Der Kapitalismus des "Westens“ ist erst nach 1990 nach Indien gekommen. Über 40 Jahre war Indiens Innen- und Außenpolitik und sein Zukunftsverständnis von sozialistischen Idealen und seiner engen Freundschaft zu den "Blockfreien“ während des Kalten Krieges geprägt. Als großer Bezugspunkt galt aber die Sowjetunion. Dort wie da geriet die Armee zu einer national sinnstiftenden, die Völker im Inneren einenden Einrichtung.
So kam es, dass Indiens Armee viel Geld bekam, weitaus mehr als andere Staatseinrichtungen. Hätte der Staat so viel Geld für seine Armen ausgegeben, wäre die Armut bei Weitem nicht jenes Problem, das sie heute für Indien darstellt. Die Armee Indiens ist die drittgrößte der Welt. Sie besteht ausschließlich aus Freiwilligen und hält 1,3 Millionen reguläre Soldaten plus über eine Million Milizionäre. Dazu gibt es rund 800.000 Reservisten. Das Verteidigungsbudget beträgt über 18 Milliarden Dollar.
Seit 1974 ist Indien, damals noch unter tatkräftiger sowjetischer Hilfe auch militärisch eine Atommacht geworden. Heute verfügt das Land über Kurz- und Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite bis zu 5500 Kilometern und über 80 Nuklearsprengköpfe. Im konventionellen Bereich stehen über 3300 Panzer, 733 Kampfflugzeuge und 21 Kriegsschiffe in Verwendung.
Der Milliarden-Rüstungswettlauf
Indien versteht sich als "sanfte“ Atommacht und rechtfertigt damit auch die Nichtanerkennung des Atomwaffensperrvertrags: Eine der ersten Prinzipien seiner Militärdoktrin ist es demnach, Atomwaffen nur im dem Fall einzusetzen, wenn es selbst Ziel eines nuklearen Angriffs würde.
Weil solche Beteuerungen weder Freund noch Feind wirklich beruhigen, ergibt sich seit den 80er-Jahren ein mit Milliardenaufwand geführter Rüstungswettlauf zwischen Indien und Pakistan. Jeder Grenzkonflikt und jeder Terroranschlag erzeugen deshalb eine nicht nur konventionell militärisch hochexplosive Situation an der gemeinsamen Grenze. Dass politisches Verhandeln, nicht Wettrüsten, der einzige Weg zur Entspannung ist, beweist Indiens Regierung dagegen selbst. Seine beiden Grenzkonflikte mit China, die 1962 sogar zu einem Krieg geführt haben, wurden in den letzten Jahren soweit politisch befriedet, dass beide Länder nun von "freundschaftlichen Beziehungen“ sprechen. (tan)
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