Weltklimakonferenz: Der Elefant im Klima-Zirkus
Begleitet von viel Konferenz-Theater sind Schadenersatzzahlungen an die am meisten von der Klimakatastrophe betroffenen Länder die Kernforderung, um die bei dieser COP27 gerungen wird.
Begleitet von viel Konferenz-Theater sind Schadenersatzzahlungen an die am meisten von der Klimakatastrophe betroffenen Länder die Kernforderung, um die bei dieser COP27 gerungen wird.
Schattenplätze sind rar bei der COP27 in Scharm El-Scheich. In den Verhandlungs- und Veranstaltungspausen flüchtet sich das Konferenzvolk dicht gedrängt unter die wenigen Sonnensegel, hinter Mauervorsprünge und neben mickriges Buschwerk. Für das unmittelbare Spüren der Klimastress-Dramatik macht es Sinn, die Weltklimakonferenz im Wüstenstreifen zwischen dem Roten Meer und den Bergrücken des Sinai anzusiedeln. Während in den klimatisierten Konferenzsälen über die Maßnahmen für ein Zehntelgrad mehr oder weniger Klimaerhitzung verhandelt wird, regiert draußen die heiße Macht des Faktischen und warnt und drängt. „Es ist ganz klar, wir müssen mehr tun, um das Pariser Abkommen einzuhalten. Die Staaten müssen ihr Wort halten. Lassen Sie uns unsere schädliche Sucht nach fossilen Brennstoffen beenden“, fordert Laurence Tubiana bei einer Podiumsdiskussion zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern. Die französische Ökonomin leitet die European Climate Foundation, eine internationale Klimaschutz-Stiftung. Ihren Ruf als Grande Dame des Klimaschutzes hat sie sich 2015 als Verhandlungsführerin bei der UN-Klimakonferenz in Paris erarbeitet.
Keine CO2-Buchhaltungstricks
Das Pariser Klimaabkommen, die Magna Charta der internationalen Klimapolitik, ist ihr „Baby“. Mittlerweile ist der Vertrag ins Schulalter gekommen, bleibt aber weit hinter den Erwartungen zurück. „Wir steuern auf 2,4 bis 2,6 Grad Erwärmung, weit entfernt von den 1,5 Grad, die wir brauchen“, schimpft Tubiana auf Englisch mit deutlich französischem Akzent. „Die Philosophie des Pariser Abkommens beruht auf einer tiefgreifenden Dekarbonisierung, nicht auf Freikaufen und Buchhaltungstricks“, kritisiert sie die Entwicklung „ihres“ Abkommens – und eilt weiter und den zivilgesellschaftlichen Protest hinter Sanddünen verbannen will, hat sich auch diese „Conference of the parties“ (COP) ihren konstruktiv-subversiven Party-Charakter nicht austreiben lassen: Vor dem Eingang treten Aktivisten in Kuh- und Schweinekostümen oder Hühnerperücken am Kopf für eine vegane Lebensweise ein. Daneben stellt sich ein einsamer Demonstrant mit einer ägyptischen Flagge in Händen und setzt ein stummes Zeichen der Solidarität für den inhaftierten ägyptischen Demokratie-Aktivisten Alaa Abd el-Fattah. Auf dem Konferenzgelände protestieren Indigene in Landestracht samt Federschmuck gegen die Abholzung des Regenwaldes. Und neben einem Getränkekühlschrank, in dem COP-Sponsor Coca Cola seine Limonaden zur freien Entnahme anbietet, poppt eine Brandrede gegen das Greenwashing der Weltkonzerne und die klimazerstörenden Auswüchse des Kapitalismus auf – mit anschließender Diskussion zwischen COP-Teilnehmern in zu einer anderen Debatte in der Klima-Manege.
Wer bei dem von Sonnenstrahlen inspirierten Torbogen über dem Eingang ins Konferenzzentrum an ein Zirkuszelt denkt, liegt nicht falsch. Der jährliche Jahrmarkt der Klima-Streitigkeiten, das Feilschen um Reduktionsziele, Kompensationszahlungen und Ausstiegsszenarien aus fossilen Energieträgern bietet eine Vielfalt an politischen Trapezakten samt burlesken Showeinlagen und clownesken Zügen. Obwohl der ägyptische Polizeistaat mit einer Heerschar an Polizisten in Uniform und Zivil seine autoritären Muskeln spielen lässt und den zivilgesellschaftlichen Protest hinter Sanddünen verbannen will, hat sich auch diese „Conference of the parties“ (COP) ihren konstruktiv-subversiven Party-Charakter nicht austreiben lassen: Vor dem Eingang treten Aktivisten in Kuh- und Schweinekostümen oder Hühnerperücken am Kopf für eine vegane Lebensweise ein. Daneben stellt sich ein einsamer Demonstrant mit einer ägyptischen Flagge in Händen und setzt ein stummes Zeichen der Solidarität für den inhaftierten ägyptischen Demokratie-Aktivisten Alaa Abd el-Fattah. Auf dem Konferenzgelände protestieren Indigene in Landestracht samt Federschmuck gegen die Abholzung des Regenwaldes. Und neben einem Getränkekühlschrank, in dem COP-Sponsor Coca Cola seine Limonaden zur freien Entnahme anbietet, poppt eine Brandrede gegen das Greenwashing der Weltkonzerne und die klimazerstörenden Auswüchse des Kapitalismus auf – mit anschließender Diskussion zwischen COP-Teilnehmern in dunklen Anzügen und Vertretern der Hawaii-Hemd-Fraktion.
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