Werbung
Werbung
Werbung

Vieles hat sich seit der Wahl 1999 verändert. Nur eines nicht: Nach wie vor wird heftig dementiert.

Gespräche, Appelle und Dementis zur Regierungsbildung", übertitelte die Austria Presse Agentur (APA) die innenpolitische Tagesmeldung vier Tage nach der letzten Nationalratswahl am 7. Oktober 1999. Vier Tage vor der kommenden Wahl am 24. November 2002 kann diese Überschrift eins zu eins übernommen werden und auch in nächster Zeit lässt sich Politik in Österreich mit diesen Begriffen zusammenfassen. Besonders das Dementi beherrscht die Diskussion. In allen Varianten: von schwach bis heftig. Wobei der Erfolg von Dementis eher bescheiden ist. Denn mittlerweile hat sich der Grundsatz durchgesetzt: Trau niemandem, der oder die etwas dementiert! Das mag im Alltag ungerecht sein, gegenüber Politikern ist dieses Misstrauen ganz gewiss angebracht.

Rücktritt und Geheimpakt?

So dementierte in der oben zitierten APA-Meldung Jörg Haider, "der ÖVP einen Kanzler-Job offeriert zu haben". Das passte hervorragend zum wenige Tage später ausgesprochenen Dementi der ÖVP-Delegationsleiterin im EU-Parlament, Ursula Stenzel, "wonach sie sich gegen den Gang der Volkspartei in die Opposition und für eine Regierungsbeteiligung ausgesprochen habe". Sie rechtfertigte ihre Haltung mit einer Regel, die jetzt wieder von großer Aktualität ist: "Es steht für mich außer Frage, dass man als Politiker auch nach der Wahl zu dem stehen muss, was man davor verkündet hat."

Mitte November 1999: Die Regierungsverhandlungen ziehen sich hin und Bundeskanzler Viktor Klima ist immer mehr damit beschäftigt, angebliche Rücktrittsabsichten zu dementieren. Schwarz und Blau waren in derselben Zeit bemüht, einen "Geheimpakt" zwischen ÖVP und FPÖ zu dementieren, laut dem "Schüssel Bundeskanzler werden solle und FPÖ-Obmann Haider zumindest eine Legislaturperiode Landeshauptmann in Kärnten bleibe". Beide Dementis - kein Klima-Rückzug und kein schwarz-blauer Pakt - wurden noch sehr oft wiederholt. Und mit jeder Wiederholung hat man den Beteuerungen weniger geglaubt. Zu Recht, wie es der Lauf der Innenpolitik bewiesen hat. Inzwischen, wir schreiben den 1. Februar 2000, waren Österreichs Spitzenpolitiker aber schon mit anderen Dementis beschäftigt: Im Doppel widersprechen Bundespräsident Klestil und Gerade-Noch-Kanzler Klima den Vorwürfen, sie hätten sich EU-Sanktionen als "Schützenhilfe gegen Jörg Haider" erbeten.

Kaum war Klima weg und die neue Regierung im Amt, musste Klestil schon wieder dementieren: Jörg Haider hatte nämlich behauptet, "anscheinend persönlich gekränkt" habe der Bundespräsident die Herren Andreas Khol, Martin Prinzhorn und Hilmar Kabas nicht als Minister akzeptieren wollen. Kabas revanchierte sich mit einer unanständigen Bemerkung gegenüber Thomas Klestil, musste diese aber ebenfalls umgehend dementieren: Die Begriffe "Hump" und "Dump" waren geschaffen.

Hitzige Debatten bewegten in der Sanktionenzeit die Gemüter. Da war es wichtig, dass wenigstens auf höchster Ebene die Chemie anscheinend immer passte. "Das stimmt überhaupt nicht", dementierte Wolfgang Schüssel Gerüchte, wonach sein Verhältnis zu Thomas Klestil in den letzten Wochen abgekühlt sei: "Ich war am Freitag beim Bundespräsidenten, ich war gestern beim Bundespräsidenten, ich bin heute beim Bundespräsidenten und ich werde ..."

Kostelka wechselt? Niemals!

Der mittlerweile - trotz vieler anders lautender Meldungen - zum neuen SPÖ-Chef ernannte Alfred Gusenbauer gewöhnte sich sehr rasch an die Gepflogenheiten und "zerstreute das von der FPÖ ausgestreute Gerücht", wonach die Ablöse des SP-Klubobmanns bevorstehe: "Peter Kostelka ist für die gesamte Legislatur-Periode gewählt." Diese Klarstellung fand am 12. Mai 2000 statt. Am 21. Mai 2001 wurde das neue Team der Volksanwaltschaft präsentiert: Mit dabei ein gewisser Peter Kostelka.

"Es gibt keine Diskussion um die Ablöse von irgendjemanden", dementierte wiederum Vizekanzlerin und FPÖ-Parteiobfrau Susanne Riess-Passer die Gerüchte um eine mögliche Abberufung von Sozialministerin Elisabeth Sickl. Zwei Monate später, am 23. Oktober 2000, Herbert Haupt war inzwischen zum Sozialminister berufen worden, dementierten "die Koalitionsparteien durchgehend, dass auch andere Regierungsmitglieder wie Infrastrukturminister Michael Schmid abgelöst werden sollten". Die Meldung erscheint im Jahr darauf, am 5. November 2001, fast wortident noch einmal. Dieses Mal wird jedoch nicht die Ablöse von Michael Schmid, sondern die seiner Nachfolgerin Monika Forstinger vehement in Abrede gestellt. Am 19. Februar 2002 schreitet Mathias Reichhold zu seiner Angelobung als Infrastrukturminister.

"Die Erfahrungen der letzten Wochen" lassen SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl schließlich zum Schluss kommen, "dass je vehementer Mitglieder dieser Regierung dementieren, umso mehr zu befürchten sei, dass das Dementierte Realität werde". Ausgerechnet in dem von Kuntzl angesprochenen Fall war das aber nicht so. Die Einführung des Schulgeldes fand trotz heftigster Dementis nicht statt. Genausowenig wie der eifrig dementierte und "unter größter Diskretion" angedachte fliegende Koalitionswechsel der ÖVP zur SPÖ.

"Bist du geisteskrank!?" Auch in so grober Form wurde in der vergangenen Legislaturperiode dementiert - am 18. April 2002 widersprach Reinhard Gaugg auf diese Weise Gerüchten, er wolle in die Pensionsversicherungsanstalt wechseln. Ein "Geheimprotokoll" vom 14. Mai macht dieses Dementi aber ungültig und Gaugg zum PVA-Spitzenmanager. Doch nicht jeder Geheimpakt konnte unter Schwarz-Blau umgesetzt werden. Nicht der Gaugg'sche und nicht der gerüchtweise zwischen Schüssel und Haider ausverhandelte Alternativ-Vorschlag zur Steuer-Reform, an der diese Regierung schließlich mit zerbrochen ist. Aber dieses Papier hat es ja auch nie gegeben - heißt es zumindest im Schüssel-Dementi vom 5. September 2002.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung