Wer zähmt die Falken?

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Auf ein Wort

Was war ich auf meine Entdeckung stolz, damals, vor gut vierzig Jahren, im (noch kaiserlichen) Persien: Auf der iranischen Ölverlade-Insel Kharg hatte ich ein israelisches Tankschiff entdeckt, unter falscher Flagge segelnd. Es war der Beweis, dass der Schah heimlich mit Israel kooperierte - gegen all seine islamischen Solidaritätsschwüre und antiisraelischen Boykottbeschlüsse. Aug’ in Aug’ konfrontiert mit meiner Entdeckung, nannte mich Seine kaiserliche Majestät zunächst einen "zionistischen Lügner“ und versuchte dann, mein Schweigen zu erkaufen.

Ab 1979 aber war diese stille Allianz zwischen Tel Aviv und Teheran vorbei. Für die Khomeini-Revolution wurde Israel - neben dem "großen Satan“ Amerika - zum "kleinen Satan“ und zu "einer Krebszelle, die bald vernichtet sein wird“.

Teherans Katz-und-Maus-Spiel

Der Verdacht, genau diesem Ziel könnte Irans geheimes Atomprogramm dienen, alarmiert seit Jahren die große Politik. Doch alle Konsultationen, Inspektionen und Sanktionen haben Irans Mullahs bisher kalt gelassen. Teheran spielt mit seinen Gegnern Katz und Maus und lässt in unterirdischen Labors auf immer mehr Zentrifugen sein Uran anreichern. Freilich: Der letzte Beweis für den Bau der Atombombe fehlt.

In diesen Tagen nähert sich der Psycho-Kriegslärm einer Entladung: mit Flottenmanövern im Erdölzentrum am Golf; mit neuen Raketen und Abwehrschirmen; mit Cyber-Sabotage gegen Irans Nukleartechnologie. Israels Führung drängt Amerika ungeduldig zur Aktion, droht (gegen den Rat seiner eigenen Armee und Geheimdienste) mit einem Alleingang und lässt Gasmasken an die Bevölkerung verteilen. US-Präsident Obama, ganz mit Wahlkampf und Syrien-Drama beschäftigt, hält die Israelis nur noch mühsam mit einer Doppelstrategie von Solidaritätsgesten und stillen Mahnungen an der Leine.

Hilflosigkeit macht sich breit - und der Verdacht, den Weltfrieden an zwei politische Führungen ausgeliefert zu sehen, die - bei aller Unterschiedlichkeit der politischen Systeme und ihrer Legitimität - beide nicht zögern würden, das Schicksal einer Großregion notfalls in die eigenen Hände zu nehmen.

Globales Vertrauensdefizit

Klar ist: Niemand will eine "iranische Bombe“. Aber jeder Angriff auf Persien ist von Übel. Er stärkt Irans Diktatoren und befreit sie aus ihrer Isolation. Er legitimiert alle Radikalen in der islamischen Welt. Er solidarisiert ein eben erwachendes Arabien mit der Mullah-Theokratie. Er zwingt die großen Atommächte in ihre alten Feindschaftsmuster usw. usw.

Noch ist es nicht so weit, Gott sei Dank. Aber das Drama zwischen der geheimen Atommacht Israel und der Möchtegern-Atommacht Iran zeigt das ganze Ausmaß der Hilflosigkeit von UNO & Co., zeigt den jämmerlichen Zustand existierender Konfliktlösungsmechanismen und das gewaltige globale Vertrauensdefizit. Fazit: Das "Gleichgewicht des Schreckens“ alter Prägung hat mit dem Ende des Ost-West-Konflikts zu existieren aufgehört. Aber zu viele Schreckenspotenziale sind geblieben - und sie sind heute vermutlich unkontrollierter als je zuvor.

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