Wiener Blut-Schande

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Not streitet, lautet ein geflügeltes Wort. Angst sei ein schlechter Ratgeber, ein anderes. Wieso man in diesen Tagen genau darauf kommt? Weil sowohl die Not als auch die Angst in der Freiheitlichen Partei besonders stark ausgeprägt sein müssen. Anders ist es nicht zu erklären, dass ihr Obmann und Spitzenkandidat für die Wiener Landtagswahl, Heinz-Christian Strache seit dieser Woche plakatieren lässt: Mehr MUT für unser Wiener Blut. Es hagelte umgehend Kritik, zu Recht. Denn die Unterzeile lautet: Zu viel Fremdes tut niemandem gut.

Die FPÖ bleibt rassistisch

Während diese Plakate zum Wochenbeginn affichiert wurden, weilte Strache noch in der Fremde, auf einer Mittelmeerinsel. Der Autor der Verse, Generalsekretär Herbert Kickl, wies jegliche Kritik zurück, und stürzte damit die Freiheitliche Partei in Wien genau in jenes Eck zurück, aus dem sie Strache herausführen wollte.

Strache arbeitete am Umbau der von Jörg Haider geprägten FPÖ von einer braunen, nahezu neo-nationalsozialistischen, para-faschistoiden, autoritär geführten Partei zu einer, schlimm genug, gehässigen, fremden- und ausländerfeindlichen Organisation, die zumindest nicht mehr so mittelbar mit der NSDAP in Verbindung gebracht werden konnte wie unter Haider. Daraus wird nichts. An ihren Versen sollt ihr sie erkennen.

Als dieser etwas holprige Reim an den ganzjährig die Landschaften verstellenden Plakatflächen angebracht war, dauerte es nur kurze Zeit, ehe die ersten zutreffenden politischen Urteile dazu eintrafen. Grüne und Sozialdemokraten sprachen von „Nazi-Jargon“. Das BZÖ rang sich zu einem „geschmacklos“ durch, dessen Kandidat Walter Sonnleitner sprach von „purer Verzweiflung“ der FPÖ. Diese scheint Strache tatsächlich zu plagen.

Im Präsidentschaftswahlkampf hat sich Strache völlig vergaloppiert. Er hat sich für fast alle Funktionen empfohlen, womit er für keine mehr glaubwürdig und überzeugend genug war. Als er Barbara Rosenkranz mit einer vorsätzlichen Überforderung ins Rennen schickte, haben mit ihr dann beide verloren. Als Nächstes versemmelte – man kann es nicht anders ausdrücken – Strache einen TV-Auftritt in einer Unterhaltungssendung des ORF. Die Nutzer des Internet sollen sich über den Kurzfilm, der Strache in tiefster Verzweiflung wegen eines dem Kaiser leider nicht vorgetragenen Gedichts zeigte, tausendfach amüsiert haben. Natürlich haben der Kaiser und die TV-Regie Strache schwer zugesetzt. Von der Politik nicht ernstgenommen, von der Internet-Community ausgelacht – Strache verschwand im Frühjahr von der Bildfläche. Ehe er jetzt wieder auf Plakatflächen auftauchte.

Ein Verhalten gegen die Parole

In ihrer Ratlosigkeit und Verwirrung greift die Wiener Freiheitliche Partei zu bekannten Mustern: Ausländerhass, Fremdenfeindlichkeit, Ab- und Ausgrenzung.

Die Öffentlichkeit Wiens ist, tragisch und verwerflich genug, geübt darin, Muster leben zu lassen, die zeitweise anderen das Leben kosten. Diese Muster werden heute von der geistig inzestuösen FPÖ gepflegt, wo es in Wien kaum einen Bezirk gibt, der einen unter 20 Prozent liegenden Anteil an Zugewanderten erster oder zweiter Generation aufweist.

Der Hinweis von Kickl, mit Wiener Blut meine man ja beispielsweise die Pflege der Tradition, ist entweder zynisch oder von entblößender Unkenntnis. Beides spricht gegen die Gedankenwelt des Urhebers. Wiener Blut ist übrigens sowohl ein Operetten-Titel als auch einer für einen Hit von Falco, ist ein Luxus-Label und ein Pornografie-Zyklus von Hrdlicka. Was also meint Wiener Blut?

Die FPÖ bringt offenkundig immer wieder aggressive, rassistische Parolen hervor. Was bleibt da zu tun? Um es im Neusprech der Guten auszudrücken: Fremdschämen. Und sich im Übrigen gegenüber Zugewanderten oder Fremden so zu benehmen, wie man selbst wünscht behandelt zu werden.

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