Wer zieht auf die Prager Burg?

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Vier Kandidaten rittern um die Nachfolge von Václav Havel. Eine langwierige Entscheidung zeichnet sich ab.

Wer wird neuer Herr auf dem Hradschin? Am Mittwoch dieser Woche begannen die tschechischen Abgeordneten und Senatoren mit der schwierigen Aufgabe, einen neuen Staatspräsidenten zu wählen. Niemand in der tschechische Öffentlichkeit erwartet sich jedoch von diesem Wahlgang am 15. Januar eine Entscheidung über die Nachfolge des Dichterpräsidenten. Von den Kandidaten um das höchste Amt im Staate ist keiner so unumstritten, dass er sich schon im ersten Wahlgang durchsetzen kann. Sollte dies doch geschehen, wäre das ein politisches Wunder der Extraklasse.

Vom Parlament gewählt

In der tschechischen Republik wird das Staatsoberhaupt nicht vom Volk sondern von den Parlamentariern gewählt. Im ersten Wahlgang von Senatoren und Abgeordneten, getrennt in ihren jeweiligen Häusern. Jener Kandidat gilt als gewählt, der die absolute Mehrheit der Stimmen des jeweiligen Hauses erhält. Drei Runden sind möglich. Bringen sie keine Entscheidung, muss innerhalb von 14 Tagen ein nächster Wahlgang stattfinden.

Um den Einzug auf dem Hradschin, der Burg der böhmischen Könige, bewerben sich vier Kandidaten:

* Der ehemalige Ministerpräsident und Ehrenvorsitzende der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) Václav Klaus. Seine Vorzüge: Er spricht mehrere Sprachen und besitzt Erfahrung auf dem internationalen Parkett.

* Der Präsident des Senats ,Petr Pithart, aufgestellt von den Christlich-Sozialen, ein sympathischer rechtschaffener Politiker mit großem Ansehen in breiten Schichten der Bevölkerung.

* Der Kandidat der Sozialdemokraten, der stärksten politischen Partei im Lande, Jaroslav Bures, ein eher farbloser Jurist.

* Und als Außenseiter der Kommunist Miroslav Krizenecky. Dessen Partei kann jedoch im Spiel der Fraktionen um die Unterstützung des jeweiligen Kandidaten ein gewichtiges Wort mitreden.

Neue Kandidaten im Spiel

Im vorausgesagten zweiten Wahlgang beginnt es erst spannend zu werden. Zunächst können sich dann jene Kandidaten präsentieren, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben. Es können aber auch neue Kandidaten hinzukommen. In diesem Fall wird angenommen, dass der ehemalige sozialdemokratische Ministerpräsident Milos Zeman wieder ins politische Spiel kommt. Er war von seiner Partei bisher nicht aufgestellt worden, weil er bei einer parteiinternen Abstimmung gegenüber Bures verloren hatte. Bures genießt die Unterstützung von Ministerpräsident Vladimir Spidla, der auf jeden Fall weiterhin versuchen wird, eine Kandidatur Zemans zu verhindern. Als Rechtfertigung dafür ließ Spidla vor kurzem verlauten, Zeman sei ein Politiker, "dessen Zeit abgelaufen ist". Eher wahrscheinlich ist aber eine starke Abneigung Spidlas in seiner Funktion als Ministerpräsident, einen ebenso starken wie undisziplinierte Zeman über sich auf dem Hradschin sitzen zu haben.

Es sieht aus, als würde der neue Vorsitzende der ODS, Mirek Popolanek, Recht behalten, der kürzlich erklärte: "Über den neuen Präsidenten wird ein politisches Geschäft entscheiden." Dabei kann es zu erstaunlichen Kombinationen kommen. Eine davon wäre, dass Spidla, um Zeman zu verhindern, eine Parteienkombination zu Stande bringt, die die Wahl von Klaus sichern würde. Als Regierungschef hat Spidla dazu durchaus die Möglichkeit. Oder, dass Spidla sogar selbst für den Präsidentenposten kandidiert.

Schließlich wird sogar die Möglichkeit erwogen, dass die Regierung im Parlament eine Verfassungsänderung einbringt, damit das Staatsoberhaupt vom Volk gewählt werden kann. Laut aktuellen Umfragen wäre das ein klarer Vorteil für Václav Klaus, der in der Zustimmung des Volkes haushoch vor den Rivalen liegt. Diese Umstellung würde einige Monate Zeit in Anspruch nehmen - und in dieser Zeit können sich die Mehrheitsverhältnisse noch öfters ändern. Das Rennen um die Havel-Nachfolge bleibt jedenfalls mit Sicherheit spannend.

Der Autor war über Jahrzehnte Südosteuropa-Korrespondent und prägte u. a. den Begriff des "Prager Frühlings".

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