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Wer wurde „weich“?

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Den radikaleren Forderern dürfte man nunmehr doch klar gemacht haben, daß eine 40-Stunden-Woche nur auf mehrere Jahre hin erreicht werden kann. So ist es zu erklären, daß in der Frage der Arbeitszeitverkürzung nun doch eine grundsätzliche Einigung erzielt werden konnte, die den seinerzeitigen Vorstellungen des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen ziemlich entspricht. Wohl wird man schon ab 1970 nur noch 43 Stunden arbeiten, aber erst ab 1975 wird die vielzitierte 40-Stunden-Woche zur Realität warclen. Man geht dabei von einem Sollstand von derzeit 45 Stunden aus.

In der Vorwoche hatten unter dem Vorsitz des ÖGB-Präsidenten, Abgeordneten Benya, und des eher einlenkenden Kontrahenten, Bundeswirtschaftskammerpräsident Ingenieur Sallinger, in Wien die Verhandlungen in Sachen 40-Stunden-Woche stattgefunden. Die grundsätzliche Einigung zwischen den beiden großen Interessensvertretern brachte das schon erwähnte Ergebnis, wo bei beiden Verhandlungspartnern klar gewesen sein dürfte, daß die Verkürzung der Arbeitszeit um zwei Stunden im Jahre 1970 und damit die Einführung der 43-Stunden-Woche keine allzu großen Auswirkungen auf das österreichische Wirtschaftsleben haben dürften, da man in vielen Betrieben bereits einer 40-Stun-den-Arbeitszeit näher ist als den 45 Stunden.

• So' haben die Angestellten im Geld- und Kreditwesen bereits weitgehend eine 41- bis 42-Stunden-Woche, .

• Privatfirmen geben bei vier Wochen Urlaub ab Beginn als besonderes Lockmittel für gute neue Angestellte auch noch eine kürzere Arbeitszeit,

• und auch einzelne Fabriken haben durch Rationalisierungsmaßnahmen ihren Arbeitern bereits die 42- und 43-Stunden-Woche gewährt Interessant ist, daß gerade in der verstaatlichten Schwerindustrie noch

vielfach die 45-Stunden-Woche trotz der besonderen Leistungen für die Arbeiter in diesem Berufszweig (Eisen- und Metallindustrie) noch immer besteht.

Gesetz oder Kollektivvertrag

Damit haben sich, da man auch in der Überstunden- und Pausenfrage eine grundsätzliche Einigung erzielt

haben will, die beiden scharfen Kontrahenten eigentlich überraschend schnell geeinigt. Im Vorjahr war nämlich die sozialistische Forderung nach der 40-Stunden-Woche von der Bundeskammer brüsk abgelehnt worden, und auch die Industriellenvereinigung und andere Unternehmerverbände hatten vor den „katastrophalen“ Auswirkungen einer

40-Stunden-Woche für die heimische Wirtschaft gewarnt. Bald nachdem im Vorjahr diese Scharfmacher auf beiden Seiten die Oberhand gewonnen hatten, zeigte sich allerdings ein Trend zum Einlenken, und heute noch streitet man sich innerhalb der Unternehmer-Organisationen und der Kammer sowie dem ÖVP-Wärtschaftsfound, wer denn eigentlich zuerst gegenüber den Forderungen der SPÖ „weich“ geworden ist.

Tatsache war nämlich auch im vergangenen Jahr, daß selbst Kreise des Gewerkschaftsbundes von der plötzlichen Forderung der SPÖ-Spitzenfunktionäre nach der 40-Stunden-Woche überrascht wurden und man lange Zeit davon sprach, der Nationalratsklub der SPÖ habe den Gewerkschaftsbund überholt. Wie sehr es der SPÖ dabei um ein wahltaktisches Manöver ging, zeigt sich daran, daß sie auch nach der grundsätzlichen Einigung im Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen über ein eindeutig auf pro eingestelltes Gutachten auf ihrem Volksbegehren beharrte und dieses auch abwik-kelte. Noch bevor größere Debatten über das Volksbegehren zur 40-Stunden-Woche im Parlament abgewik-kelt wurden, überholte nunmehr der Gewerkschaftsbund seine Parlamentsgenossen von der SPÖ seinerseits und schloß mit der Bundes^am-mer den genannten Generalkollektivvertrag ab. .

Die Skepsis bleibt bestehen

Deutlich zeigte sich aber, daß bei allem Optimismus doch eine gewisse Skepsis über die wirtschaftliche Tragbarkeit der 40-Stunden-Woche bestehen blieb. Denn der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen soll im Auftrag der Paritätischen Kommission und der ihr angehörigen Interessensverbände auch weiterhin genaueste Untersuchungen zwischen den einzelnen Etappen der Arbeitszeitverkürzung durchführen, um, wie man erfährt, zeitgerecht den warnenden Finger erheben zu können, wenn die 40-Stunden-Woche von der österreichischen Wirtschaft doch nicht so mühelos verwunden werden kann, wie dies die Arbeitnehmerverbände immer behaupten. Wie sehr man hier in einem zwielichtigen Konjunkturoptimismus gehandelt hat, geht daraus hervor, daß man selbst am Tage der Einigung zwischen Bundeskammer und ÖGB noch in einer morgendlichen Belangsendung der Bundeskammer unter Hinweis auf die 60-Stunden-Woche vieler Selbständiger gegen die 40-Stunden-Woche opponierte.

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