Wenn die Regenzeit zu spät kommt

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Der Anstieg der Meerestemperatur führt in Afrikas Sahelzone zu einer Klimaveränderung. Damit einhergehend werden auch die Lebensbedingungen anders, schlechter.

Das ist das Ende: Auf einem Strand auf Teneriffa oder Gran Canaria kriechen ein paar Dutzend halb verhungerter, dehydrierter Menschen aus einem bunt bemalten Fischerboot. Sie legen mit ihrer bunten Piroge in den frühen Morgenstunden an. So wie vor drei Jahren der Senegalese Hassana Gueye, der nichts zu verlieren, aber fünf Kinder zu versorgen hatte. Zwei mal saß der Fischer in einer der Pirogen: Das erste Mal legte seine Familie zusammen, bezahlte 760 Euro für die Überfahrt. Doch das Boot schlug leck, musste umkehren. Das zweite Mal war er als Steuermann für die 72 Menschen an Bord verantwortlich. Als Lohn war die Überfahrt für ihn gratis – und umsonst: Gueye kam in ein Lager, wurde in Handschellen per Flugzeug zurückgeschickt. Heute sitzt er in seinem Fischerdorf, hat zwei Kinder mehr, schaut aufs Meer und will es ein drittes, ein letztes Mal versuchen.

Klimawandel als Grund für die Flucht

Weltweit, so rechnen die Vereinten Nationen, werden sich in den kommenden Jahren 200 Millionen Menschen auf den Weg machen, um Hunger und Armut zu entgehen. Immer öfter ist der Grund für die Flucht der Klimawandel, der beides bedingt.

Der Begriff Klimawandel, mit dem in Europa fast jedes Kind etwas anfangen kann, sagt den Bauern im Senegal nichts. Aber sie wissen, dass sich in den letzten Jahren etwas verändert hat. Auch heuer kommt der Regen nicht wie erwartet. Es ist Mitte Juli, aber bis jetzt ist von der Regenzeit nicht viel zu spüren. „Die Bananen sollten schon viel größer sein. Wir werden sie erst drei Monate später ernten können“, jammert Francois Dion. Der Bauer betreibt im Dorf Nguenn in der senegalesischen Region Tambacounda, ganz im Osten des Landes, eine Plantage: Ein paar Hektar Bananenstauden, die künstlich bewässert werden. Der Boden ist bedeckt mit einer dicken Schicht Stroh, damit das Wasser durch die heißen Temperaturen nicht sofort verdampft. Die Erträge der Plantage, die den Eigenbedarf des ganzen Dorfes decken sollen und am Markt verkauft werden, sind spärlich; jedem Einwohner des 800-Seelen-Ortes bleiben kaum mehr als zwei Euro am Tag. Die Bauern hier sind angewiesen auf den Regen, bleibt er aus, müssen die Menschen hungern.

Niederschläge gibt es hier nur im Sommer, zur Regenzeit, wenn der Monsun die dampfgeschwängerten Wolken vom Atlantik her über die Sahelzone treibt.

„Sahel“ bedeutete früher einmal Rettung

Der Sahel, der sich vom Horn von Afrika im Osten quer über den Kontinent bis zum Senegal im Westen schiebt, heißt auf arabisch das Ufer, weil das satte Grün für die Sahara-Durchquerer vergangener Tage die Rettung bedeutete. Heute ist die Wüste zur Bedrohung für die Sahelzone geworden. Unaufhörlich schiebt sie sich nach Süden und frisst die Vegetation. Allein zwischen 1995 und 2005 hat sich der feine Sand 400.000 Quadratkilometer Ackerfläche einverleibt – fünfmal die Fläche Österreichs.

Der Grund dafür liegt nicht in der Überweidung und der Abholzung der Wälder. Experten haben herausgefunden, dass die Erwärmung der Meere schuld ist, dass sich das Klima und damit der Boden verändert: Je größer der Temperaturunterschied zwischen Meer und Land, desto weiter werden die Wolken ins Landesinnere getragen. Doch die Temperatur des Indischen Ozeans im Osten und des Atlantiks im Westen Afrikas sind gestiegen. Schuld daran tragen die Treibhausgase aus den Industrieschloten in der nördlichen Hemisphäre. Die Folgen: „Die Regentage werden immer kürzer, die Regenzeit beginnt sehr spät“, sagt die senegalesische Geografin und Caritas-Projektverantwortliche der Region Tambacounda, Constance Mbaye: „Wenn es früher Ende Mai geregnet hat, kommen die Niederschläge jetzt oft erst im Juli. Dafür regnet es in kürzerer Zeit eine größere Menge.“

Doch die Böden sind zu hart, um in so kurzer Zeit derartige Massen aufzunehmen. „Ich habe Angst vor dem Wasser“, sagt Cecile Mbei. Die 28-jährige Bäuerin in ihrem farbenprächtigen Kleid und dem kunstvoll geknüpften Tuch auf dem Kopf arbeitet wie ihr Mann täglich auf dem Feld, hält ihre Lehmhütte sauber, versorgt drei Kinder. Vor einigen Jahren hat sie die großen Überschwemmungen miterlebt. Damals ergoss sich eine riesige Menge Wasser über die Sahelzone. In insgesamt zwölf Ländern der Region kam es zu schweren Überflutungen, große Teile der Ernte wurden zerstört.

Übersäuerte Böden, geringere Ernten

Aber auch wenn es zu wenig regnet, bringt das große Probleme mit sich: „Die Böden sind größtenteils übersäuert, die Ernten fallen geringer aus“, erklärt Geografin Mbaye. „Die Bauern wissen nicht, wie sie mit den Folgen des Klimawandels umgehen sollen, dazu fehlt ihnen die Erfahrung. Und für Dünger ist ohnehin kein Geld da.“

Je geringer die Erträge ausfallen, desto mehr zieht es die Senegalesen fort, um das Glück in Europa zu suchen. Internationale Hilfsorganisationen, darunter die Caritas, bieten neben landwirtschaftlichen Projekten wie Brunnenbau, Bäckereien und Kooperativen auch Bildungsprogramme an. Die Menschen, vor allem die Frauen, lernen in einer Region wie Tambacounda mit 89 Prozent Analphabeten lesen und schreiben, damit es ihnen besser geht und das Leben erträglicher wird. Und sie lernen, dass eine Überfahrt über den Atlantik in einer kleinen Piroge oft zu einer Reise ohne Wiederkehr wird. Deswegen will es die Bäuerin Cecile Mbei, die selbst drei Kinder hat, gar nicht erst probieren. „Wenn schon, dann warte ich auf ein Visum“, sagt sie. Das ist ein Anfang.

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