Wer schützt vor Konsumentenschützern?

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Konsumentenschutz übt in einer Wirtschaft mit zunehmend unüberblickbaren Herstellungsverfahren und schwer erkennbaren Qualitätsunterschieden eine wichtige Kontrollfunktion aus - vorausgesetzt diese Kontrolle bleibt unbeeinflusst ...

In Deutschland und in der EU heißen die Schutzobjekte "Verbraucher", in Österreich viel nobler "Konsumenten". Der institutionalisierte Schutz der Verbraucher oder Konsumenten vor Übervorteilung durch Behörden, Industrie, Wirtschaft und Unternehmer ist eine der wichtigsten Errungenschaften der Nachkriegszeit.

In den sechziger Jahren entwickelten die einzelnen europäischen Staaten je nach Rechtssystemen, soziokulturellen Traditionen sowie politischen und institutionellen Rahmenbedingungen verschiedene Systeme, die zwischen dem Weg der Reglementierung, gestützt auf eine umfassende Verwaltungsstruktur, und dem pragmatischen Ansatz der Selbstregulierung der Märkte und Sektoren pendelte.

1972 auf dem Gipfel von Paris bekundeten die Staats- und Regierungschefs erstmals den politischen Willen nach einer gemeinsamen Verbraucherpolitik. Drei Jahre später formulierte die EU-Kommission fünf fundamentale Grundrechte, nämlich das Recht auf Schutz von Gesundheit und Sicherheit, auf Schutz der wirtschaftlichen Interessen und Wiedergutmachung erlittenen Schadens, das Recht auf Unterrichtung und Bildung sowie das Recht auf Vertretung.

Verschiedene Aktionsprogramme im Bereich der Sicherheit von Spielzeug und Bestimmungen zur allgemeinen Produktsicherheit und Lebensmittelkennzeichnung, zum grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, zu missbräuchlichen Vertragsbedingungen und andere wurden erarbeitet.

Im Vertrag von Amsterdam ist der Verbraucherschutz erstmals in einem eigenen Artikel (129a) festgeschrieben. Infolge der BSE-Krise wurden in den letzten Jahren die Gesundheit des Verbrauchers und die Nahrungsmittelsicherheit in den Vordergrund gestellt. So weit die hehre Theorie.

Praktischer Konsumentenschutz ist aber nur so gut wie die handelnden Institutionen beziehungsweise Personen. Und hier ist zu bedenken, dass Institutionen, die Jahrzehnte mehr oder minder unkontrolliert und unwidersprochen operieren, ein Eigenleben entwickeln können, das nicht immer im Geiste des wohlwollenden Erfinders ist.

Daher scheint es ein Gebot der Stunde zu sein, das Agieren von Konsumentenschutzorganisationen so transparent wie nur irgendwie möglich zu halten, vor allem wenn es sich um jene handelt, deren Budget zu einem nicht unwichtigen Anteil von der öffentlichen Hand oder mit Geldern aus sozialpartnerschaftlichen Institutionen getragen wird, finanzieren sich doch letztere durch Pflichtmitgliedschaften.

In Österreich wird der Konsumentenschutz in erster Linie vom Verein für Konsumenteninformation (VKI), gegründet am 7. März 1961, repräsentiert. Mitglieder sind der Arbeiterkammertag, der ÖGB, die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern. Die Republik Österreich, vertreten durch das Justizministerium, ist förderndes Mitglied und steckt über 20 Millionen Schilling aus Steuergeldern in den Verein.

Problematisch wird die Sache, wenn die privatwirtschaftlichen Einnahmen des Schutzvereins nicht transparent sind. Daher ist es eine wichtige Forderung, die Herkunft der finanziellen Mittel und damit mögliche Abhängigkeiten offen zu legen. Zu dramatisch sind die Möglichkeiten von Konsumentenschutzorganisationen, durch ihre "behördenartige" öffentlichkeitswirksame Präsenz, entweder für oder gegen einzelne Firmen und Personen mit Methoden vorzugehen, die zumindest der Verhältnismäßigkeit in einem Rechtsstaat nicht unbedingt entsprechen...

Einige Beispiele dazu: Als der VKI vor zwei Jahren eine Testreihe über Wasserentkalker ankündigte, vermutete die Branche, dass der Test mit der Neueinführung des Produktes einer bestimmten Firma in Zusammenhang stehe und mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit genau diese Firma den Testsieger stellen werde. So war es dann auch. Als der "Testsieger" schließlich noch mit einem Prospekt auftrat, der als Sondernummer der VKI-Zeitschrift "Der Konsument" deklariert wurde und nur durch Kleingedrucktes als Werbematerial erkennbar war, wurde es noch problematischer.

Oder: Ein Mitarbeiter des VKI wirbt in Fernsehspots für das Gütesiegel der Agrarmarketing Austria (AMA) und genau dieses Gütesiegel stellt sich beim Tiermedikamentenskandal als problematisch heraus. Noch bedenklicher etwa, dass der VKI im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleiches zugeben musste, dass ihm - entgegen seiner in der Zeitschrift "Konsument" aufgestellten und verbreiteten Behauptung - keine Untersuchung bekannt war, die die Verkeimung von original-verschlossenen Wasserflaschen einer bestimmten Firma ergeben hätte.

Im nachhinein stellte sich heraus, das Wasser umgefüllt, also manipuliert wurde. Trotz Protesten der betroffenen Firma war der eindeutig ungerechte Vorwurf der Verkeimung hartnäckig sieben Jahre lang aufrecht erhalten worden.

Mit geradezu biblischem Eifer verfolgt der VKI einen kleinen niederösterreichischen Betrieb, der in der Lage ist, durch eine der Wissenschaft nicht nachvollziehbare Methode, nämlich ohne Strom, ohne Chemie, ohne Schneiden und ohne Anbringung von Mauerelektroden, feuchte Mauern trocken zu legen. Dass die Firma auf über 23.000 erfolgreiche Geschäfte verweisen kann, tut dem Eifer der Konsumentenschützer keinen Abbruch.

Sie finanzieren Klagen gegen die Firma und paktierten mit dem ORF, um wegen zwei vermeintlicher Beschwerdefälle einen massiven medialen Schlag gegen die Firma zu setzen, der selbst bei berechtigten Vorwürfen in keiner Relation zu dem zugefügten wirtschaftlichen Schaden der kleinen niederösterreichischen Firma gestanden wäre. Als die zwei angeblich Geschädigten in der ORF-Sendung "Willkommen Österreich" auftraten, wurde der ORF von der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes prompt wegen Verletzung des Objektivitätsgebotes verurteilt.

Dies ist nur eine Auswahl von gut dokumentierten Fällen, die nicht dazu gedacht sind, den Konsumentenschutz an und für sich in Frage zu stellen oder seine durchaus positiven Seiten zu leugnen, sondern um eine öffentliche Kontrolle des Konsumentenschutzes einzufordern.

Kleine Firmen, die das Prozessrisiko scheuen müssen, stehen oft wehrlos der mächtigen Organisation gegenüber. Institutionen, die aus Steuergeldern finanziert werden tragen eine besonders hohe Verantwortung.

In Zeiten da BSE, Maul- und Klauenseuche und Antibiotika-Skandale bei Tieren noch gar nicht so lange aus den Schlagzeilen verschwunden sind, hat der Konsumentenschutz eine besonders hohe Verantwortung und darf sich nicht dem Verdacht aussetzen, Tummelplatz für individuellen Verfolgungsdrang zu sein.

Der Autor ist

EU-Abgeordneter und Mitglied des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik im Europäischen Parlament. Davor war er jahrelang medialer Konsumentenschützer im ORF und Leiter der Sendungen "Argumente", "Bürgerforum" und "Konflikte".

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