"Weg vom Katzentisch!"

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Vorsitzende Petra Navara-Unterluggauer und Geschäftsführerin Ruth Picker von "Globale Verantwortung" zur Stellung der EZA bei den Budgetverhandlungen.

Die Furche: Frau Navara, Frau Picker, im Unterschied zum früheren Dachverband der Entwicklungshilfeorganisationen sind beim neuen Zusammenschluss "Globale Verantwortung" auch die beiden großen Hilfsorganisationen Caritas und Rotes Kreuz dabei - was erhoffen Sie sich davon?

Petra Navara-Unterluggauer: Unsere Arbeit konzentriert sich auf das Lobbying adressiert an politische Entscheidungsträger. Manchmal braucht man dazu die Unterstützung der Öffentlichkeit. Als Horizont 3000 oder als Licht für die Welt - um zwei weitere, kleinere Organisationen des Dachverbands zu nennen - sind wir in der Öffentlichkeit zuwenig bekannt, um ausreichend Druck aufbauen zu können oder Unterstützung zu finden. Gerade aber Rotes Kreuz und Caritas, die durch ihre Inlandstätigkeit in der Öffentlichkeit so gut verankert sind, können hier sehr viel mehr bewegen und können unsere Anliegen viel besser platzieren.

Ruth Picker: Wir schaffen eine klare Artikulierung unserer Interessen aus einer vernetzten Perspektive heraus - sowohl was Entwicklungszusammenarbeit (EZA) als auch humanitäre Hilfe im Ausland betrifft. Damit gelingt uns ein Kontinuum von Katastrophenhilfe bis hin zu EZA. Unser Mandat ist, mit einer Stimme zu sprechen und darauf hinzuweisen, was es braucht, damit Österreich entsprechend seiner Möglichkeiten einen solidarischen Beitrag leisten kann. Wir sind das siebtreichste Land der Welt, das viertreichste Land der EU, unsere Möglichkeiten sind noch lange nicht ausgeschöpft.

Die Furche: Sehen Sie dabei die österreichische Öffentlichkeit auf Ihrer Seite?

Picker: Die Eurobarometer-Umfrage aus 2007 zeigt, dass sich Österreich bei diesem Thema deutlich vom europäischen Durchschnitt abhebt: 30 Prozent nennen als wichtigsten Beweggrund für EZA, dass man Menschen in Not helfen muss - also ein sehr selbstloses Motiv. Österreichische Umfragen zeigen, dass für drei Viertel der Bevölkerung EZA sehr wichtig ist, und sie dafür sind, einen gleich hohen oder höheren EZA-Betrag zu leisten. Das zeigt den Rückhalt, den die EZA in der Öffentlichkeit genießt. Ich sehe es nun als unsere Aufgabe, dass wir diese günstige Ausgangslage den Entscheidungsträgerinnen und -trägern in der Politik verständlich machen.

Navara-Unterluggauer: Ich finde diese Umfrageergebnisse insofern nicht so überraschend, als wir ja immer wieder als "Spendenweltmeister" bezeichnet werden. Auf der anderen Seite bin ich skeptisch, ob diese Zustimmung zur EZA hält, wenn gewisse Parteien die Armen hier gegen Arme anderswo oder einheimische Arme gegen ausländische Arme auszuspielen versuchen.

Die Furche: Nach dem unsäglichen Motto: "Nächstenliebe fängt zuhause an!"

Navara-Unterluggauer: Genau, solche Geschichten. Darum geht es ja nie, z.B. Pensionisten etwas wegzunehmen, um damit EZA zu finanzieren. Ich würde mir in dieser Frage auch eine bessere Kooperation mit den österreichischen Medien wünschen. Ich finde es schade, dass EZA in vielen Medien nur einen Nebenschauplatz darstellt und Armut im Inland gegen Armut im Ausland ausgespielt wird.

Die Furche: Sie sprechen von "gewissen Parteien" und Medien, bleiben wir bei den Regierungsparteien, die jetzt das EZA-Budget mit "frischem Geld" massiv aufstocken müssen, um den internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Aber EZA-Verhandler tun sich bei den Budgetverhandlungen traditionell schwer.

Picker: Deswegen muss das Motto lauten: Weg vom Katzentisch! Der Zeitpunkt ist günstig wie nie zuvor aufgrund der weltweiten Katastrophen und Krisen, die medial transportiert werden - weil der Bedarf an qualifizierter Hilfe so deutlich wird. Es geht jetzt um eine Weichenstellung, weil die Budgetdebatte in einem größeren Kontext stattfindet, es diesmal um ein Doppelbudget und die Haushaltsrechtsreform geht.

Die Furche: Ohne Stufenplan werden die Aufstockungen im EZA-Budget nicht umzusetzen sein.

Picker: Der Stufenplan muss von den Staatssekretären Hans Winkler und Christoph Matznetter kommen, die sind beauftragt, die sind gefordert, die sind im Verzug, die Überlegungen müssen jetzt auf den Tisch.

Die Furche: Am Tisch ist der Vorwurf, dass Österreich die Möglichkeiten zur Einrechenbarkeit von EZA-Leistungen sehr exzessiv ausnützt.

Picker: Wir bewegen uns im Rahmen des Erlaubten, aber das Ausmaß in dem diese Möglichkeiten ausgeschöpft werden, macht keinen Sinn, wenn es um die Qualität der EZA geht. Selbst die OECD ist nicht glücklich, dass wir ihre Kriterien dermaßen ausnützen. Was es jetzt braucht, ist ein starker politischer Wille, um die Lippenbekenntnisse in die Praxis umzusetzen.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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