch laufen dem Handelsgeist und der Toleranz im Land zuwider - beides Werte, auf die Niederländer stolz sind. Ein liberaler Abgeordneter hat von der großen Demonstration in Wien live dem niederländischen Fernsehpublikum verkündet, daß Österreich vor allem einen Funken jener Toleranz brauche, die die Niederlande auszeichne.

Aber warum protestieren die Belgier, von denen bisher wenig Kritik an Österreich zu hören war? Zufall ist es, daß der prominente Haidergegner Gerard Mortier Belgier ist. Auch daß Jörg Haider die belgische Regierung beleidigt hat, indem er sie als korrupt bezeichnete, ist bestenfalls ein vordergründiger Auslöser. Der wichtigste Grund für die Proteste ist, daß die belgischen Christdemokraten und Sozialisten die Bevölkerung vor dem "Vlaams Blok" (Flämischer Block) warnen wollen. Diese Partei ist offen ausländerfeindlich und gibt sich sehr kämpferisch. Allerdings müssen FPÖ-Gegner einräumen, daß der Vlaams Blok ungleich deutlicher rechtsextremes Gedankengut propagiert als die FPÖ, auch wenn in belgischen Medien beide oft in einen Topf geworfen werden.

Wie die FPÖ ist der Vlaams Blok in den letzten Jahren von Wahlerfolg zu Wahlerfolg geeilt. In Antwerpen hat er 28 Prozent der Stimmen, kann aber nicht an der Regierung teilnehmen, weil sich alle anderen Parteien zu einer Anti-Vlaams-Blok-Koalition zusammengefunden haben. Fraglich ist aber, ob sich dieser "Cordon sanitaire" (Quarantänestreifen), wie die Isolierungspolitik in Belgien genannt wird, lange halten wird. Flamen erinnern gerne daran, daß der belgische Außenminister Louis Michel, der zum Schiboykott aufgerufen hat, zur Gruppe der Französischsprachigen gehört. Diese Leute verbringen ihren Winterurlaub traditionellerweise in Frankreich - im Unterschied zu den Flamen, die sich aber von einem Französischsprachigen nicht so rasch etwas vorschreiben lassen wollen.

Michel, der seinen Boykottaufruf mittlerweile als "eine Ungeschicklichkeit, fast eine Geschmacklosigkeit" revidiert hat, ist nicht der einzelgängerische Fanatiker, als der er in manchen österreichischen Medien dargestellt wird. Trotz seiner kurzen Amtszeit hat er sich einen ausgezeichneten Ruf als Verfechter der Menschenrechte erworben. Er war es, der erreicht hat, daß London den chilenischen Diktator Augusto Pinochet vorläufig nicht freilassen kann. Auch für die Beilegung der zentralafrikanischen Konflikte hat sich Michel eingesetzt. Von diesem wichtigen Engagement erfährt man in Österreich aber leider kaum.

Die Autorin unterrichtet Sprache und Landeskunde der niederländischsprachigen Länder an der Universität Wien.

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