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Nicht nur der Zustand der Koalition ist deplorabel, auch die beiden Parteien für sich genommen geben kein gutes Bild.

Die düstersten Prophezeiungen scheinen sich erfüllt zu haben, bestätigt können sich zur Zeit jene sehen, welche das Szenario der wieder aufgelegten Großen Koalition in den grellsten Farben ausmalten. Heute herrscht seltener Gleichklang unter den Kommentatoren: Stillstand, nichts geht mehr - die Regierung hat eine schlechte Presse wie schon seit Jahren nicht; ähnlich verheerend fielen die Urteile zuletzt in der Schlussphase der Regierung Klima aus - am Ende einer 13 Jahre währenden großkoalitionären Ära, die vom Experiment Schwarz-Blau abgelöst wurde.

Bei der jetzt knapp ein halbes Jahr amtierenden Regierung kann freilich von Ära keine Rede sein - es sei denn, man geht von einer Art "immerwährenden Großen Koalition" der Zweiten Republik aus, die nur von Zeit zu Zeit durch Betriebsunfälle in Form von Allein-, Minderheits-oder "kleinen" Koalitionsregierungen unterbrochen wird.

Vielleicht ist es ja tatsächlich so. Dann aber wäre das erst recht ein Argument für eine Maßnahme, welche der Zustand der gegenwärtigen Regierung von Tag zu Tag als dringlicher geboten erscheinen lässt: die Einführung eines mehrheitsfördernden Wahlrechts. Schon anlässlich des jämmerlichen Schauspiels der Regierungsbildung wurde an dieser Stelle für einen solchen Systemwechsel plädiert; auch deswegen, weil die politische Landschaft Österreichs wenig verlockende Alternativen bietet. Oder will irgendjemand in diesem Land nocheinmal den Eiertanz um eine Zusammenarbeit mit Blau/Orange erleben; oder den Grünen zusehen, wie sie tief in sich gehen und ernsthaft prüfen, ob eine Regierungsbeteiligung moralisch verantwortbar wäre? Eben.

Eines der "großen" Projekte, die eine Große Koalition rechtfertigen würden, wäre also etwas, das ebendieser Regierungsform den Boden entzöge. Genau deswegen wird es vermutlich auch nicht passieren - dafür muss der Leidensdruck wohl noch deutlich ansteigen.

Freilich muss man sagen, dass nicht nur die Kombination aus Rot und Schwarz sich wenig erquicklich gestaltet, sondern auch die beiden Parteien für sich genommen wenig Lust auf mehr machen. Beide geben ein recht diffuses Bild, bei beiden sind die internen Bruchlinien deutlich sichtbar, beide haben durchaus interessante Köpfe, die sich jedoch nicht zu einem plausiblen Ganzen fügen wollen.

Was ist bei der SPÖ aus der "solidarischen Hochleistungsgesellschaft" geworden? Bildung und Soziales sollten - gewiss gut argumentierbar - jene Bereiche sein, bei denen man die sozialdemokratische Handschrift in einer Regierung erkennen würde. Bis jetzt ist sie indes sehr blass ausgefallen - und man ist, so scheint es, nicht unfroh, sich hier auf den Koalitionspartner ausreden zu können, der zum Glück ja auch noch den Finanzminister stellt, der das nicht vorhandene Geld herausrücken müsste. Claudia Schmied gebührt alles Lob für ihre Staatsopernentscheidung, aber für die Partei als solche war die Causa kein Ruhmesblatt; und in Bildungsfragen hat sie bisher sehr zurückhaltend agiert. Erwin Buchinger hat, wie man so sagt, das Herz am rechten Fleck; und als Anwalt des Sozialen ist er wichtig und glaubwürdig. Aber bei manchen seiner Vorschläge, wie jenem, den Weg in die Frühpension zu erleichtern, greift man sich doch an den Kopf … Über allem der Kanzler und Parteichef, der sich den Niederungen der Innenpolitik zunehmend entzieht, was ihm durch die Tatsache, dass er sich offensichtlich der Gunst Angela Merkels erfreut, zusätzlich erleichtert wird.

Und die ÖVP? Perspektivengruppe? Moderne konservative Volkspartei? Da war doch einmal was … Dass sich Andrea Kdolsky inzwischen einigermaßen eingekriegt hat, ist kein Schaden. Allerdings wird uns dadurch erst so richtig bewusst, dass wir all die lustigen Aktionen wohl mit Parteireform verwechselt haben; jetzt, da das weitgehend fehlt, merken wir: da ist sonst nicht viel. Dunkel erinnert man sich auch, dass Josef Pröll einmal als Hoffnungsträger gegolten hat - aber das muss auch schon einige Zeit her sein. Derweilen hat die steirische VP alle Chancen, sich als lebensnahes "Modell" zu positionieren - wie in guten alten Zeiten …

rudolf.mitloehner@furche.at

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