Was für eine Woche für die Schwarzen und die Welt

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Zwei bedeutende Schwarze haben es jetzt geschafft, die Weltordnung in Sport und Politik neu zu gestalten. Simon Inou, Journalist in Wien, geboren in Kamerun, sieht eine neue Bewegung des 21. Jahrhunderts.

Am 2. November 2008 bricht Lewis Hamilton, der schwarze Brite, alle Rekorde in der Formel 1-Geschichte. Zwei Tage später, am 4. November wird Barack Obama zum 44. Präsidenten des mächtigsten Landes der Erde gewählt. Nach mehr als 500 Jahren Sklaverei, Kolonialismus und Neokolonialismus ist es wieder erlaubt zu träumen. Die zweite Novemberwoche des Jahres 2008 wird für die ganze Welt eine bedeutende und für viele Schwarze eine symbolträchtige gewesen sein.

Letzten Sonntag in São Paulo, Brasilien. Lewis Hamilton, 23 Jahre jung und Formel 1-Rennfahrer, bricht alle Rekorde. Hamilton wird zum jüngsten Titelträger der Königsklasse des Automobilsports gekürt. Und er ist der allererste Schwarze in diesem hochtechnisierten Sport.

Arbeit und Disziplin als Konzept

Seit neun Jahren warteten die Briten auf diesen Sieg. Schwarze warten auf diesen Sieg seit der Gründung der Formel 1 im Jahre 1950. Obwohl viele Schwarze verschiedene Sportarten ausüben, schien die Welt der Formel 1 für sie verschlossen. Diese Sportart ist teuer, aufwendig und gefährlich. Sie galt für Schwarze, die vorurteilsmäßig arm gesehen werden, als nicht leistbar. Doch mit Anstrengung, harter Arbeit und Disziplin gelingt es dem Vater, Anthony Hamilton, seinem Sohn die Entwicklung zum besten Formel 1-Rennfahrer der Welt zu ermöglichen. Anthony musste neben seinem Job als Eisenbahner noch zwei Nebenjobs annehmen. Als strenger Manager hatte er seinem Sohn gesagt: "Nicht rauchen, nicht trinken. Und wenn du auf Partys Frauen abschleppen willst, musst du dir einen anderen Job suchen." Ein Beispiel für viele Eltern.

Der lange Weg zum Wahlrecht

In der Nacht vom 4. auf den 5. November 2008 haben viele Schwarze in Europa, Amerika, Asien sowie auf dem Afrikanischen Kontinent nicht geschlafen. Es war Pflicht, das Ereignis im Fernsehen zu verfolgen. Viele wollten diese historische Chance nicht versäumen. Auf verschiedensten TV-Kanälen sah ich Schlangen von US-Bürgern vor Wahllokalen. Dieses Bild erinnerte mich an die ersten demokratischen Wahlen in der Post-Apartheid-Ära in Südafrika. Am 24. April 1994 durften zum ersten Mal in der Geschichte Südafrikas Schwarze wählen gehen. TV-Reportagen zeigten, wie viele Menschen auf diesen historischen Tag gewartet haben. Zum ersten Mal in ihrem Leben durften sie über ihre Zukunft entscheiden. Nelson Mandela wurde erster schwarzer Präsident des Landes, nach 27 Jahren Haft.

Ein ähnliches Symbol sehe ich bei den Wahlen von Barack Hussein Obama in den USA, 146 Jahre nach der Sklavenbefreiung. Man sollte nicht vergessen, dass bei der Gründung der Vereinigten Staaten Schwarze nicht als vollwertige Menschen anerkannt waren. Sie wurden wie Vieh gekauft und verkauft. Es ist genau 43 Jahre her, dass schwarze Amerikaner durch den "Voting Rights Act" wählen dürfen. Millionen von schwarzen Amerikanern sind jahrzehntelang als Objekte betrachtet worden. Über sie wurden viele Bilder erzeugt, die mit der Realität nichts zu tun haben. Ein negatives Image. Schwarze, ob sie aus Afrika, USA, Lateinamerika oder Europa stammen, kommen exklusiv als Opfer von Ausbeutung, als Täter, ewige Assistenten, Tänzer, Musiker und Sportler vor. Selten als Intellektuelle, Politiker, die Respekt verdienen und Meister der eigenen Erfolge sind.

Schwarze Frauen gelten bis heute im deutschsprachigen Raum als Prostituierte. Schwarze Männer gelten als bedrohlich, gefährlich, unintellektuell. Auch in der Musikwelt, in der sie oft präsent sind, werden viele Schwarze auf Folklore und Jazz reduziert. Als ob es keine Schwarzen gäbe, die die klassische Musik verstehen. In keinem Geschichtsbuch eines westlichen Landes kommen positive Bilder von Schwarzen und von ihrer Geschichte vor, die mit der Ägyptischen Hochkultur beginnt. Unsere Geschichte wird auf Sklaverei, Kolonialismus und Entwicklungshilfe reduziert. Die Folgen? Schwarze Kinder wachsen, im Gegensatz zu weißen, mit einer negativen Vorstellung von sich selbst auf. Und sie werden geschult, Afrika und AfrikanerInnen entweder gering zu achten oder zu hassen. Aber andererseits wissen viele nicht, dass die Verkehrsampel vom schwarzen Amerikaner Garrett Augustus Morgan erfunden wurde.

Das Thema des 21. Jahrhunderts

Barack Obama bricht alle diese Klischees. Er fungiert als Role Model, als Anker für viele schwarze Kinder und Erwachsene. Endlich kann man über einen Schwarzen jenseits von Musik, Tanz und Sport intensiv reden, Bericht erstatten, im Freundeskreis diskutieren.

Barack Obama wurde zum ersten Schwarzen, der eine westliche Demokratie führt, gewählt. Lewis Hamilton zum ersten schwarzen und jüngsten Formel 1-Rennfahrer. Aus eigener Leistung, harter Arbeit und Disziplin. Beide kommen aus Familien mit Elternteilen aus verschiedensten Kulturkreisen.

Eine neue Bewegung, die das Thema des 21. Jahrhunderts prägen wird, ist entstanden. Nämlich: Wie gehe ich mit dem anderen um? Wie bekämpfe ich täglich Vorurteile gegenüber jenen, die anders aussehen als ich? Wie lasse ich andere partizipieren, mitgestalten? Wie schaffe ich Bedingungen, um andere zu akzeptieren? Barack Obama wird Präsident der USA. Die Welt wird sich nicht am nächsten Tag ändern. Aber einen großen Unterschied fühlen wir schon jetzt.

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