Wie wir leben wollen

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Die amtierende Bundesregierung wollte zumindest das meiste besser machen als das Kabinett ihrer Vorgänger. Noch ist der Beweis dafür nicht gelungen. Doch was sie zu tun hätte, läge mitsamt den Konzepten schon vor.

Die Annahme, ein Sommer oder der Sommer würde etwas ändern, war immer schon unzutreffend. Die von selbst gelingende Verbesserung aller Verhältnisse stellt sich nicht ein. Heimkehrer aus dem Urlaub erleben als Erstes zumeist eine Enttäuschung darüber, dass sich der Großteil der Gegebenheiten in demselben deplorablen Zustand befindet, vor dem man in den Urlaub gereist, nein: geflüchtet ist. Die Enttäuschung darüber hat ihre Ursache in einer Täuschung über erhoffte Änderungen und über erwünschte Lernfähigkeit. Das gilt – wem sei es geklagt? – auch und gerade für die Innenpolitik. Die erste Sitzung des Ministerrates und die Sondersitzung des Nationalrates nach der Sommerpause bestätigen diesen Befund: viele Worte, wenig Erkenntnis. Gespielte Emotionen, aber keine echte Anteilnahme. Aufgeregtheit an den Konferenztischen und in den Abgeordnetenbänken, aber keinerlei echte Wirksamkeit.

Für eine nachhaltigere Wirtschaftsweise

Wie so oft sind sowohl die Expertise in der Sache als auch manche Meinungsbildung in der Öffentlichkeit der politischen Beschlusslage weit voraus.

Das gilt etwa für unser Wirtschaftssystem. Dieses wird, ergibt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, von einer Mehrheit zwar befürwortet, doch mehr als die Hälfte der Bevölkerung zeigt sich gegenüber ständigem Wachstum skeptisch: Sei es, weil es nicht für möglich gehalten wird, sei es, weil es keine weitere Verbesserung der Lebensumstände mit sich bringt. Die Österreicher seien hingegen für die Verminderung der Staatsschulden und zudem bereit, einen geringeren Zuwachs an materiellem Wohlstand zu akzeptieren, sollte im Gegenzug dafür die Umwelt für die nächsten Generationen besser erhalten werden können.

Eine auf Ökologie, auf Nachhaltigkeit, auf Übereinstimmung mit den Menschen bedachte Politik bräuchte doch auf diesen fahrenden Zug nur aufzuspringen, oder? Umso mehr, als sachkundiges Personal schon zugestiegen ist. Erst in diesen Tagen hat etwa Jakob von Uexküll bei der Tagung von GLOBArt oder Franz Fischler beim Europäischen Forum Alpbach in klaren, verständlichen Worten mit plausiblen Erläuterungen dargelegt, wie sich unsere Wirtschaftsweise weiterentwickeln sollte, soll Leben auf diesem Planeten Bestand haben.

Aber nein, noch ist nicht zu erkennen, dass derartige Überlegungen tatsächlich in die Arbeit der Regierung einfließen. Es fehlt auch erkennbar an Bereitschaft, die Umstände des Arbeitslebens stärker auf die berechtigten Erfordernisse des Familienlebens und der Kinder abzustimmen. Es ist dieser offensichtliche Mangel an Neigung und Fähigkeit der Politik, Expertise und gesellschaftliche Grundströmungen aufzunehmen und umzusetzen. Denn die Antwort auf die wesentliche Frage, wie wir denn leben wollen, wurde ja gegeben: menschenfreundlich und umweltverträglich, also sozial und ökologisch. Konzepte dafür liegen vor. Aber die Politik, und auch darin liegt ein Problem, beschäftigt sich nicht damit, sondern mit sich selbst.

Rückfall der Koalition

Die Koalitionsregierung von Werner Faymann und Josef Pröll droht in jenes Formtief zurückzufallen, in welchem die Ablöse ihrer Vorgänger unausweichlich war. Sie gelobten Besserung, und man war geneigt, ihnen zu glauben. Doch inzwischen dominieren wiederum Sticheleien und Junktimierungen den Umgangston zwischen den Bundesministern. Die gegenseitigen Vorwürfe über Förderungen und Subventionen, über Postenschacher und Reformunfähigkeiten scheinen den Alltag zu beherrschen. Dazu eine Opposition, die sich als schriller Anklagevertreter geriert, ohne dass jemand eine Gerichtsverhandlung angesetzt hätte. Den von den Landeshauptleuten gezeigten politischen Muskeln hatte die Koalition nichts Kräftiges entgegenzusetzen, ganz im Gegenteil, man ersucht um gegenseitiges Verständnis.

Wünscht sich diese Koalition weiterhin Bestand und Anerkennung, muss sie zu Konzepten greifen und zu Einigkeit finden. Der Zeitpunkt dafür ist jetzt.

* claus.reitan@furche.at

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