Wege aus der Energiefalle

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Der Poker um Energie und ihren Preis wird uns aufgedrängt. Die Regeln diktieren andere. Politik spielt mit eine Rolle. Gegen die primitive Vorgangsweise Mächtiger kann man sich nur mit Klugheit wehren. Gerade in der Energiepolitik.

Etwas vom Primitivsten, das wir kennen, ist das Recht des Stärkeren. Moskau, namentlich seine politische und ökonomische Führung, betreibt gerade wieder eine primitive Politik - und dreht den Gashahn ab.

Das Widerwärtige am Recht des Stärkeren beginnt damit, dass es kein Recht ist, sondern der Stärkere ein Vorrecht für sich beansprucht. Nimmt sich einfach die Möglichkeiten, die eben in der Natur der Sache, diesfalls der Verfügbarkeit über Rohstoffe, liegen. In einer höher entwickelten Form des Menschen und der Gesellschaft stiftet Kraft stets Verantwortlichkeit. Und zwar im Umgang genau mit dieser Kraft, die nur dazu dienen soll, sich zu erhalten, um anderen, die ihrer bedürfen, beizustehen. Kraft und Verfügungsmacht bestehen nicht um ihrer selbst willen, nein, sie sind zu überprüfen, sie schulden Rechenschaft. Das sind, man weiß es ja, schöne Worte, die stets an der Härte der Realität zerschellen, anstatt diese in Milde zu verwandeln.

Moskau zeigt sein wahres Gesicht

Das Reich von Zar Putin, stets von Moskau aus diktatorisch regiert, zeigt der Welt wie schon früher im kalten Jänner seine Härte, stoppt die Lieferung von Gas in die Ukraine. Der Schrecken über diese miese Anwendung des vermeintlichen Rechtes des Stärkeren fährt den Menschen mittel- und osteuropäischer Länder in die unterkühlten Glieder. Und auch Österreich, vom Lieferstopp be- aber noch nicht getroffen, muss Einiges zur Kenntnis nehmen, rasch und wirksam Lehren und Schlussfolgerungen aus dem Poker um das Erdgas ziehen.

Gazprom stoppt die Lieferungen auch, um in der heuer fälligen Präsidentenwahl in der Ukraine Julia Timoschenko gegen Viktor Juschtschenko zu stützen. Sie zeigte sich einfach etwas weniger moskau-kritisch. Um so ein Verhalten in einem Staat von Interesse zu belohnen und diesen an tatsächlich offene Gasrechnungen zu erinnern, kann man aus Moskauer Sicht schon einmal Verträge mit anderen Staaten kurz außer Kraft setzen. Das sollten wir uns merken.

Österreich ist, vorausschauender Energiepolitik sei es gedankt, vor einem umgehenden drastischen Mangel an Energie gewappnet. Nur etwas mehr als ein Fünftel der hier verbrauchten Energie kommt aus dem Erdgas, und von diesem nur die Hälfte aus Russland. Klugheit, die Waffe des Schwächeren, gebietet eine neue Energiepolitik, die wohl mit einigen Tabus wird brechen müssen.

Als hätte sie es geahnt, schrieb sich die Koalitionsregierung den Vorrang sicherer und leistbarer Energieversorgung in ihr Arbeitsheft. Dazu gehört das Projekt einer neuen Gasleitung vom Kaukasus nach Österreich, von dem zu hoffen ist, dass nur sein Name "Nabucco" der Welt der Oper, weil in einer der Pausen geboren, entlehnt ist. Doch anstatt von einer acht Milliarden Euro teuren, rund 3300 Kilometer langen Gasleitung zu schwärmen, müssen wir hier das Naheliegende, das Dringende, das Mögliche tun. Dazu gehört, am quantitativen Einsatz von Energie zu sparen, die qualitative Verwendung von Energie, sprich: den Wirkungsgrad, zu erhöhen, der Verschwendung Einhalt zu gebieten und neue Formen der Herstellung von Energie aufzugreifen.

Ein tabulose Debatte über die Energie

Das alles läuft, ob wir es wollen oder nicht, auf einen wesentlichen Punkt hinaus: den Abschied von einigen vertraut und lieb gewordenen Verhaltensweisen und Vorstellungen. Die Angewohnheit überall mit Auto oder Flugzeug anzureisen wird sich ebenso aufhören wie die Vorstellung, nirgends rund um Österreich dürfe es Kernkraftwerke geben, und in diesem Land keinesfalls ein weiteres Wasserkraftwerk. Das alles haben wir über Bord zu werfen, soll die fällige, tabulose Debatte über Energie zu einem Ergebnis kommen, das wir alle wünschen: sichere, leistbare und nachhaltige Energieversorgung. Wie so vieles ist auch die Energiedebatte hierzulande politisch und emotional hoch aufgeladen. Wir müssen sie dennoch führen. Es ist allemal besser, sich durch eigene Klugheit auf das drohende Recht des Stärkeren einzustellen, als dessen Anwendung zu unterliegen.

* claus.reitan@furche.at

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