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Das Thema Verkehr im Wahlkampf: Für die Parteien offenbar uninteressant, wie der Rückblick zeigt Und dabei: Welch ein Betätigungsfeld. Zukunftsträchtige Lösungen sind aber unpopulär.

Natürlich brauchen wir weitere Straßen - darüber bestand Konsens aller wahlwerbenden Parteien. Schon eine andere Meinung gilt ja als wirtschaftsschädlich und wohlstandsbeeinträchtigend, wenn nicht gar als sittenwidrig. Die grüne Spitzenkandidatin wollte den Straßenbau generell für abgeschlossen erklären - und wurde parteiintern rasch wieder auf einen mehrheitsfähigeren Kurs gebracht.

Diese Debatte mit darauffolgender Klarstellung war vielleicht das einzige verkehrspolitische Thema mit prominenter Behandlung in Kommentaren der Vertreter anderer Parteien, darauffolgender mehrtägiger Medienberichterstattung und Wortspenden der Experten. Einige Tage später waren in einer entscheidenden Frage wieder alle einer Meinung.

Weitere verkehrspolitische Highlights der Nationalratswahl 2002? Im Rückblick fällt wenig ein; zu sehr beherrschten trendigere Themen die Medienlandschaft. Für Verkehr bleibt da wenig Platz - oder doch: die Höhe der vorgesehenen Lkw-Maut und ganz kurz auch eine Pkw-Maut. Keine Rede von so quotenbringenden Themen wie Verdreifachung des Benzinpreises oder konsequente Anti-AutoPolitik. Natürlich der Transitverkehr als verkehrspolitisches Dauerthema. Auch die Einschätzung des künftigen Ostverkehrs als "Schreckgespenst" der Nation eint die Parteien.

Die Verkehrspolitik ist offensichtlich ein wahlkampftaktischer Nebenkriegsschauplatz; von langfristiger verkehrspolitischer Strategie kann keine Rede sein. Allerdings, auch die Nichtbehandlung von wichtigen Fragen hat Informationscharakter.

Der Bürger sieht das anders

Wenn abseits der verkehrspolitischen Tagesthemen kaum Anliegen der Behandlung wert sind, muss wohl mit Recht ein Desinteresse aller Parteien diagnostiziert werden. Natürlich kann man auch über deren Wichtigkeit und Priorität unterschiedlicher Meinung sein. Doch, wer als Pendler täglich eine halbe Stunde im Stau verliert oder im überfüllten Bus zur Arbeit fährt, hat bestimmte Vorstellungen von sinnvoller und notwendiger Staatstätigkeit; noch dazu bei einer Staatsquote von nahezu 50 Prozent.

Im Wahlkampf blieben Top-Themen der anspruchsvolleren verkehrspolitischen Auseinandersetzung gänzlich außerhalb der medialen Reichweite. Beispielsweise die längerfristige Finanzierung des Verkehrs in der Konkurrenz aller gesellschaftlichen Ansprüche, die Qualität von Bahn und Bus oder die Zunahme des Güterverkehrs. Allen ist klar, dass Straßen nicht im Ausmaß des wachsenden Verkehrs erweitert werden können, die derzeitigen Staus in den Ballungsräumen und entlang der Hauptachsen also nur ein Vorgeschmack für die Zukunft sind.

Ist Ausbau der Straßen wirklich die einzige Alternative? Angeblich hängt die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, die Zukunftsfähigkeit des Standortes Österreich und damit die Sicherheit der Arbeitsplätze von der ständigen Anpassungen der Autobahnen an den steigenden Verkehr ab. Oder gibt es jenseits der reflexartigen Fortschreibung der Entwicklung der letzten 30 Jahre auch andere Optionen? Wann sind Trendkorrekturen notwendig ? Wann auch wahltaktisch kommunizierbar ? Die Parteien geben darauf keine Antwort.

Angesichts des Schweigens der Politik tut sich der verkehrspolitisch interessierte "Wahlbürger" in der Entscheidung schwer. Er kann die verkehrspolitische Strategien der Parteien - soferne es diese gibt! - bestenfalls erahnen. Gefragt ist eine Differenzierung.

Schwarz/Blau setzt Schwerpunkte eher im Straßenverkehr, während Rot/Grün Prioritäten im Bahnausbau und im Öffentlichen Verkehr sieht. So trennscharf ist die Linie aber auch wieder nicht. Vielleicht liegt das daran, dass das Verkehrssystem - das heißt das Zusammenwirken aller Einflussgrößen - ein äußerst träges Gebilde ist, das in einer Legislaturperiode kaum spürbar verändert werden kann. Und wer will sich schon längerfristig festlegen ?

Vorsorge gefragt

Interessant wären Fragestellungen dieser intellektuellen Tiefe schon. Gilt doch in der vernetzten Welt ein funktionierender Verkehr als unverzichtbare Basisleistung für Wirtschaft und Gesellschaft. Bei der langen Vorlaufzeit von Baumaßnahmen wäre also längerfristige Vorsorge gefragt.

Der Politik wird gelegentlich ein Denken im Legislaturperioden vorgeworfen, während die Handlungsfolgen weitreichend, also nachhaltig sind. Bei längerfristiger Betrachtung verschieben sich so manche Prioritäten und wahlkampftaktische Top-Themen degenerieren zu Randerscheinungen der politischen Arena.

Natürlich gibt es unterschiedliche Positionierungen. Doch werden in einem Wahlkampf Sachfragen entweder trivialisiert oder ausgeblendet und für komplexere Fragen bleibt weder Raum noch Zeit - auch mangelt es an Interesse des Publikums. Notgedrungen bleiben also brennende Zukunftsfragen außerhalb der argumentativen Reichweite.

Vom "main-stream" abweichende Festlegungen sind nicht zu erwarten - schon gar nicht, wenn alle betroffen sind, wie dies beim Autoverkehr der Fall ist. Das Risiko wäre zu groß. Verkehrspolitische Fragen verkommen zu einem Meinungsbrei ohne Möglichkeit der Differenzierung zwischen den Parteien. Damit werden auch Chancen zur Differenzierung- und Profilierung vertan.

Mittlerweile ist die Wahl entschieden, Wahlplakate werden mit aktuelleren Botschaften überklebt, Tonnen von Broschüren wandern in Altpapiercontainer, die Bevölkerung hat die Botschaften schon wieder vergessen - und die Bildung der nächsten Regierung geht den verfassungsgemäß vorgesehenen Weg. Was bleibt, welche verkehrspolitischen Schlüsse sind aus den Aussagen vor der Wahl zu ziehen?

Nicht zum Nulltarif

Beim verkehrspolitischen Basiskonsens sind Abschätzungen der künftigen Perspektiven weitgehend überraschungsfrei. Netzschlüsse der hochrangigen Verkehrsinfrastrukturen mit den Straßen und Schienen der ehemaligen Oststaaten, stärkere Anstrengungen zur Sanierung der Verkehrssituation in den Städten, Programme von Ortsumfahrungen und Entlastung der Siedlungsgebiete, spürbare Verbesserungen der Qualität des öffentlichen Verkehrs werden uns auch in der nächsten Legislaturperiode beschäftigen - und sicher nicht endgültig gelöst werden können. Natürlich die Verbesserung der Umweltsituation im Verkehr und die spürbare Erhöhung der Verkehrssicherheit.

Diese Aufgaben sind nicht neu. Die verkehrspolitisch heile Welt gibt es nicht zum Nulltarif. Wer soll das bezahlen?

Die spannende Frage der Zukunft wird die Verkehrsfinanzierung bleiben. Die herkömmliche Finanzierungsform über die Budget ist offensichtlich nicht über Gebühr strapazierbar. Derzeit werden Überlegungen angestellt, für den Ausbau von Straßen und Schienen in größerem Ausmaß privates Kapital heranzuziehen. Der Verkehr ist eine Wachstumsmaschine. Dämpfende Effekte werden nur möglich sein, wenn das "road pricing" des Güterverkehrs zu umfassendem "mobility pricing" weiterentwickelt wird. Doch sind damit Wahlen zu gewinnen?

Der Autor ist Hofrat und bei der OÖ Landesregierung zuständig für Verkehrskoordinierung.

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