Wege aus Bosniens Lethargie

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Die Wahlen in Bosnien-Herzegowina ändern nichts daran, dass das Land der Hilfe von außen bedarf, um Stabilität zu erlangen. Vorschlag für einen Dialog.

Im Verlaufe des vergangenen Jahrzehnts ist in Südosteuropa ein neues politisches Klima entstanden. Nach einer allzu langen Zeit gegenseitigen Misstrauens und immer wiederkehrender Frustrationen, fehlenden Austauschs und eines Mangels an ehrlichem Willen zur Zusammenarbeit gibt es endlich Anzeichen von gegenseitiger Annäherung in der Region. Dies ist von höchster strategischer Bedeutung, um den Integrationsprozess unserer Länder in europäischen und nordatlantischen Strukturen gedeihen zu lassen und mögliche neue Instabilität und vor allem eine politische Erstarrung zu vermeiden.

Der soziale Stillstand

Wird weiterhin hingenommen, dass Bosnien-Herzegowina in seiner politisch-wirtschaftlichen und sozialen Lethargie verhaftet bleibt, ist eine nachhaltige Sicherheit und Stabilität Südosteuropas im euro-atlantischen Kontext praktisch nicht vorstellbar. Die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise führt nur allzu deutlich vor Augen wie dringlich es ist, dass Bosnien-Herzegowina die Gleichheitsprinzipien für alle drei Völker (Bosniaken, Kroaten und Serben) beherzigt. Die internationale Staatengemeinschaft ist weiterhin aufgerufen, ihr konstruktives Bemühen um Bosnien-Herzegowina aufrechtzuerhalten. Viel hängt dabei von der Beharrlichkeit der EU ab. Gleichzeitig sehen wir aber auch ein stetig wachsendes Bedürfnis in Bosnien-Herzegowina, neue, eigenständige politische Wege zu beschreiten und im Bewusstsein dieser Eigenverantwortung aus dem Vollen zu schöpfen.

Andernfalls besteht das Risiko einen Fehler historischen Ausmaßes zu begehen, da das Land, etwas extrem formuliert, sich entscheiden muss zwischen #Evolution, Erosion oder Explosion!#. #Evolution# eines politischen Dialogs, der umsetzbare Vereinbarungen im Rahmen einer stabilen Verfassung ermöglicht, welche die Selbständigkeit des Landes gewährleistet. Fortschreitende #Erosion# aufgrund interner und externer Unfähigkeit und Vernachlässigung, welche vorhersehbare Folgen auf regionaler und internationaler Ebene zeitigt. #Explosion#: symbolischer Ausdruck einer andauernden internen Instabilität mit Spannungen und wiederkehrenden Konflikten.

Trotz eines politischen Pessimismus, der dieses Thema umgibt und trotz einiger erfolgloser Versuche, die politische Führung Bosnien-Herzegowinas zu einem konstruktiven Dialog über eine Verfassungsreform zu bewegen, besteht immer noch die Möglichkeit einer umsetzbaren, von nachhaltigen, gegenseitigen Kompromissen getragenen Lösung. Diese Lösung muss die grundlegenden Aspekte des Daytoner Friedensabkommens berücksichtigen und muss darüber hinaus die Verfassung und Verwaltung des Landes anpassen, sodass diese dem Wohl der Bevölkerung dient und das Land sich der EU und der NATO stärker annähern kann.

Unterstützungsmechanismus

Nach den Wahlen am vergangenen Wochenende muss nun auf der Grundlage eines umfassenden und wohl durchdachten Unterstützungsmechanismus seitens der internationalen Staatengemeinschaft ein Fortschritt erzielt werden: vorwärtsgerichtet und das Vergangene zurücklassend. Der Rahmen für das wiedererstarkte Engagement soll mehrere Schritte und Aspekte aufweisen. Es kann dienlich sein die UNO wieder verstärkt mit der Angelegenheit zu befassen, indem ein Dokument verfasst wird, welches:

# Erneut die unverzichtbare Bedeutung einer dauerhaften, in der Verfassung fest geschriebenen Bestätigung der Eigenständigkeit und Einigkeit Bosnien-Herzegowinas festschreibt.

# Die Grundlagen eines politischen Dialogs, welcher zu einer beständigen auf dem Daytoner Abkommen beruhenden Lösung führt, erneut bekräftigt. Eine Lösung, die die Wahrung der territorialen Einheit Bosnien-Herzegowinas und die Gleichheit der drei Volksgruppen beinhaltet.

# Die politische Führung des Landes aufruft einen offenen Dialog zu führen und ein Rahmendokument unter dem Titel #Deklaration für die Zukunft Bosnien-Herzegowinas# zu erstellen.

# Einen Zeitrahmen für die Debatte über die zukünftige Verfassung vorgibt.

# Einen internationalen #Unterstützungsmechanismus für Bosnien-Herzegowina# festlegt (vergleichbar mit der internationalen Kontaktgruppe).

Dies ist nur eine mögliche Vorgangsweise, die in keiner Weise beansprucht vollständig und umfassend zu sein. Die Zukunft Bosnien-Herzegowinas liegt bei EU und NATO.

Ein großer Teil der regionalen, der europäischen und der internationalen Stabilität und Sicherheit ist mit der inneren Sicherheit, Stabilität und Selbständigkeit Bosnien-Herzegowinas verwoben. Diese Interessensverflechtung sollte uns inspirieren # die eine oder andere der hier aufgeführten Ideen vielleicht berücksichtigend # eine neue und umfassende internationale Strategie für Bosnien-Herzegowina zu erarbeiten.

* Der Autor ist ehemaliger Premierminister Kroatiens

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